Was macht eigentlich alt Nationalrat Hansjörg Walter?
Der ehemalige Präsident des Schweizer Bauernverbandes und SVP-Nationalrat Hansjörg Walter hat am 5. Februar seinen 70. Geburtstag gefeiert. Er geniesst seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Wängi und die Zeit mit seinen Enkelkindern. In vielen Verwaltungsräten und Kommissionen arbeitet er noch mit.
«Jetzt führe ich noch die Gülle aus», sagt Hansjörg Walter am späteren Nachmittag. Zieht sein «Tschööpli» an und steigt auf den Traktor. «Wenn ich als Nationalrat zeitig aus Bern nach Hause gekommen bin, habe ich mich oft auf den Traktor gesetzt und auf dem Hof gearbeitet. Ich konnte abschalten, wenn ich mich noch körperlich betätigt habe.» Auch die Stallarbeit habe ihm immer Freude bereitet. Daran hat sich nichts geändert: Auf dem Greuthof leben 36 Kühe. Er stehe jeden Tag um 5 Uhr auf, denn die Milch werde früh abgeholt. Walter verrät, dass er einen guten Milchpreis bekommt: «Über 70 Rappen.» Er arbeite auch gerne mit dem grossen Mähdrescher auf dem Feld. «Ich stehe unter keinem zeitlichen Druck mehr und kann auf dem Hof mithelfen.» Trotz mehr Zeit bewirtschaftet er den Greuthof nicht allein, sondern mit zwei Angestellten. Er habe den Betrieb früher nicht geniessen können, weil er extrem viele Termine und Sitzungen gehabt habe.
Olma 2021 findet statt
Termine und Sitzungen hat der alt Nationalrat auch heute noch viele. Beispielsweise als Vizepräsident im Verwaltungsrat (VR) der Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld AG. Es stünden grosse Herausforderungen an; der Zuckerrübenanbau müsse gefördert werden, denn es zeichne sich ein weiterer Flächenrückgang an. «Als komplexe Sache» bezeichnet Walter den Neubau des Holzkraftwerks Frauenfeld, das Energie 360 Grad und die Schweizer Zucker AG realisieren. Als Verwaltungsrat amtet Walter auch im Grünen Zentrum Weinfelden und bei der Galledia Frauenfeld AG.
Und da ist noch das Vizepräsidium bei den Olma-Messen an der Seite von Präsident Thomas Scheitlin. Die Ostschweizer Landwirtschaftsmesse in St.Gallen zählt für viele zu den Höhepunkten des Jahres – auch für Nicht-Bauern. Kann sie dieses Jahr durchgeführt werden? «D’ Olma isch», antwortet der Verwaltungsrat schnell und bestimmt. Die Olma werde vorbereitet. Früher sei sie ein Selbstläufer gewesen, heute müssten mit den Ausstellern viele Gespräche geführt werden. «Die Unsicherheit wegen Corona ist immer noch gross», sagt Hansjörg Walter. Durch den Ausfall von grossen Delegiertenversammlungen fehlten wichtige Einnahmen, es mussten zudem zwei Messen gestrichen werden. «Neun Personen verlieren ihre Stelle. Das sind keine schönen Meldungen», sagt der Thurgauer. Der Bau der neuen Halle 1, der grössten stützenfreien Halle in der Ostschweiz mit 9000 Quadratmetern Hallenfläche, gehe hingegen weiter. Die Olma sei durch Kredite der öffentlichen Hand und einer Kapitalerhöhung von total 22 Millionen Franken unterstützt worden.
Höhepunkt der Karriere
Die Liste mit den VR-Mandaten ist noch länger. Hansjörg Walter rechnet in etwa die Stunden zusammen, die er «auswärts» arbeitet. «Es ist etwa eine Woche Arbeit», sagt er. Die Mandate für Schweizer Zucker AG und die Olma-Messen seien die zeitintensivsten. «Wichtig ist für mich, dass die Arbeit spannend ist», begründet der ehemalige SVP-Nationalrat sein Engagement. Solange die Wertschätzung da sei und es ihm dabei gesundheitlich gut gehe, mache er weiter. «Es gibt ja auch ein gutes Gefühl, immer noch gefragt zu sein.» Ungewohnt und anspruchsvoll empfindet Hansjörg Walter die Videokonferenzen mit «Zoom» in dieser Corona-Zeit, vor allem, wenn er den Vorsitz hat. Man müsse doppelt so konzentriert sein. Sollte etwas nicht problemlos klappen oder wenn es eine Störung gibt, ruft er seine Ehefrau Madeleine. Sie lacht und nickt. Der ehemalige Nationalrat erzählt zwischendurch, dass die Parlamentsmitglieder jeweils 5000 Franken erhalten haben, um sich damit die aktuelle IT-Ausrüstung anzuschaffen. Aber nicht alle Konferenzen gehen über «Zoom»: Die Baukommissionssitzungen der Käsereigenossenschaft Wängi, in welcher der Landwirt ebenfalls Einsitz hat, finden noch an einem Tisch statt. Ebenso wie Betriebsberatungen bei Landwirten.
2011 wählte der Nationalrat Hansjörg Walter mit 185 von 192 gültigen Stimmen zum Nationalratspräsidenten. «Der Höhepunkt in meiner politischen Karriere», sagt der 70-jährige SVPler, der auf Ende 2017 zurückgetreten ist. Er erinnert sich gerne an dieses Jahr zurück. Es habe viele schöne Begegnungen gegeben: Während eines Aufenthalts in Dubai habe er den Präsidenten der Arabischen Emirate, Al Murr, und den Schweizer Botschafter Wolfgang Amadeus Brühlhart getroffen. Ein Bericht darüber wurde in einer arabischen Zeitung publiziert. Botschafter Brühlhart sagte damals, dass er schon vier Jahre in Dubai sei und noch nie etwas über ihn in der Zeitung gestanden habe. Die Presse sei erst gekommen, als der Nationalratspräsident der Schweiz auf Besuch gewesen sei. Walter erinnert sich gerne an das Treffen an der Grünen Woche in Berlin mit dem damaligen Bürgermeister Klaus Wowereit und dem heutigen CSU-Bundesminister Horst Seehofer, mit Gerd Sonnleitner, damals Präsident des Europäischen Bauernverbandes. Präsent sind ihm auch viele Erlebnisse als Bauernpräsident: An die Demonstration 2001 der Bauern gegen die Preispolitik der Grossverteiler, an die WTO-Verhandlungen, die Agrarreformen oder das Berufsbildungsgesetz. Walter war von 2000 bis 2012 Präsident des Schweizer Bauernverbandes.
Nachfolge für Greuthof regeln
Meisterlandwirt Hansjörg Walter ist auf dem Greuthof bei Wängi aufgewachsen und hat den Betrieb 1985 von seinen Eltern übernommen. Er ist Vater von drei Kindern und Grosspapi von fünf Enkeln. Der Zweitjüngste, Gino, kam am 1. Januar 2021 als erstes Thurgauer Baby auf die Welt. «Die Jüngste, Victoria, war mein grösstes Geburtstagsgeschenk. Ich war mitten in einer Sitzung», erzählt Walter lachend. Die grösseren Enkel kämen gerne und regelmässig auf den Hof zu Besuch. Apropos Greuthof. Ist die Nachfolge schon geregelt? «Wir sind im Gespräch», antworten Madeleine und Hansjörg Walter. Geplant sei, dass sie auf dem Anwesen bleiben werden. «Platz hat es genug.» Mehr dazu wollen sie im Moment noch nicht sagen.