Der Bioweinbau boomt

In den letzten 20 Jahren ist der biologische Weinbau in der Schweiz deutlich gewachsen und bedrängt damit das als grösstes Bioweinland geltende Italien stark. Tatsächlich bewege sich der Schweizer Weinbau im weltweiten Vergleich sowohl im biologischen als auch im konventionellen Bereich auf Spitzenniveau, sagt der Schweizerische Weinbauernverband.

In der Schweiz wird immer mehr Bioweinbau betrieben.
In der Schweiz wird immer mehr Bioweinbau betrieben.

Die biologisch bewirtschafteten Rebflächen in der Schweiz wachsen stetig: Während vor gut 20 Jahren rund 80 Weingüter knapp 250 Hektar Reben biologisch bewirtschafteten, wuchs die Fläche bis ins Jahr 2010 auf 440 Hektar an und knackte im Jahr 2017 schliesslich die 1000-Hektar-Grenze. Eine weitere Umstellungswelle hat dazu geführt, dass sich die Biorebbaufläche in der Schweiz seit 2018 noch einmal mehr als verdoppelt hat: 2022 bewirtschafteten 587 Biowinzerinnen und Biowinzer ihre Reben nach Biorichtlinien und die biologisch bewirtschaftete Rebfläche betrug 2268 Hektar. Dies entspricht 18,5 Prozent Prozent der Schweizer Rebbaufläche.

Herausfordernde Produktion

Eine besonders starke Zunahme der auf biologischen Weinbau umgestellten Flächen gab es in den letzten zwei Jahren laut Zahlen von Bio Suisse in allen Kantonen der Westschweiz, im Wallis und im Bündnerland sowie in St. Gallen – in Regionen also, die, gemessen an der Fläche, auch die grossen Weinbauregionen der Schweiz darstellen. «Prozentual gesehen, sind es aber Neuchâtel und der Freiburger Vully, die am meisten auf Bio umgestellt haben», sagt Hélène Noirjean, die Direktorin des Schweizerischen Weinbauernverbands (SWBV).

Der biologische Weinbau in der Schweiz erlebt derzeit also einen fast unvergleichlichen Boom, und dies trotz herausfordernder Produktion und Bewirtschaftung sowie Mehrarbeit beispielsweise beim Jäten. Unter anderem der Umgang mit Krankheiten wie Mehltau und Falschem Mehltau mit den zugelassenen Mitteln wie Schwefel oder Kupfer gehöre zu den grössten Herausforderungen im Bioweinbau, erklärt Hélène Noirjean: «Daneben ist auch Produktion in nicht mechanisierbaren Hanglagen wie im Wallis oder in der Lavaux herausfordernd – einige Winzerinnen und Winzer haben aber bewiesen, dass dies möglich ist.»

Piwi-Rebsorten – eine Nische

Eine Sortenumstellung ist bei der Umstellung auf eine biologische Bewirtschaftung aber offenbar nicht unbedingt nötig. «Mit der Zeit haben wir festgestellt, dass alle in der Schweiz gängigen Rebsorten wie Chasselas oder Pinot noir geeignet sind», sagt Hélène Noirjean. Bei exakter Arbeitsweise seien auch gleich oder ähnlich hohe Erträge wie beim konventionellen Rebbau möglich. Trotzdem haben die für den Biolandbau besonders interessanten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwi)eine ähnlich starke Entwicklung aufzuweisen wie die Zunahme beim Biorebbau – wenn auch auf kleinerer Skala: So hat sich die Fläche mit roten Piwi-Sorten in den letzten zehn Jahren verdoppelt und die Fläche mit weissen Piwi-Sorten gar vervierfacht. Allerdings ist der Anbau von Piwi-Sorten im Biolandbau erst eine ganz kleine Nische und macht mit gesamthaft knapp 41 Hektar nur gerade rund zwei Prozent der biologisch bewirtschafteten Rebfläche in der Schweiz aus.Die Entwicklung der Piwi-Sorten sei vor allem in der Deutschschweiz zu beobachten, während sie in der Romandie weniger ausgeprägt sei, erklärt Hélène Noirjean: «Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Schweizer Baumschulen mit der Nachfrage nicht Schritt halten können, und zweitens, dass die Konsumenten in der Romandie gerne ein Glas Chasselas trinken.» Tatsächlich ist die Auswahl an roten Piwi-Rebsorten aktuell noch grösser als bei weissen Sorten.

Höchster Bioanteil weltweit?

Mit diesem rasanten Zuwachs im Bioweinbau in den letzten Jahren dürfte die Schweiz anteilsmässig auch Italien überholt haben, das sich damit brüstet, das Land mit dem höchsten Anteil an zertifizierten ökologischen Weinbergen an der Gesamtweinbaufläche zu sein. Laut einem Bericht des staatlichen italienischen Instituts für Dienste für den Agrar- und Nahrungsmarkt (ISMEA) wurde 2019 knapp 18 Prozent der italienischen Rebfläche biologisch bewirtschaftet und demnach habe Italien mit 109 000 Hektar biologischer Rebfläche den höchsten Bioanteil weltweit.

Ein Vergleich sei allerdings diskutabel, meint Hélène Noirjean: «So sind unter anderem die Richtlinien für das europäische Biosiegel leichter als das, was in der Schweiz verlangt wird.» Daneben könne man auch die klimatischen Bedingungen in den beiden Ländern, die auch beim biologischen Rebbau logischerweise eine grosse Rolle spielten, nicht einfach ausser Acht lassen und dann seien beispielsweise auch die Lohnkosten, die in der Schweiz mit der Mehrarbeit im Biolandbau unvergleichlich höher ausfielen, nicht zu vergleichen.

Weine aus dem In- und Ausland

Was sich vergleichen lässt, ist das Marktpotenzial der Bioweine: So scheinen sowohl italienische wie auch Schweizer Bioweine Absatz zu finden – obwohl die Italiener offenbar kaum Biowein trinken. So heisst es bei Italia Bio, dem Verband der italienischen Biowinzer, dass die meisten in Italien erzeugten Bioweine in den Export gehen. Dies sei ein Zeichen dafür, dass trotz der grossen Weintradition in Italien noch viel an der Trinkkultur gearbeitet werden müsse, so der Verband.

In der Schweiz hingegen werden Weine grundsätzlich fast ausschliesslich für Konsumenten im Inland produziert. «Im Direktverkauf verkaufen sich Bioweine derzeit sehr gut – im Grosshandel ist das Potenzial aber noch gross», meint Hélène Noirjean zum Marktpotenzial von Schweizer Bioweinen. In der Gastronomie seien ebenfalls auf immer mehr Speisekarten Schweizer Bioweine zu finden, was auf eine steigende Nachfrage hindeute. Ein Wermutstropfen aber bleibt: Schweizerinnen und Schweizer trinken vor allem ausländischen Wein. Der Anteil von Schweizer Wein am Gesamtkonsum lag letztes Jahr bei 34 Prozent. Einerseits kann die Nachfrage nach Wein bei Weitem nicht mit hiesigen Tropfen gedeckt werden, andererseits ist ausländischer Wein hierzulande beliebt. Und mit Abstand am beliebtesten unter den ausländischen Weinen sind italienische Weine. So stammten letztes Jahr 38 Prozent aller konsumierten Stillweine vom Nachbarn im Süden.

 

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