Es gibt sie nur mit Hörnern

Günter und Monika Hartmann führen den Highlander Hof Hartmann im thurgauischen Oberneunforn. Seit über 20 Jahren halten sie Schottische Hochlandrinder – die älteste registrierte Viehrasse überhaupt.

Hartmanns Schottische Hochlandrinder sind auf der Weide.
Hartmanns Schottische Hochlandrinder sind auf der Weide.

Delia trottet durch die Wiese und nähert sich gemächlich ihrem Meister. Dieser lockt die alte gehörnte Lady mit getrockneten Brotwürfeln an – Goodies, die ihr sichtlich schmecken. Günter Hartmann streichelt ihren Kopf mit den langen, zottigen Haaren und sagt: «Delia ist 23 Jahre alt, eine Seltenheit für eine Kuh dieser Rasse. Mit 20 Jahren hat eine Schotten-Kuh ein stolzes Alter.» Günter und Monika Hartmann führen den Highlander Hof Hartmann im thurgauischen Oberneunforn, in der Nähe von Frauenfeld. Sie halten stets etwa 35 Tiere (Kühe, Kälber, Rinder und einen Stier) der Rasse Schottisches Hochlandrind, auch Highland Cattle genannt.

Günter Hartmann hat den Zwölf-Hektaren-Hof im Jahre 1998 von seinen Eltern übernommen. «15 Jahre später konnten wir noch den Elternbetrieb von Monika, der in Dietingen bei Uesslingen liegt, dazu übernehmen», sagt er. Heute sind es 26 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche, die Hartmanns bewirtschaften, davon 3,5 Hektaren Naturschutzgebiet, das dem Kanton Thurgau und der Stadt Frauenfeld gehört. Nebst den Kunstwiesen und dem Weideland haben sie Ackerkulturen mit Mais sowie Weizen und bauen Sonnenblumen, Leinen sowie Kürbisse an für die Ölproduktion. Ein weiterer Betriebszweig ist ihr Rebberg.

Günter und Monika Hartmann bei ihren Schottischen Hochlandrindern.
Günter und Monika Hartmann bei ihren Schottischen Hochlandrindern.

2003 kamen die Ersten

Da der gelernte Landwirt Günter Hartmann damals noch als Maurer tätig war, hat er die Milchviehhaltung bei der Hofübernahme nicht weitergeführt. Er habe aber gemerkt, dass ihm auf seinem Bauernhof ohne Tierhaltung etwas fehle. An einer Tierschau habe er dann Schottische Hochlandrinder gesehen und später auch darüber gelesen. «Ich war begeistert, und im September 2003 kamen die ersten Schotten auf unseren Betrieb. Im Dezember folgte der erste Zuchtstier und im darauffolgenden Herbst wurde das erste Schottenkalb geboren.»

Günter Hartmann erzählt, dass das erste Schottische Hochlandrind Anfang der 1990er-Jahre in den Basler Zoo kam. Zum Schutz der einheimischen Rinderrassen in der Schweiz durften bis 1994 keine weiteren Hochlandrinder importiert werden, ausser für einen Zoo oder Zirkus. Erste Hochlandrinder wurden im Rahmen eines Projektes der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau (LBL) 1993 eingeführt. Mit dem Fall des Importverbots wurde in der Schweiz ein Jahr später auch die Zucht der Schottischen Hochlandrinder möglich. Das Schottische Hochlandrind ist die älteste registrierte Viehrasse (1884) und stammt aus Schottland.

Keine hornlosen Tiere

Highlander sind eine mittelgrosse bis kleine, äusserst robuste Rinderrasse. Charakteristisch ist ihr langes, zottiges Oberhaar, mit dichtem Unterhaar und ausgeprägter Stirnmähne. Das Haarkleid bietet Schutz gegen Kälte, Nässe und Hitze. Ein auffallendes Rassenmerkmal sind auch die hellen, langen, gebogenen Hörner. Die Hörner dienen zur Körperpflege, Verteidigung und der Kommunikation untereinander. «Hornlose Tiere gibt es keine», äussert sich Günter Hartmann dazu. Für die Fellpflege im Freien benutzen die Tiere Bäume und Stauden. In Hartmanns Stall steht ihnen eine elektrische Kratzbürste zur Verfügung. Schottische Hochlandrinder sind einfärbig hell bis dunkelbraunrot. Weniger häufig sind fast weisse oder schwarze Tiere. Sie leben in einem Hierarchiesystem, in dem sie je nach Alter und Geschlecht in einer Rangordnung stehen. Grundsätzlich sind sie gutmütig und menschenbezogen.

Die 23-jährige Delia ist die älteste Kuh der Hartmanns. Bild: zVg.
Die 23-jährige Delia ist die älteste Kuh der Hartmanns. Bild: zVg.

Natürliche Landschaftspfleger

Die Tiere von Günter und Monika Hartmann verbringen den ganzen Sommer draussen auf den Weiden. Dabei werde darauf geachtet, dass es genügend Schattenplätze gibt. «Unsere Weiden grenzen nicht an unseren Hof, sie sind verteilt in der Umgebung. Deshalb verladen wir unsere Tiere im Frühjahr und fahren sie zu den Wiesen. Die Tiere werden getrennt gehalten, teils auf den kleinen Weiden, teils im Naturschutzgebiet.» Schottische Hochlandrinder seien genügsame Tiere. Im Naturschutzgebiet werden sie als natürliche Landschaftspfleger eingesetzt. Dort sorgen sie dafür, dass die invasive Goldrute und das Schilf nicht überhandnehmen. Dadurch verwachsen die Tümpel viel weniger, und die Amphibien können sich besser vermehren. Für die Massentierzucht ist das Schottische Hochlandrind nicht geeignet. Die Tiere werden nur in kleinen Herden gehalten. Auf das Melken wird verzichtet, ebenso auf eine Trennung von Muttertieren und Kälbern. Die Kühe benötigen alle Milch für die Aufzucht ihrer Kälber. Die durchschnittliche Jahresmilchleistung liege bei etwa 2500 Liter. Eine saisonale Abkalbung erfolgt ab Mai draussen auf der Weide.

Im Winter beziehen die Tiere den Freilaufstall mit grossem Laufhof. Gefüttert werden sie dann mit Heu und Grassilage. Mais und Kraftfutter kommen nicht zum Einsatz. Seit ein paar Jahren verabreichen Günter und Monika Hartmann ihren Tieren Effektive Mikroorganismen (EM) als Futterergänzung im Winter. EM sind flüssige Mikroben-Mischkulturen, die aus Bakterien und Hefen bestehen. Nebst der besseren Tiergesundheit verbessere sich auch das Stallklima (Ammoniak). «Die Gülle riecht kaum noch und der Lagermist verrottet hervorragend», betont der 56-jährige Landwirt.

Ein Kalb der Rasse Schottisches Hochlandrind.
Ein Kalb der Rasse Schottisches Hochlandrind.

Tiergerechte Transporte

Da die Highlander sehr langsam wachsen, erreichen sie die Schlachtreife frühestens ab zwei Jahren. Deshalb werden auch keine Kälber geschlachtet. «Der Fleischansatz ist nicht wie bei einer Mastrasse, die auf eine möglichst hohe Fleischleistung gezüchtet wird», weiss Günter Hartmann. Damit kurze und tiergerechte Transporte gegeben sind, bringen Hartmanns ihre Tiere selber in den nahegelegenen Schlachthof. Das Fleisch vermarkten sie direkt als Mischpaket oder Einzelstücke in ihrem Hofladen. Es ist mager, feinfaserig und von dunkelroter Farbe, zudem cholesterinarm sowie sehr schmackhaft.

Hartmanns sind in der «Highland Cattle Society Switzerland». Diese schweizerische Vereinigung der Züchter und Halter von Schottischen Hochlandrindern wurde 1995 gegründet. Das Ziel des Vereins ist die Erhaltung der Rasse in Reinzucht und die Unterstützung der Zuchtarbeit. Heute zählt der Verein rund 220 Mitglieder aus allen Teilen der Schweiz. Günter Hartmann bemerkt, dass es im Verein sogar einen Ehrenkodex gibt, dass das Enthornen, die künstliche Besamung und der Einsatz von Kraftfutter nicht erlaubt sei. Jedes Jahr im Frühjahr finden Ausstellungen mit Rangierungen statt. Hartmanns konnten schon einige Erfolge verzeichnen – drei Rassensiege sowie zwölf Kategoriensiege.

Günter Hartmann hat einen 100-Prozent-Job als Anlagewart bei der Schiessanlage Frauenfeld. Er habe zwar flexible Arbeitszeiten, sei aber froh, dass seine Frau Monika, die gelernte Pflanzengärtnerin ist, die Stellung auf dem Betrieb vollumfänglich halten kann. Sohn Rico ist gelernter Landwirt und Metzger. Er wird den Betrieb einst weiterführen, hilft nebst seiner Tätigkeit als Metzger auf dem Betrieb mit. «Da die Tiere einen angenehmen Charakter haben, können wir zu jedem eine Beziehung aufbauen. Sie sind für uns Abwechslung und Erholung zugleich, trotz der Arbeit. Uns ist bewusst, dass jedes Tier als Schlachttier zur Welt kommt. Jedoch ist es auch für uns kein leichter Schritt, wenn wir beispielsweise eine 15-jährige Kuh oder einen Stier zum Schlachthof fahren müssen. Unsere Schotten sind Nutztiere. Trotzdem ist es uns wichtig, dass sie ein schönes Leben bei uns führen können», sind sich die beiden einig.

Die Hartmanns haben schon einige Auszeichnungen für ihre Schottischen Hochlandrinder erhalten.
Die Hartmanns haben schon einige Auszeichnungen für ihre Schottischen Hochlandrinder erhalten.

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link