Erlebnis «Mostzeit» sucht Betriebe

Wenn der Bauernhof zum Lernort wird, bleibt mehr hängen als im Schulzimmer. Das nutzt die Kampagne «Mostzeit»: Schulkinder erfahren mit eigenen Händen, was es heisst, Süssmost zu pressen. Weitere Landwirtschaftsbetriebe, die mitmachen, sind willkommen.

Roman Stüdli empfängt in der Mostzeit Schulklassen auf seinem Hof in Flawil. Bilder: Trägerverein Culinarium
Roman Stüdli empfängt in der Mostzeit Schulklassen auf seinem Hof in Flawil. Bilder: Trägerverein Culinarium

Viele Handgriffe stecken hinter einem Liter Süssmost. Die meisten Stadtmenschen sind sich dessen nicht bewusst und haben auch keine Anhaltspunkte, wenn sie vor dem Regal stehen und sich zwischen einem Süssgetränk und einem natürlichen Apfelsaft entscheiden wollen. Das soll sich ändern, und zwar in den Köpfen der Generation der Zukunft. Mittels der Kampagne «Mostzeit» können Kinder ganzer Schulklassen auf einem Obstbetrieb Eindrücke bekommen, die ein Leben lang bleiben. «Das Wichtigste ist das Erleben», sagt Roman Stüdli, Obstbauer vom Hof Landberg in Flawil. Er ist schon seit 2021 dabei und weiss, wie er die Schülerinnen und Schüler für sich gewinnt: «Ich habe den Traktor mit Anhänger bereit, wo die Kinder draufsitzen dürfen. Mit diesem Starterlebnis habe ich sie sofort im Sack», so der dreifache Vater.

Freude und Einsatz

Dann heisst es anpacken: Eine Gruppe liest Äpfel auf, die andere legt Hand an die Presse. Womit Bauernkinder aufwachsen, den Körper zu spüren, auch bei Regenwetter, ist für die meisten Schülerinnen und Schüler ungewohnt. Dennoch gibt es kaum lange Gesichter. Im Gegenteil. «So schön, zu sehen, wie die Kinder Einsatz zeigen und ‚Mmmh‘ sagen beim Probieren», sagt Antonia Messmer vom Hof Rosentürmli in Thal. Sie hat schon 16 Schulklassen für die «Mostzeit» empfangen. Da kommt Routine auf: Handpresse, Körbe und Papier für die von den Kindern gestalteten Etiketten bereit machen. Idealerweise sind auch die Kinder vorbereitet und bringen Wissen mit. Am meisten lernen sie jedoch auf dem Hof. «Die Lehrpersonen sagen uns oft, wenn sie das alles im Schulzimmer lernen, würde nicht halb so viel hängen bleiben», so die Bäuerin vom Rosentürmli. Das Wichtigste, was sie den Kindern sagen sollen, sei gutes Schuhwerk anzuziehen, bestätigt Landwirt Roman Stüdli.

Bevor die Äpfel in die Presse kommen, werden sie zerkleinert.
Bevor die Äpfel in die Presse kommen, werden sie zerkleinert.

Rechnen und Staunen

Mit den Sechstklässlern darf auch gerechnet werden: Die Anschaffung der grossen Mostpresse plus deren Stromverbrauch, verglichen mit den Kosten für die kleine Handpresse relativ zum Zeitaufwand und Ertrag. Oder wie viel Liter Saft es von wie viel Kilo Obst gibt, was die Bauersleute für den Liter Most bekommen und wie deren Stundenlohn aussieht, wenn der Zeitaufwand inklusive Obstgartenpflege mitgerechnet wird. «Ein Schüler sagte, es würde für ihn mehr rentieren, den Most im Laden zu kaufen», erzählt Antonia Messmer. Sie entgegnete: «Dafür weiss ich, dass der Saft aus meinem Obst ist, und damit, was ich habe.» Die Bäuerin vom Rosentürmli macht mehr als mosten. Da werden Apfelringe hergestellt, aus den Schalen Fruchttee gemacht und aus der Maische Riegel geschnitten. Es ist ihr wichtig, dass die Kinder merken, wie vielfältig Äpfel sind: «Wir lassen die Kinder Apfelschnitze von verschiedenen Sorten probieren. Dass ein Schneider und ein Golden zwei Welten sind, spürt jedes auf der Zunge.» «Mostzeit» ist ein Erlebnis für alle Sinne: schauen und staunen; schmecken und riechen; arbeiten und fühlen; zuhören und lernen.

Spass und Kernbotschaft

Die Kinder dürfen an dem Halbtag auf dem Hof erfahren, wie viel Pflege über wie viele Jahre ein Hochstammobstbaum braucht, dass er einen Ertrag liefert und welch wichtiger Lebensraum ein Obstgarten Tieren bietet. «Wenn man die Kinder fragt, welche Tiere im Obstgarten leben, kommen manchmal lustige Antworten», berichtet Roman Stüdli. Er erzählt den Kindern dann von Igeln, Fledermäusen und Vogelarten. Auch Antonia Messmer erlebt immer wieder Lach-Momente: «Einmal sagte ein Kind beim Degustieren, ich solle das nächste Mal weniger Zucker reintun.» Sogar dass die Süsse des Süssmostes natürlich ist, ist für viele neu.

Positive Bilanz

In der Hochsaison Schulklassen auf dem Hof zu haben, verlangt gute Planung und Einteilung der Arbeitskräfte. «An jenem Halbtag musst du nicht noch anderes wollen», sagt Roman Stüdli, der fixe Tage für das hofeigene Mosten einplant und so immer gut gefahren ist. Sein Tipp mit auffälligen Schulkindern ist Ehrlichkeit: «Ich musste auch schon einem sagen, so werde bei uns nicht geredet. Am Ende wollte genau jener meine Hand halten.» Bleibende Erinnerungen gibt es auch bei Antonia Messmer: «So oft erkennen mich die Kinder später irgendwo strahlend wieder. Man kann von der Freude nichts kaufen, aber es ist eben schön.» Wer mit dem Herz bei seiner Sache ist, überträgt diese Freude und damit leichter wertvolle Inhalte. Warum Apfelsaft seinen Preis verdient hat, begreift mit «Mostzeit» jedes Kind und damit die Kaufkraft der Zukunft.

Die Eckdaten für Betriebe

Zeitaufwand: einen halben Tag

Vergütung: 200 Franken pro Klasse

Mehrwert: Betrieb auf mostzeit.ch

Infos zum Ablauf, Kontakt und Anmeldung auf: mostzeit.ch swa.

Während des Aufsammelns der Äpfel vermittelt Roman Stüdli den Kindern immer wieder wertvolle Infos.
Während des Aufsammelns der Äpfel vermittelt Roman Stüdli den Kindern immer wieder wertvolle Infos.

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