Bio Etico geht einen Schritt weiter

Etico einen Inspirationstag. Neben Informationen zur Baubiologie bekamen die Biopioniere auf dem Bio-Weingut Lenz auch Einblicke in die Welt der pilzwiderstandsfähigen Rebsorten und kommunizierenden Pflanzen.

Der Ökobauer Markus Lanfranchi aus dem bündnerischen Verdabbio konnte über 50 Personen aus der ganzen Deutschschweiz zum besonderen Erntedankfest begrüssen, zu dem BioEtico über Mund-zu-Mund-Kontakte eingeladen hatte und viele junge Leute erreichte. «Der Rest meines Lebens ist mir wichtig, darum investiere ich in die Zukunft», sagte die junge Luzia Blum aus dem Bündnerland. Der frisch ausgebildeten Bäuerin ist es wichtig, dass bei Bio Etico jeder einzelne authentisch sein kann und die Verantwortung nicht an ein Label abgeben muss. Sie ist eine von acht Biopionieren aus dem gesamten Schweizer Sprachraum, die im Februar 2022 den Verein Bio Etico gegründet haben, der mittlerweile rund 50 Mitglieder hat.

Der Biowinzer Roland Lenz will mit dem Verein Bio Etico neue Impulse in der Biolandwirtschaft setzen.

Bio-Verein braucht kein Label

Bio Etico will losgelöst von den starren Richtlinien der Biolabels neue Impulse für die Biolandwirtschaft setzen und mit den Kreisläufen der Natur die Widerstandskraft gegen den Klimawandel stärken. Der Verein will die Bauern dafür animieren, dass sie das Land, das sie von ihren Vorfahren übernommen haben, in einem besseren Zustand an die nächste Generation übergeben. Um das zu erreichen, werden konkrete Bestrebungen wie Humusaufbau, individuelle Kraftfutterherstellung, Verzicht auf den Einsatz von zusätzlichen Betriebsmitteln, soziale Ethik, sowie gesunde und natürliche Nahrungsmittel in den Vordergrund gestellt. Die Wirtschaftlichkeit wird dabei den Auswirkungen der Arbeit untergeordnet. Die Mitgliedsbetriebe sollen eine jährliche Selbstreflexion erstellen, die Aufschlüsse über Stärken, Schwächen und Ziele geben, damit sich eine Dynamik entwickelt, die den Betrieb selbständig voranbringt. Neben dem Thurgauer Weingut Lenz haben die Bündner Betriebe Lebenswelt Mont von Vreni von Wartburg aus St. Martin, Hof Biomonti von Lukas Buchli aus Puleras, Pura Vita von Markus Lanfranchi aus Verdabio, sowie Hof Steinberg von Thomas Fehr aus Näfels und der Tessiner Hof Ul Fulett von Vasco Ryf in Intragna bereits eine Selbstdeklaration auf der Website www.bioetico veröffentlicht.

Lenz setzt auf Piwis

Roland und Karin Lenz haben im Jahr 1994 auf dem Iselisberg einen sechs Hektaren grossen konventionellen Rebberg übernommen. Bereits nach einem Jahr rissen sie die ersten traditionellen Müller-Thurgau und Blauburgunderreben aus, pflanzten pilzwiderstandsfähige Sorten (Piwis) und stellten den Betrieb auf Bio um. Mittlerweile wurde die Rebfäche auf rund 22 Hektaren erweitert, die auschliesslich mit 35 verschiedenen Piwi-Rebsorten bestockt sind. Der Schweizer Biowinzer des Jahres 2015 und 2018 konnte in diesem Jahr mit rund 300 Tonnen Trauben eine Rekordernte einfahren, die etwa 300´000 Flaschen Wein ergeben. Vor einigen Jahren wurde mit überwiegend regionalen Handwerkern und Baustoffen ein zusätzliches Gebäude mit Eventlokalität, Kühlraum, Barriquekeller, Sozial- und Wohnräumen gebaut. Die Warmwassererzeugung des energieautarken Betriebs erfolgt durch Sonnenkollektoren und die Wärme wird durch vier Erdsonden erzeugt. Auf vier Dächern werden durch Photovoltaik jährlich rund 140´000 Kilowatt Strom produziert, wovon die Hälfte selbst genutzt wird. Die Tagesproduktion wird in Batterien gespeichert und der Rest abends ins Netz eingespeist. Auf dem Betriebsrundgang erklärte der Biowinzer im Barriquekeller, dass er die speziellen Holzfässer nach vier Jahren auseinandernimmt und abschleift, damit er sie weitere vier bis fünf Jahre verwenden kann. Im Kelterraum erklärte er, wie mit dem Mini Rolltec pro Tonne Trauben etwa drei Kilo Marienkäfer und Ohrenzwicker ausgesondert werden. Lenz erklärte auch den biodynamischen Beton, der durch den Zusatz von Pneumatit Energie abgibt statt aufzunehmen und sich dadurch die Mikroorganismen im Keller anders verhalten. «Einen zusätzlichen positiven Effekt könnte ich mir noch vorstellen, wenn man den Beton selbst mit den Füssen stampfen würde», sagte Lenz.

Roland Lenz erklärte im Barriquekeller die Vorzüge von Piwi-Weinen.

 Schutz der Umwelt

Hansruedi Roth erklärte das nachhaltige Bauen und brachte baubiologische Verbesserungsvorschläge ein. Der Architekt und Biobauer betonte, dass heutige Neubauten bereits für die Fertigstellung so viel Energie verbrauchen, wie sie in 50 Jahren für den Betrieb benötigen. Der Bausektor verursacht als grösster Energieverbraucher weltweit 40 Prozent des CO ²-Ausstosses, die der Mensch verursacht. In der Schweizer Bauwirtschaft werden jährlich 74 Millionen Tonnen Abfall produziert, was rund 85 Prozent der gesamten Abfallmenge entspricht. Im Abfüllraum bemerkte Roth, dass der Holzboden eine antibakterielle Wirkung hat und für die Hygiene eigentlich besser geeignet ist als herkömmliche Böden. Lenz erklärte, dass er bei der Abfüllung CO²-freie Korken aus Naturkork oder Korkgranulat verwendet, weil bei der Produktion von einem Drehverschluss 60 Gramm CO² entstehen. Aus dem gleichen Grund verwendet er auch Flaschen aus Leichtglas, die er zurücknimmt und wiederverwendet. «Das Wirtschaftliche können wir aber nicht ganz auf der Seite lassen», sagte Lenz, der auch soziale Verantwortung für seine acht Mitarbeitenden trägt.

Die Basler Biologin Florianne Koechlin erklärte im Rebberg, wie die Pflanzen miteinander kommunizieren.

Pflanzen Palaver mit Florianne Koechlin

Am Nachmittag gab es einen drei Kilometer langen Rebrundgang mit der 74- jährigen Sachbuchautorin Florianne Koechlin, die davon überzeugt ist, dass Pflanzen untereinander kommunizieren. «Ein grosses Problem ist, dass wir nichts wissen», sagte die Biologin und bemerkte, dass Christopher Bird ihre Behauptungen bereits im Jahr 1972 im Buch «Das geheime Leben der Pflanzen» beschrieben hatte. Nachdem das Buch jedoch als esoterisch verschrien wurde, wurde diese Thematik lange Zeit nicht mehr verfolgt. Koechlin berichtete von wissenschaftlichen Versuchen, die mittlerweile bewiesen haben, dass Pflanzen durch Rezeptorenzellen optische und akustische Eindrücke wahrnehmen. Sie können Schädlinge vertreiben, Nützlinge anlocken und riechen Duft- und Warnstoffe der Nachbarpflanzen. Unter dem Boden bilden sie ein umfangreiches Netzsystem aus Wurzeln und Pilzen, über die sie in ungeahntem Mass auch Informationen austauschen. Koechlin erzählte auch von einem Weinbauer aus der Toskana, der seinen Rebberg mit klassischer Musik von Mozart beschallte, weil Pflanzen positiv auf Tonfrequenzen und Schallvibrationen reagieren. Die Referentin parodierte auch das Liebesleben der Heuschrecken und Kaugeräusche von Blattläusen. Am Schluss des Rundgangs betonte sie, dass Pflanzen ein Recht auf eine gewisse Eigenständigkeit in Bezug auf Fortpflanzung und Anpassungsfähigkeit haben. «In Genf gibt es im Juristenstudium einen Studiengang Pflanzenrecht», fügte Markus Lanfranchi hinzu, während er den Weitblick vom Iselisberg auf die Alpenkette mit sechs Viertausender genoss.

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link