Letzter Stör-Brenner gibt sein Handwerk weiter

Paul Geisser, der letzte Schnapsbrenner auf Stör im Thurgau, übergab seine Brennerei auf Saisonanfang Max Zahnd, der die Kundenbrennerei nun stationär beim Restaurant Friedberg in Amlikon weiter betreibt. Damit bleibt eine alte Tradition erhalten.

Die Brenner Max Zahnd (links) und Paul Geisser.
Die Brenner Max Zahnd (links) und Paul Geisser. Bilder: Hansmartin Keller

Als sich der gelernte Getränketechnologe Paul Geisser vor 36 Jahren selbständig machte, sah die Gegend um den Bodensee noch anders aus als heute. Die Bauernhöfe waren kleiner, die Familien zahlreicher und man erntete sorgfältig alles, was die Natur hergab. Geisser erinnert sich an einen Weiler auf dem einst fünf Bauernfamilien ihr Auskommen hatten. Heute bewirtschafte einer alles allein und arbeite noch auswärts. Da ist es verständlich, dass nicht mehr jedes Pflümli aufgelesen wird. Auch viele Privatleute hatten einen Nutzgarten und oft auch einen Pflanzplätz mit ein paar Bäumen darauf. Was nicht direkt konsumiert oder verkauft wurde, kam ins Fass. Hauptsächlich war es Kern- und Steinobst wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen und Pflaumen.  In den letzten Jahren brachten die Kunden vermehrt auch Exotisches wie Pfirsiche, Aprikosen, Kiwi und Mandarinen. Bis vor zwanzig Jahren hatte Paul Geisser ein genau zugeteiltes Gebiet über den Seerücken von Kreuzlingen bis Frauenfeld. Ab dann durfte er überall arbeiten, weil er weit herum der einzige Störbrenner war.

Überliefertes Wissen

Die Brennsaison dauerte Anfangs vom November bis in den Sommer hinein. In den letzten Jahren war Geisser manchmal im März schon fertig. In der restlichen Jahreszeit arbeitete er an verschiedenen Aushilfsstellen. Solche habe er anfangs immer problemlos gefunden. Je älter er wurde umso schwieriger sei es gewesen. Geisser sah sich schon länger nach einem Betriebsnachfolger um für sein Gewerbe, das nicht offiziell erlernbar ist: «Man gibt das Wissen persönlich weiter, oft vom Vater zum Sohn oder sonst an einen geeigneten Nachfolger.» Zwar gebe es Kurse über Schnapsbrennen, aber im Lehrprogramm an landwirtschaftlichen Schulen sei nichts über das Einmaischen oder die Süssmostherstellung vorgesehen. Die eidgenössische Zollverwaltung – früher die Alkoholverwaltung – prüft einen Brenner auf Eignung, bevor dieser eine Lizenz bekommt.

Man gibt das Wissen persönlich weiter, oft vom Vater zum Sohn oder sonst an einen geeigneten Nachfolger.

Verwandlung im Fass

Nur gut ausgereifte, einwandfreie Früchte werden zur Erntezeit in Kunststoffbehälter gefüllt wo alsbald ein Gärprozess stattfindet. Anfangs entwickelt sich Kohlensäure welche entweichen können muss. Darum bleibt der Deckel während dem drei bis vier Wochen dauernden Gärprozess offen. Danach muss der Deckel luftdicht verschlossen werden, damit keine weitere Gärung – etwa zu Essig -stattfinden kann. Die sogenannte Maische kann bis zum Brennen vor Ort gelagert werden.

Während die Kolonnenbrennerei arbeitet, bleibt zum Fachsimpeln etwas Zeit. Paul Geisser gibt seine Erfahrungen an Max Zahnd weiter.

Wasserbad Brennerei

Die fahrbare Brennerei umfasst zwei Häfen zu je 240 Liter Inhalt. Diese sind umgeben von einem Wasserkessel unter welchem mit Holz eingefeuert wird. Die Maische wird somit durch ein Wasserbad, das auf etwa 90 Grad gewärmt wird, erhitzt. Ab 78 Grad verdampft der Alkohol, wird abgeleitet und verflüssigt sich bei der Abkühlung wieder. Die Alkoholgewinnung auf diese Art ist möglich, weil Alkohol schon bei tieferen Temperaturen als Wasser verdampft. Vom so gewonnenen Alkohol wird nach einem Tag der Trub abfiltriert. In grossen bauchigen Glasflaschen wird der Schnaps gelagert, damit sich das Aroma voll entfalten kann. Dann wird er in handelsübliche Kleingebinde abgefüllt. Während der Lagerung sollten die Brände die natürlichen jahreszeitlichen Klimaschwankungen mitmachen. Oft lagerten die Bauern ihren Schnaps in Schöpfen, Kellern oder auf dem Estrich, nicht in geheizten Räumen.

Neue Ära mit Max Zahnd

Max Zahnd betreibt in Amlikon den 32 Hektaren grossen Familienbetrieb mit Ackerbau und vier Hektaren Intensivkulturen,  darunter Reben und  Steinobst. Zum Betrieb gehört auch das zurzeit verpachtete Restaurant Friedberg. Zahnds erlesene Weine und Spirituosen-Spezialitäten sind weit herum bekannt. Sie werden im Hofladen, aber auch in Landi-Läden, Tankstellen  und an Private verkauft unter einem einheitlichen, modernen Design. Bisher liess Zahnd die verschiedenen Brände auswärts herstellen. Da kam ihm das Angebot, Geissers Brennerei zu übernehmen, sehr gelegen. Letztes Jahr war die Brennerei eine Woche lang beim Friedberg stationiert, wobei Geisser und Zahnd gemeinsam ans Werk gingen. Geisser steht Zahnd auf Wunsch immer noch mit Rat und Tat zur Seite.

Brennerei stationär

Der Brennvorgang bleibt gleich, aber die Brennkessel bleiben jetzt stationär beim Restaurant Friedberg wo Max Zahnd das Brennrecht auf seinem Hof hat. Sein Ziel ist es, mit der Zeit einen eigenen Raum für die Brennerei einzurichten.

Kunden müssen telefonisch anmelden, was sie zum Brennen bringen möchten. Zahnd nimmt gleiche Produkte zusammen wie etwa Williamsbirnen oder Aprikosen. Die Maischen werden aber nicht zusammengetan. Jeder Kunde erhält den Brand aus seinen eigenen Produkten. Kleinmengen werden nacheinander gebrannt, aber der Geschmack im Brennhafen bleibt gleich. Kunden bringen ihre Gebinde selber mit, in welche das fertige Produkt abgefüllt wird. Detailfragen wie, ob die Kunden auch das Brennholz mitbringen, werden nach und nach geklärt. Auf der Stör war es so, dass die Kunden das Brennholz bereitstellten. Zahnd hätte genug Brennholz von den vielen Hochstammbäumen auf seinem Betrieb.

Max Zahnd reinigt den Brennhafen nach dem Brand.
Max Zahnd reinigt den Brennhafen nach dem Brand.

In der Herstellung der Maischen hat Zahnd vom eigenen Betrieb her langjährige Erfahrung. Seine eigenen Produkte sind Brände aus Äpfeln, Pflümli, Zwetschgen, Trauben (Marc), Kräutern, Quitten, Aprikosen und Nektarinen. Im «Rebchäller» kann man auch die verschiedenen Weine degustieren. Er produziere aber auch alkoholfreie Getränke, sagt Zahnd mit Hinweis auf den Trauben-Shorle.

Viel Administratives

Zu den Aufgaben des Brenners gehört auch die Buchführung.  Jedes Fass mit Maische muss angeschrieben sein bezüglich Art und Menge des Inhalts und wer der Lieferant ist. Zur Buchführung gehört auch die Tagesproduktion, die gewonnene Menge Schnaps pro Menge Maische und anderes mehr. Paul Geisser führte anfangs von Hand Buch, lernte aber noch mit entsprechenden Computerprogrammen umzugehen. Für Max Zahnd ist das von Anfang an Standard: «Die Kunden haben drei Tage nach der Arbeit die Computer gesteuerte Rechnung.»  Die Angaben müssen genau erfasst werden, auch für die  Zollverwaltung und die Steuerbehörde. Schnaps, den der Eigentümer verkauft, muss versteuert werden.

Die Kunden haben drei Tage nach der Arbeit die Computer gesteuerte Rechnung.

In der Arbeit selber ist vieles einfacher mit der stationären Brennerei. Das Zügeln der Brennerei mit dem Traktor von Hof zu Hof verursachte viele Arbeitsstunden. Zahnds Haupterwerb ist sein Bauernbetrieb mit Acker, Spezialkulturen und Reben. In der Brennerei hilft ihm vorläufig noch Paul Geisser und sein Schwager, der pensionierte Hansmartin Keller.

Im Rebchäller kann auch degustiert werden.

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