Grosse Freude an kleinen Kühen

Sie sind agil, geländegängig und eigenwillig. Und sie sind vom Aussterben bedroht – die kleinen Dahomey-Rinder. Genetisch reine Tiere gibt es nur noch wenige in der Schweiz. Fritz Lerch will die Rasse fördern; seine beiden Kühe erwarten Nachwuchs.

Wenn Fritz Lerch Futter hinhält, nähern sich Alta und Maela besonders rasch.
Wenn Fritz Lerch Futter hinhält, nähern sich Alta und Maela besonders rasch.

Er liebt das Echte, das Unverfälschte, das natürlich Gewachsene. Traditionen wie das Schnapsbrennen und die Imkerei, Brauchtum wie das Alphornblasen und Tiere mit Geschichte, wie die Kleinrinderrasse Dahomey. Fritz Lerchs Herz schlägt für vieles, aber seit einem Jahr ganz besonders für seine drei Minikühe Alta, Alpha und Maela. Sie sind aber auch ein herziger Anblick, wie sie da so leicht scheu in ihrem Weidezelt stehen und etwas skeptisch auf die Unbekannte schauen, die da mit ihrem Besitzer ans Gatter tritt. Die Dahomeys sehen zwar aus wie Kuscheltiere, sind aber eigenwillig und selbstbewusst und nicht fürs Schmusen und Streicheln zu haben. Das spielt für Fritz Lerch keine Rolle. Seine Begeisterung für die drei Kleinrinder ist trotzdem gross. «Sie sind agil, geländegängig und ideal für meine Weide am Hang», sagt er und nennt gleich noch den Hauptgrund, weshalb er die Tierchen gekauft hat: «Dahomeys sind die kleinste Rinderrasse, die genetisch gewachsen ist. Leider sind sie vom Aussterben bedroht, denn es gibt kaum noch Rinder ohne Einkreuzung.» Für den Mann, der das Echte, das Unverfälschte liebt, ist das aber ein Muss.

Beim Pilgern entschieden

Dass der heute 62-jährige Thurgauer überhaupt auf die Idee kam, kleine Rinder zu halten, ergab sich vor einem Jahr auf einer Pilgerwanderung. Damals hatte er sich eine Auszeit genommen und wanderte vom Bodensee nach Genf und überlegte, was er im Leben noch tun wollte. «Dabei kristallisierten sich die Dahomeys heraus», erzählt er zu Hause im ehemaligen Bauernhaus mitten im Weiler Kalthäusern. «Ich hatte mich im Internet schon mit dieser Rasse befasst und spürte bald, dass mir diese Tiere gefallen.» Zum Bauernhaus, in dem Fritz Lerchs Ehefrau Judith aufgewachsen ist, gehören noch zehn Hektaren Landwirtschaftsland. «Das meiste ist verpachtet, aber eine Hektare haben wir behalten, nämlich den Hang beim Haus, wo ich auch meine Bienenvölker halte und Reben wachsen», erzählt der vielseitig interessierte Mann, der seine Kindheit auf einem Bauernhof im Solothurnischen verbrachte.

Ehefrau Judith sei allerdings skeptisch gewesen, als er von den Dahomeys schwärmte. «Sie hätte lieber Kälber gekauft, um sie zu mästen», erzählt Fritz Lerch schmunzelnd. «Heute gefallen ihr die Dahomeys aber auch.»

Gründlich vorbereitet

Es sei allerdings gar nicht so einfach gewesen, reinrassige Dahomeys zu finden. «Schliesslich verkaufte mir die Präsidentin des Vereins Dahomey Schweiz zwei Kühe und ein Kalb. Natürlich nicht, ohne dass ich vorher belegen musste, dass ich sie gut halten kann.» Fritz Lerch bereitete also nicht nur Weideland mit Unterstand vor, sondern auch sich selbst. Am Strickhof besuchte er den Kurs für die Haltung von Rindern. Dieser ermöglicht es ihm, maximal zehn Tiere zu halten. «Wir waren eine spannende Klasse mit unterschiedlichen Teilnehmern», erinnert sich der Thurgauer mit Solothurner Dialekt. «Eine Frau vermarktet sogar den Dung der Dahomeys. Denn dieser ist viel trockener und kompakter als jener von anderen Rindern.»

Bald gibt es Nachwuchs

An solche Möglichkeiten denkt Fritz Lerch noch nicht. Vorläufig ist es sein Ziel, reinrassige Dahomeys zu züchten. Im vergangenen Spätherbst wurden seine beiden Kühe von einem Stier gedeckt und wenn alles gut läuft, werden im August zwei Kälber geboren. Sind sie weiblich, bleiben sie in Kalthäusern. Für männliche Tiere gäbe es verschiedene Möglichkeiten: «Entweder eignen sie sich für die Zucht oder ein anderer Halter könnte sie übernehmen. Ansonsten müsste ich sie schlachten lassen. Aber viel Fleisch gäbe das nicht.» Dahomeys sind weder fürs Fleisch noch für die Milch rentabel nutzbar. Deshalb werden sie heute vor allem als Hobby gehalten oder für die Landschaftspflege. Denn sie sind, wie schon erwähnt, geländegängig und anspruchslos sowie äusserst robust gegen Hitze und Kälte.

Alta mit ihrem Kalb Alpha im Weidezelt.
Alta mit ihrem Kalb Alpha im Weidezelt.

Dahomeys sind zudem neugierig, wie Fritz Lerch gerade erlebte: «Als ich beim Weidezelt ein Schattennetz spannte, waren die Kühe immer in meiner Nähe, liefen um mich herum und leckten überall», sagt er lachend. Längst haben sich die drei Tiere an ihren Halter gewöhnt. «Wenn ich aus dem Haus komme, rufen sie mir meistens schon zu.»

Minikühe mit Charakter

Fritz Lerch arbeitet in der Verwaltung eines Forstbetriebs in einem 60-Prozent-Pensum. Bevor er frühmorgens aus dem Haus geht, schaut er während des Frühstücks schon seinen Dahomeys auf der Weide zu. «Sie sind meistens am Morgen und am Abend draussen, danach liegen sie eher im schattigen Weidezelt.»

Meistens ist er um 10.30 Uhr wieder zu Hause und begibt sich gleich zu seinen Vierbeinern. Er entfernt den Mist vor dem dick eingestreuten Liegeplatz und macht rundum alles sauber. Schnell hat er gemerkt, dass jede Kuh ihre eigene Persönlichkeit hat. «Die dreijährige Alta ist eindeutig die Leitkuh und beschützt ihr Kalb. Kommt ihr ein Fremder zu nahe, dann macht sie Drohgebärden, scharrt und schnaubt. Maela hingegen ist die Neugierige. Sie kommt immer als Erste zu mir.»

Seit Neuestem verfügt Fritz Lerch über ein Fressgitter, damit er seine Dahomeys fixieren könnte, sollten sie den Tierarzt benötigen. Den Vorschlag machte ein Bauer aus dem Dorf. «Er ist mein ‚Götti‘. Wenn ich Fragen habe, kann ich zu ihm gehen. Er hilft mir mit seinen Maschinen auch beim Mähen und beim Mistabführen.» Der Bauer sowie einige Nachbarn stehen Fritz Lerch auch zur Seite, wenn er beim Versorgen der Dahomeys mal Hilfe braucht. Denn die Minirinder sind nur eines von vielen Hobbys. Abgesehen vom Imkern und Winzern, brennt der 62-Jährige auch Schnaps in seiner eigenen historischen Schnapsbrennerei. Zudem hält er noch vier Hühner – im Kleinformat, wie könnte es anders sein. «Die Rasse heisst Zwerg-Wyandotte. Sie scharren nicht so tief und machen das Gras nicht kaputt. Und obwohl sie klein sind, legen sie ziemlich grosse Eier.» Bei den Hühnern hält er sich aber nicht lange auf. Lieber setzt er sich noch eine Zeit lang zu seinen Dahomeys: «Die Tiere strahlen eine enorme Ruhe aus. Es tut mir richtig gut, wenn ich im Zelt bei ihnen sitze und sie beobachte.»

Robuste Minis

Dahomeys stammen aus dem ehemaligen westafrikanischen Königreich Dahome. Das Dahomey-Kleinrind kam Anfang des 20. Jahrhunderts nach Europa, als der Zoo Antwerpen sie zu Futterzwecken bei einem Raubtiertransport aus Westafrika einführte. Dahomeys gibt es in zwei Hauptfärbungen. Sie sind entweder schwarz und haben bräunliche Beine und gegebenenfalls weisse Flecken am Bauch oder sind grau und weisen teilweise weisse Bauchflecken auf. Besonders sind ihre Zunge und ihr Rachenraum, die blau sind. Dahomey-Kleinrinder bringen, wie andere Rinderrassen auch, jährlich ein Kalb zur Welt. Bei der Geburt ist der Nachwuchs gerade einmal 45 Zentimeter gross und zehn bis 15 Kilo schwer. Zum Vergleich: Das Kalb eines modernen Hochleistungsrindes kann je nach Rasse mit einem Gewicht von bis zu 50 Kilo ins Leben starten. dh.

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