Vom Baum direkt in den Laden
Auf dem 34 Hektaren grossen Hof der Familie Sager ist die Aprikosenernte voll im Gange. Vor 15 Jahren hat Ivo Sager zum ersten Mal Aprikosen gepflanzt – und seither jedes Jahr Lehrgeld bezahlt. Denn Lömmenschwil hat mit anderen Voraussetzungen zu kämpfen als die Aprikosen-hochburgen im Wallis.
Die Walliser sind stolz auf ihre süsse Frucht mit der samtweichen Haut: auf die Aprikose. Sie nennen sie sogar Prinzessin des Obstgartens und Walliser Wahrzeichen. Sie gedeihe in sonnenverwöhnten Gärten. Dies ist der springende Punkt: das Klima. «In der Ostschweiz haben wir nicht die Witterung und das Klima des Wallis», sagt der Lömmenschwiler Landwirt Ivo Sager. «Unser Klima ist rauer.» Trotzdem hat er es auch dieses Jahr wieder geschafft: Im hofeigenen Laden können bis etwa Mitte Juli die ersten Aprikosen der Sorte Orangered gekauft werden. «Die ersten sind die aromatischsten. Sie haben wenig Säure», sagt Sager. Sie werden bis etwa Mitte Juli täglich geerntet und kommen direkt vom Baum in den Laden. «Immer wenn es Nachschub an Aprikosen braucht, lesen wir ab und bringen sie in den Hofladen», sagt der passionierte Obstbauer und Tüftler. Tüftler deshalb, weil der Aprikosenanbau in der Ostschweiz eher unbedeutend und nur bedingt ein Geschäft ist. «Die Aprikosen eignen sich für uns nur für den direkten Handel. Für dem Grosshandel hätten wir zu wenig und die Preise für Aprikosen wären zu hoch. Wer direkt vermarktet, muss ein gewisses Sortiment haben, damit die Kundschaft kommt.» Die Nachfrage nach Aprikosen sei da.
Regen und Frost sind Feinde
Bis vor 15 Jahren haben Sagers Aprikosen für die Direktvermarktung von einem Obstbauer am Bodensee bezogen. Dann hat Ivo Sager selber angefangen. Dass der Aprikosenanbau eine Herausforderung ist, hat er immer wieder festgestellt. «Wir haben jedes Jahr Lehrgeld bezahlt. In den ersten Jahren am meisten.» Von Anfang an war ihm klar: «Zu viel Niederschlag, Kälte, und Frost machen den Aprikosenbäumen extrem zu schaffen.» 2017 beispielsweise ist die Aprikosenernte ganz ausgefallen. Durch den milden Frühling haben die Pflanzen bereits Früchte getragen, die später erfroren sind. Nasskaltes Wetter fördere zudem den bakteriellen Erreger Pseudomonas, der sich in Frostrissen oder anderen Schnittstellen einniste. Ist ein Ob
stbaum von diesen Bakterien befallen, stirbt er ab. Damit dies nicht passiert, hat Sager seine zwei Aprikosengärten gedeckt. «Wir hatten in diesem Frühling recht viel Niederschlag und die Kälte stoppte den Reifeprozess der Aprikosen zusätzlich.» Sager schätzt, dass es etwa zehn Tage gewesen sind.
Kurze Vegetationszeit
Die Aprikose habe die kürzeste Vegetationszeit: Anfang März seien die Knospen bereits ausgetrieben und Mitte März blühe der Aprikosenbaum – wenn sich alles «normal» abspiele. Fast sind der Regen, die Kälte und der Frost dieses Jahres vergessen: Auf dem Sager-Hof werden derzeit fleissig Aprikosen geerntet, ab Mitte Juli die Sorte Goldrich, eine grosse gelborange bis leicht rote Aprikose. Die dritte im Bunde ist die Bergeron. Sie ist jene mit dem geringsten Aroma.
Ivo Sager kontrolliert die beiden Aprikosenplantagen täglich, bei schlechtem Wetter mehrmals am Tag. Heute ist es warm, draussen herrschen gegen 30 Grad, im Tunnel ist es noch wärmer. Sager sieht sich die Aprikosen an und erklärt: «Diese Aprikose glänzt noch zu wenig, ist also noch nicht ganz essreif», sagt er mit seinem fachmännischen Blick. Er muss es wissen. Er dreht die Aprikose in den Fingern und nickt. Die Aprikosenbäume stehen in einem langen stabilen Tunnel. Es werde kein Pflanzenschutzmittel benötigt. Die Aprikosen seien hier geschützt. Ein Ärgernis sind einzig die Ameisen. Um sie fernzuhalten, hat Ivo Sager einen Trick: An den Baumstämmen wird ein spezieller Leimgürtel angebracht; die Ameisen bleiben kleben, wenn sie hochklettern wollen. Tricks braucht es auch, wenn die Temperaturen in diesem Tunnel während der Blütephase Richtung Gefrierpunkt oder sogar unter den Gefrierpunkt zu sinken drohen. Dann wird geheizt. «Ich habe schon mehrere Möglichkeiten ausprobiert», sagt Sager. Beispielsweise mit Paraffin-Frostkerzen, mit denen die Temperaturen leicht angehoben werden können. Für einen Tunnel brauche es mehrere Kerzen, eine Frostkerze brenne acht Stunden und koste um die zehn Franken, zu teuer für den Aprikosenanbau. Derzeit heizt Sager mit zwei Ölöfen, die auch für die Heubelüftung eingesetzt werden. «Letztes Jahr ist ein Ofen ausgestiegen», erklärt Sager. Es bleibt jedes Jahr spannend. Im Winter müsse er den Tunnel bei starkem Schneefall vom Schnee befreien, damit keine Einsturzgefahr drohe. Umso erfreuter ist er, wenn dann alles gelingt und die Aprikosen glänzen: Er schätzt, dass jeweils etwa drei Kilo Aprikosen pro Quadratmeter geerntet werden können oder anders gesagt: 15 Kilo pro Baum.
Junior übernimmt Obstbau
Im Hofladen von Silvia und Ivo Sager gibts Salate, Gemüse, Beeren, Früchte, Schnäpse, Guetzli und mehr, viele Produkte sind jeweils am Bauernmarkt St. Gallen erhältlich und es gibt zudem einen Hauslieferdienst. «Wir produzieren nicht alles selber. Wir hätten gar nicht das Personal dazu», sagt Silvia Sager. Denn das Wichtigste seien die Qualität und die Frische aller Produkte. Angebaut auf dem Hof werden Zwetschgen, Kirschen, Äpfel und Birnen. Die Direktvermarktung über den Hofladen mache etwa einen Drittel des Umsatzes aus, die Milchwirtschaft einen Drittel und einen Drittel der Obstbau. Den Obstbau hat bereits Sohn Philipp übernommen. Er arbeitet Vollzeit auf dem Hof und absolviert derzeit die Meisterprüfung. «Der Junior interessiert sich sehr für den Obstbau und widmet sich intensiv dem Sortenspiegel.» Beispielsweise wolle er den Diwa-Apfel wieder fördern. Bereits steht fest, dass sein Junior den Hof dereinst übernehmen wird. Die Aprikosen bleiben aber das grosse Hobby von Ivo Sager.