Reto Grünenfelder ist von der Braunen begeistert

Acht Jahre präsidierte Reto Grünenfelder Braunvieh Schweiz. Im Interview erzählt er, wie er die Zeit erlebt hat, was ihm Freude gemacht hat und auch, was ihm Sorgen bereitet.

Reto Grünenfelder prägte die Braunviehzucht in der Schweiz mit.
Reto Grünenfelder prägte die Braunviehzucht in der Schweiz mit.

Reto Grünenfelder ist studierter Agronom. Er arbeitet seit 35 Jahren beim Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen. Sein Fachgebiet, die Rindviehhaltung, liess sich die vergangenen acht Jahre auch gut mit dem Präsidium von Braunvieh Schweiz kombinieren. Der gebürtige Sarganserländer lebt mit seiner Familie in Balzers. In der Freizeit stehen beim 62-Jährigen Berge, Alpen und Fussball hoch im Kurs.

Herr Grünenfelder, Sie haben kürzlich das Präsidium von Braunvieh Schweiz wegen der Altersbeschränkung abgegeben. Wie haben Sie die Zeit an der Verbandsspitze erlebt?

Reto Grünenfelder: Die Präsidialjahre waren für mich eine gute und interessante Zeit, ich durfte mit vielen engagierten und konstruktiv denkenden und handelnden Persönlichkeiten zusammenarbeiten. Die Aufgaben rund um das Braunvieh haben mir sehr viel Freude bereitet. Der Besuch zahlreicher Viehschauen und Veranstaltungen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Vorstandskollegen und dem Team von Braunvieh Schweiz war äusserst bereichernd. Mir gefiel auch die dringend nötige, intensive Zusammenarbeit der Zuchtorganisationen.

Was waren während der acht Jahre die grössten Höhepunkte?

Grünenfelder: Da gab es viele, doch letztendlich sind es die Erinnerungen an Anlässe, bei denen viele Menschen vor Ort sind. Unvergessen bleiben zwei Wochenenden an der Bruna 2022 und unser Jubiläumsjahr, 125 Jahre Braunvieh Schweiz mit Festschrift und zahlreichen Aktivitäten. Nicht zu vergessen die Europaschauen, und wenn dann noch die Europameisterin aus unserem Kanton kommt, bedeutet dies doppelte Freude. Als wichtigen Meilenstein sehe ich die Lancierung «Zuchtprogramm 2017+», mit der genomischen Typisierung der Tiere und der Erfassung der Gesundheitsdaten. Viel Freude bereitet mir auch die zahlenmässige Entwicklung des Original Braunviehs.

Gibt es auch Tiefpunkte und Rückschläge?

Grünenfelder: Was mich stark beschäftigt, ist der zahlenmässige Rückgang der Brown Swiss in unserem Land.

Sprechen wir von Verlagerung der Rassen oder dem insgesamt rückläufigen Milchviehbestand?

Grünenfelder: Insgesamt ist der Bestand an Milchvieh stark zurückgegangen. Aber es findet auch eine Verlagerung von den Brown Swiss zu den Holstein-Kühen sowie anderer Rassen statt.

Aus welchem Grund?

Grünenfelder: Für die positive Weiterentwicklung unserer Rasse ist die Reduktion der Fleischrassenbesamungen und der vermehrte Einsatz von gesexten Samendosen nötig. Dabei gilt es zu akzeptieren, dass unsere weltweite Braunviehpopulation zahlenmässig klein ist gegenüber den stärkst verbreiteten Milchrassen. Diese Rassen können für die Genetikbeschaffung in den Weltmeeren fischen, wir dagegen sind überwiegend in den vergleichsweise kleinen Gewässern der Schweiz tätig.

Fachleute attestieren Ihnen, dass Sie während Ihrer Präsidialzeit die Braunviehzucht wesentlich mitgeprägt haben. Es war auch zu lesen, dass mit Ihrem Weggang aus dem Präsidium Braunvieh Schweiz einen «Leuchtturm» verliert. Wie gehen Sie mit diesem Lob um?

Grünenfelder: Grundsätzlich war mein Einsatz während der acht Jahre als Präsident immer eine Teamleistung mit dem Verband, den Vorstandskollegen, dem Direktor und dem Braunviehteam. Zudem könnte Braunvieh Schweiz ohne die engagierten Züchterfamilien nicht bestehen.

In der Schweiz gibt es zahlreiche Viehrassen; weshalb schlägt Ihr Herz ausgerechnet für die Braune Kuh?

Grünenfelder: Die Freude an der Braunen Kuh wurde mir in die Wiege gelegt. Ich bin auf einem Braunviehbetrieb in Sargans aufgewachsen. Die enormen Qualitäten dieser Rasse, aber auch der Ursprung in der Schweiz sind mir wichtig. Mir wurde schon in jungen Jahren klar, dass unsere Vorfahren mit der Haltung und Züchtung der Braunen Kühe ihr Brot verdient haben. Dieser schweizerischen Tradition der Viehzucht will ich mit meinem Engagement gerecht werden. Mir geht es um Bodenständigkeit und Verwurzelung in unserem Land. Oder anders gesagt: Die Braune Kuh hat ihren Ursprung in der Schweiz; deshalb setze ich mich für deren positive Weiterentwicklung ein. Auch ganz wichtig: Ein Viertel der Braunviehtiere leben im Kanton St. Gallen.

Wenn Sie zurückblicken: Wie hat sich die Zucht verändert respektive, wo wurden Fortschritte gemacht?

Grünenfelder: Die Einführung von Genomik und Samen-Sexing brachten markante Veränderungen im züchterischen Bereich. Die Entwicklung hin zu mittelgrossen, leistungsfähigen und effizienten Kühen finde ich erfreulich. Geht es um die Milchleistung, den Eiweissgehalt und die weiteren Rassemerkmale, wurden Fortschritte gemacht. Insbesondere die Langlebigkeit ist ein Aushängeschild unserer Braunen. Nicht zu vergessen der Fokus Gesundheit; darauf wird im Zuchtprogramm 2017+ grossen Wert gelegt.

Und was muss noch verbessert werden?

Grünenfelder: Bezüglich Leistungssicherheit und Fruchtbarkeit müssen wir noch besser werden.

Sehen Sie einen Trend zur Veränderung? Benötigt es für die Braune andere Zuchtziele?

Grünenfelder: Wir müssen den eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen. Die effiziente Veredelung des betriebseigenen Futters und der Fokus auf die Gesundheit sind zentral. Es sind auch Bestrebungen im Gang, die Methaneffizienz der Tiere züchterisch weiter zu entwickeln, damit wir deren Futterverwertung verbessern und einen Beitrag zum Klima leisten können.

Wie sehen Sie ganz allgemein die Zukunft des Braunviehs?

Grünenfelder: Wenn wir von einer nachhaltigen Landwirtschaft sprechen, bin ich der festen Überzeugung, dass unser Schweizer Braunvieh ideal passt. Doch solange wir es nicht schaffen, mehr Reinzuchtpaarungen zu erreichen – das ist die Voraussetzung für genügend weibliche Tiere – wird der Bestand rückläufig sein.

Welche Wünsche und Anregungen zur Viehzucht und der Landwirtschaft haben Sie?

Grünenfelder: Mir fehlt oft die Wertschätzung gegenüber den Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Sie machen viel Gutes, und dies zu einem beschämend tiefen Stundenlohn. Trotzdem müssen die Bauern ständig Kritik einstecken. Auch die vielen unnötigen Landwirtschaftsinitiativen fordern viel Kraft, Zeit und Geld. Ich wünsche mir, dass die motivierten Jungen eine Perspektive haben. Die zunehmende Bürokratie und die immer neuen Vorschriften bereiten mir Bauchschmerzen. Als äusserst wichtig erachte ich die Ausgestaltung der Agrarpolitik 2030. Das neu gewählte Bundesparlament weckt die Hoffnung, dass der Landwirtschaft vermehrt Verständnis entgegengebracht wird.

Reto Grünenfelder inmitten der Braunen Kühe des LZSG-Landwirtschaftsbetriebs in Salez. Bilder: Adi Lippuner
Reto Grünenfelder inmitten der Braunen Kühe des LZSG-Landwirtschaftsbetriebs in Salez. Bilder: Adi Lippuner

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