Besondere Gemüse und Kräuter in Schloss Wartegg

Das Bio-Hotel Schloss Wartegg in Rorschacherberg führt einen 2500 Quadratmeter grossen Pro-Specie-Rara-Garten. Die Speisekarte im Hotel wird deshalb je nach Saison immer angepasst.

Besonderes Gemüse und Kräuter auf Schloss Wartegg
Die Englische Parkanlage des Schloss Wartegg wurde 1860 gebaut.

Stachys, auch chinesische Artischocke und japanische Kartoffel genannt, ist eine Rarität. In der Schweiz wird das Wintergemüse kaum angepflanzt. Im Pro-Specie Rara-Garten des Schloss Wartegg wächst die botanische Besonderheit. Das zarte und saftige Edelgemüse wird in einer Bouillon, allenfalls mit Zitronensaft, bissfest aber nicht weich gegart. Im Pro-Specie-Rara-Garten wachsen noch weitere Delikatessen, die fast vergessene Kerbelrübe beispielweise. In Frankreich gilt sie als Gourmetgemüse; im Mittelalter waren die Kerbelrüben dem Adel vorbehalten. Im Schloss-Restaurant bringen es die Köche allen Gästen auf die Teller, einen Adelstitel braucht es dafür nicht. Ebenso wenig wie für Kardy, einem Artischockenähnlichen Gemüse, das grösstenteils in der Westschweiz angebaut wird. Gegessen werden die Stiele. Seit 21 Jahren ist Mathias Thalmann Gärtner auf Schloss Wartegg. «Um einen solchen Garten anzubauen, braucht es viel Geduld, bis alles im Fluss ist und viel Verständnis für die Natur», sagt er. «Mathias ist nicht nur Gärtner, sondern auch Künstler», sagt sein Chef und Schlossherr Christoph Mijnssen anerkennend. Gemeint hat er damit wohl auch die Kunst, alte oder seltene Nutzpflanzen zum Blühen zu bringen und vor dem Aussterben zu bewahren.

Gute Absprachen mit Küchenteam

Im inneren Teil des Bio-Nutzgartens wachsen Kräuter. «Es sind Dutzende verschiedene Kräuter», sagt der Schlossherr nicht ohne Stolz. Im äusseren Teil spriessen Blumen und Gräser, mit denen Eingangshalle, Restaurant und Zimmer geschmückt werden. Die Gemüse- und Salatbeete sind ausserhalb des Kreises angeordnet. Eisbergsalat, Lollo, Radieschen, Pastinaken, Rüebli – die Liste der Bio-Gewächse ist lange. «Es braucht jeweils gute Absprachen mit dem Küchenchef», sagt Mathias Thalmann. Denn je nach Saison und Laune der Natur wechseln die Gemüsearten, Kräuter und Beeren – und damit die Speisekarte. Auf der Menükarte steht beispielsweise der «Salat vierzehn». Er besteht aus 14 verschiedenen Kräutern. «Er ist sehr beliebt», weiss Christoph Mijnssen. Die Schlossküche, neu unter der Leitung von Simon Romer, ist derzeit mit 13 Gault-Millau-Punkten bewertet. «Alles wird frisch und saisonal in unserer Küche zubereitet. Wir verwenden keine Convenience-Produkte», sagt Mijnssen. Die Gourmet-Küche ist seit 2001 Bio-Knospen-zertifiziert und der Pro-Specie-Rara-Sortengarten ist Demeter-zertifiziert.

Besonderes Gemüse und Kräuter auf Schloss Wartegg
Schlossherr Christoph Mijnssen (links) und der leitende Gärtner Mathias Thalmann. Bild: Rita Bolt

Der Garten ist Teil des 13 Hektaren grossen Schlossparks. Mathias Thalmann und sein Team halten auch diesen in Schuss. Unterstützung haben sie von zehn Bündner Oberländer Schafen; ihr Mist dient als Dünger für den Garten. Sie hausen in einem fahrbaren Unterstand auf einer kleinen Anhöhe. Oberländer Schafe sind eine Pro-Specie-Rara-Rasse. Die «Oberländer» sind bekannt für ihre Wachsamkeit. «Sie sind zutraulich», sagt Mathias Thalmann und nähert sich dem Unterstand. Heute scheinen sie keine Streicheleinheiten zu wollen, denn sie springen munter den Hang hinunter. Die Schafe und die Bienen im Park, welche ihre Waben selber fertigen, geniessen die besondere Zuwendung der Gärtnerin Elwira Exer. Sträucher und Hecken bieten unterschiedliche Lebensräume für Insekten und Vögel. Ein Bach sowie diverse Feuchtgebiete bilden weitere Lebensräume für Amphibien und andere Kleintiere.

Parkanlage öffentlich zugänglich

Der Park rund um das Schlosshotel entstand 1860, als Herzogin Louise von Bourbon-Parma dem französischen Gartenarchitekten Paul de Lavenne de Choulot den Auftrag für einen Englischen Park erteilte. Er hat in Europa etwa 300 Parks gestaltet, aber nur einen in der Schweiz – jenen beim Schloss Wartegg und zwei in Italien. «Wir hatten schon französische Gäste hier, die explizit wegen des Parks zu uns gekommen sind», erzählt der Schlossherr. Englische Landschaftsgärten sind durch naturnahe Elemente geprägt; die Wege sind in geschwungenen Linien angelegt, Aussichtspunkte, Baumgruppen, Alleen und Bäche und die landwirtschaftliche Nutzung stellen ein wichtiges Prinzip des Gartens dar. «Ein anderes Merkmal ist, dass kein Weg direkt zum Schloss führt», weiss Mijnssen. Die Parkanlage ist öffentlich zugänglich und viele Spaziergänger, nicht nur Hotelgäste, geniessen die grüne Idylle und lauschigen Plätzchen. Sie bestaunen den 2500 Quadratmeter grossen Bio-Gemüsegarten, die vielen blühenden Beete mit Blumen, Beeren, Gräsern und Kräutern, sind überrascht über die Artenvielfalt und freuen sich an den herrlichen Düften. «Wir bekommen viele Komplimente», sagt der leitende Gärtner Thalmann.

Besonderes Gemüse und Kräuter auf Schloss Wartegg
Das Schloss wurde 1557 durch die Familie Blarer von Wartensee erbaut.

Marodes Schloss restauriert

Christoph Mijnssen hat die Verbundenheit mit der Natur von seinen Eltern geerbt. «Sie waren begeisterte Bergtourengänger. Wir waren viel draussen», erinnert er sich. Sein bester Freund in der Primarschule sei auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen; seine Freizeit Christoph Mijnssen oft bei ihm auf dem Hof verbracht und sich im Stall aufgehalten. Er habe es geliebt, mit einem Löffel den Rahm auf der Milch abzuschöpfen. Stallungen gibt es auf dem Schlossareal nicht, aber viel Natur. «Als ich den Park zum ersten Mal sah, berührte mich dies tief. Und im Park ein marodes Schloss…», erinnert sich der 62-Jährige. Dennoch übte das Schloss für ihn und Gattin Angelika eine besondere Anziehungskraft aus. Ein Schloss, in dem Kaiserin Zita und der letzte österreichisch-ungarische Thronfolger nach Ende der Kaiserzeit 1919 Zuflucht fanden. Mijnssens kauften das Anwesen 1994, restaurierten das historische Gebäude und weckten es mit ihren drei Kindern aus dem Dornröschenschlaf auf. Entstanden ist ein Bio-Hotel, das heute beliebter denn je ist und immer wieder ausgezeichnet wird. «Bei jedem Entscheid, den wir fällen, steht für uns die Nachhaltigkeit im Vordergrund», betont Mijnssen. «Im Schloss und draussen.»

Besonderes Gemüse und Kräuter auf Schloss Wartegg
Das Gemüse wird für die Schlossküche angebaut. Bilder: Schloss Wartegg

Neben dem 1557 durch die Familie Blarer von Wartensee erbauten Schloss am Bodensee sollte 2006 eine Grossüberbauung im Park realisiert werden. «Die Visiere sind schon gestanden», erinnert sich Mijnssen. Dazu kam es nicht: Aufgrund der Anerkennung als nationales Gartendenkmal wurde mit den Mitteln von Natur- und Landschaftsschutz-Organisationen sowie Privaten Sponsoren und Spendern die Stiftung Landschaftspark Wartegg gegründet. Baupläne gibt es aber dennoch: Geplant ist ein Wirtschaftsgebäude für die Gärtnerei.

Besonderes Gemüse und Kräuter auf Schloss Wartegg
Im Park hausen zehn Oberländer Schafe – eine Pro-Specie-Rara-Rasse. Bild: Rita Bolt

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