Kälbergesundheit beginnt vor der Geburt

Die Kälbergesundheit ist ein zentraler Aspekt in der Mutterkuhhaltung. Die Rechnung ist einfach: kein Kalb, kein Lohn. Doch ein gesundes Kalb zu halten ist komplexer, als man denkt, wie Martin Kaske am Fleischrindersymposium eindrücklich aufzeigte.

Die Veranstalter des 24. Fleischrindersymposiums: Beat Elmer (links) und Andrea Accola.
Die Veranstalter des 24. Fleischrindersymposiums: Beat Elmer (links) und Andrea Accola.

Während zwei Tagen standen am Plantahof die Mutterkuh und ihr Kalb im Zentrum. Nicht nur die vielfältigen Vorträge, auch der soziale Aspekt wird am Fleischrindersymposium grossgeschrieben. «Wenn ihr von zu Hause aus teilnehmt, sitzt ihr zwar gemütlich vor eurem Bildschirm und habt keinen Anfahrtsweg. Ihr verpasst aber den wertvollen Austausch mit Gleichgesinnten.» Mit diesen Worten begrüsst Andrea Accola vom Plantahof die rund 50 Anwesenden. Für ihn ist es das letzte Symposium, denn er darf im Juni in Pension antreten. Zusammen mit Beat Elmer hat er ein spannendes Programm organisiert.

Gesundes Kalb als Ziel

Ziel der Mutterkuhhaltung sollte es sein, pro Kuh und Jahr mindestens ein gesundes, frohwüchsiges Kalb abzusetzen. Dazu braucht es eine gute Fruchtbarkeit und möglichst wenig Kälberverluste. Entscheidend sind die ersten zwei Wochen nach der Geburt des Kalbes. In dieser Zeitspanne kommt es zu den meisten Abgängen. Hauptursache ist Durchfall, gefolgt von Lungenerkrankungen. Martin Kaske vom Kälbergesundheitsdienst zeigte in seinem Referat Strategien auf, wie Landwirtinnen und Landwirte dafür sorgen können, dass ihre Kälber gesund geboren und aufgezogen werden.

Vor der Geburt

«Kälbergesundheit beginnt schon lange vor der Geburt mit der erfolgreichen Befruchtung», rief Martin Kaske den Anwesenden in Erinnerung und fügte an, dass beispielsweise Hitzestress vier Wochen vor der Geburt sich in einem bis zu vier Kilo tieferen Geburtsgewicht widerspiegeln kann. Entscheidend ist auch die körperliche Verfassung des Muttertieres und dessen Fütterung. Viele Kühe sind bei der Geburt überkonditioniert und werden zu gut gefüttert. Gezüchtete Gräser und deren Heu und Silagen sind häufig gehaltvoller als vermutet, was zu überversorgten Kühen führt. In der Hauptproduktionsperiode (zweiter Monat nach der Kalbung bis Laktationsende) sollte die Kuh mit maximal fünf bis sechs MJ NEL/kg Trockensubstanz versorgt werden. Maissilage mit über sieben MJ NEL/kg Trockensubstanz gilt bereits als Kraftfutter und ist für Mutterkühe nicht ideal. Martin Kaske brachte das Publikum zum Schmunzeln, indem er sagte: «Kraftfutter für Mutterkühe ist wie Alkohol für Kinder.»

Kolostrum- und Silagequalität

Um qualitativ gutes Kolostrum bilden zu können, benötigen Mutterkühe mindestens eine dreiwöchige Galtphase. Kommt es auf einem Betrieb immer wieder zu Neugeborenendurchfall, ist es zu empfehlen, die Muttertiere in der Galtphase mit grobem Heu von Dauerwiesen zu füttern, nicht mit Silage. Ein zu hoher Zuckergehalt im Futter wirkt sich negativ auf die Kälberverdauung aus, da Kälber über keine Enzyme verfügen, die Zucker abbauen können, was wiederum zu Durchfall führt. Wenn Silage trotzdem verfüttert wird, dann nur von guter Qualität. Schlecht verdichtete, zu trockene (über 50% TS) Silage mit pH-Werten über 4,5 begünstigt die Entwicklung von Hefe und riecht deshalb nach Alkohol.

Geburt überwachen

Die Geburt ist der wichtigste Tag im Leben des Kalbes, man kann dabei viel falsch machen, oder wie Martin Kaske ausführt: «Man muss sehr viel wissen, um sehr wenig zu tun.» Er appelliert, sich in Geduld zu üben. Werden die Füsse des Kalbes in der Schamspalte erkennbar, so hat eine fitte Kuh zwei Stunden Zeit, um ein gesundes, richtig liegendes Kalb ohne menschliche Hilfe auszutreiben. Wenn möglich, sollten Betriebe über zwei Abkalbeboxen verfügen, die abwechslungsweise belegt und regelmässig gereinigt werden. Zur Reinigung braucht es nicht zwingend teure Mittel. Auch Licht desinfiziert und ist eine effiziente Prophylaxe gegen Krankheitskeime.

Nach der Geburt

Kolostrum ist entscheidend für die Kälbergesundheit. Ein Kalb, das nach der Geburt nicht ans Euter der Mutter kommt, muss getränkt werden. Gleichzeitig weist Martin Kaske darauf hin, dass Kuhmilch nicht das perfekte Futtermittel ist. Er empfiehlt, den Kälbern am zweiten Lebenstag einen Booster mit Eisen, Magnesium, Vitamin D und Selen zu verabreichen. Kommt es trotzdem zu Durchfall, empfiehlt der Experte, den Erreger zu bestimmen, um gezielt behandeln zu können. «Ich bin kein Freund von Bi-Pills, doch in der Mutterkuhhaltung sind sie nach dem zweiten oder dritten Tag durchaus sinnvoll», sagte er.

Martin Kaske vom Kälbergesundheitsdienst sprach den Mutterkuhhaltern ins Gewissen.
Martin Kaske vom Kälbergesundheitsdienst sprach den Mutterkuhhaltern ins Gewissen.

Zustand beurteilen

Je früher Durchfallerkrankungen wahrgenommen werden, desto einfacher und effizienter sind sie zu behandeln. Kälber werden schnell schwach, haben keine Appetit und kommen zum Festliegen. Es ist daher wichtig, den Zustand eines kranken Kalbes sofort zu erfassen, zu beurteilen und dementsprechend zu handeln. Die Lage des Augapfels gibt Aufschluss darüber, wie stark das Kalb unter Flüssigkeitsmangel leidet. Ist die Kotausscheidung wässrig, gelb-grünlich, so handelt es sich um üblichen Durchfall. Findet man im Kot jedoch Blutfetzen, so muss man von einer verletzten Darmschleimhaut ausgehen, was zu einer Blutvergiftung führen kann.

Erkrankungen der Lunge

Kälber können mit Kälte gut umgehen, sofern sie trocken sind, genügend Stroh vorhanden ist und keine Zugluft herrscht. Gleichzeitig sollte man im Hinterkopf haben, dass ein Kalb pro Tag bis zu zehn Liter Flüssigkeit ausdünstet. Man kann sich selbst ausrechnen, wie viel Wasser mit allen Tieren im ganzen Stall zusammenkommt. Es ist also zwingend, dass ein Stall gut durchlüftet wird. Der Kälberschlupf sollte dabei ein Rückzugsbereich mit ruhiger, aber nicht stickiger Luft sein. Martin Kaske schloss sein Referat mit den Worten: «Kälber sind wie Babys, sie können schnell erkranken und haben wenig Widerstandskraft. Wir Menschen sind der entscheidende Faktor, auch in der Mutterkuhhaltung.»

Versorgung mit Selen

Selen ist in der Schweiz grundsätzlich im Mangel. «Jeder, der nichts gegen Selenmangel tut, hat ein Selenproblem», so die Worte des Experten Martin Kaske. Wer es genau wissen will, sollte seine Tiere beproben. Selenmangel zeigt sich in trink- und lebensschwachen Kälbern. Bei den Kühen kommt es vermehrt zu Zysten auf den Eierstöcken oder Nachgeburtsverhalten. Da Selen wichtig ist für den Muskelstoffwechsel, können auch vermehrte Druckstellen ein Signal sein. Selenmangel führt dazu, dass Kühe weniger aufstehen und sich zu wenig bewegen. cbd.

Fast 60 Prozent der Kälberabgänge verzeichnet man in den ersten zwei Lebenswochen. Quelle: Humus 2014
Fast 60 Prozent der Kälberabgänge verzeichnet man in den ersten zwei Lebenswochen. Quelle: Humus 2014

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