In Kanada brennen die Wälder
In Kanada brennt es. Seit Anfang dieses Jahres wurden bereits mehr als 4000 Waldbrände registriert. Die von Menschen verursachten oder natürlichen Brände zerstören nicht nur Wälder, sondern auch die Lebensgrundlage vieler Farmer.
Rauch zieht durch das Tal. Was wie Nebel aussieht, entpuppt sich als Folge eines nahe gelegenen Brandherdes, der nicht einmal einen Hektar gross ist. Innerhalb weniger Stunden ist der Brand unter Kontrolle. Was für eine Erleichterung. Denn es geht auch anders, grösser und länger. Wie in Donnie Creek, im Nordosten der kanadischen Provinz British Columbia.
Rund 583 000 Hektar stehen in Flammen. Eine Fläche fast so gross wie der Kanton Bern. Der Donnie-Creek-Waldbrand ist derzeit der grösste Einzelbrand in der Geschichte der Provinz und nicht unter Kontrolle. Das bedeutet, dass sich der Waldbrand weiter ausbreitet und nicht auf die Löschmassnahmen reagiert. Nach Angaben des B. C. Wildfire Service (BCWS) wurde das Feuer am 12. Mai durch einen Blitzschlag ausgelöst. Seitdem lodern die Flammen und verbrennen täglich grosse Flächen.
Doch der Donnie-Creek-Waldbrand ist nur einer von vielen. So erklärte das Canadian Interagency Forest Fire Centre am 25. Juni, die diesjährige Waldbrandsaison sei die schlimmste in der Geschichte Kanadas und übertreffe jene von 1989. Bis zum 15. Juli hatten 4102 Brände in ganz Kanada eine Fläche von rund zehn Millionen Hektar (etwa so gross wie Kroatien) verbrannt.
Wie kürzlich in der Schweizer Presse zu lesen war: Der kanadische Rauch ist auch über der Schweiz und Europa angekommen.
Für Jahre zerstört
Doch zurück zum Donnie Creek Wildfire. Ein Waldbrand dieses Ausmasses hat verheerende Folgen. Nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschen vor Ort. Das Feuer, 136 Kilometer südöstlich von Fort Nelson und 158 Kilometer nördlich von Fort St. John, wütet in den traditionellen Gebieten der Blueberry River First Nations, Doig River First Nation und Prophet River First Nation.
Obwohl nur dünn besiedelt, zerstört das Feuer die Jagd- und Fischgründe der dort lebenden Menschen. Nicht nur Bäume und Sträucher wie Heidelbeeren und Blaubeeren verbrennen, auch Tiere wie Biber, Wölfe, Elche und Bären sterben. Archäologische Stätten, traditionelle Pfade und Ritualplätze werden zerstört. Das Wasser wird verseucht. Es wird Jahre dauern, bis das Land wieder bewohnbar ist.
Dazu das Ministerium für Umwelt und Klimawandel der Provinz British Columbia: «Die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung von Land nach einem Brand hängt von der Art und Nutzung der betreffenden Fläche sowie von der Art, den Auswirkungen und dem Ausmass der durch die Katastrophe verursachten Schäden ab. Viele Landwirte kehren in der Saison nach einer Überschwemmung oder einem Brand in gewissem Umfang zur pflanzlichen und tierischen Erzeugung zurück.»
Initiative ausschlaggebend
Laut BCWS reagiert das Donnie-Creek-Feuer nicht auf Löscharbeiten; die Fläche ist schlichtweg zu gross, und das andauernde heisse und trockene Wetter schafft keine Erleichterung. Obwohl die Feuerwehr rund um die Uhr im Einsatz ist.
Oft ist es die lokale Bevölkerung, die als Erste am Brandherd ist, mit ihren Maschinen, Pumpen, Sprinklern und anderes. Sofortmassnahmen ergreift und tatkräftig an der Feuerbekämpfung arbeitet. Die Initiative der Zivilbevölkerung in den ersten Stunden und Tagen ist mitunter entscheidend, ob sich ein Feuer weiter ausbreitet oder unter Kontrolle gebracht werden kann. Aufgrund der Entfernungen kann es lange dauern, bis die Feuerwehr mit genügend Einsatzkräften vor Ort ist.
Umgang mit der Gefahr
Doch wie geht die Landwirtschaft mit solchen Waldbränden um? Was passiert im Ernstfall und wie werden die Farmer unterstützt?
Meg Sequeira vom Ministry of Agriculture and Food of British Columbia (Landwirtschaftsministerium der Provinz British Columbia): «Die Farmer werden ermutigt, Notfallpläne zu erstellen und auf dem neuesten Stand zu halten. Diese Pläne enthalten zum Beispiel vorab festgelegte Strategien für die Umsiedlung und den Transport von Vieh oder den Umgang mit gefährlichen Stoffen wie Treibstoff, Pestiziden und Düngemitteln im Brandfall.»
Das Ministerium für Umwelt und Klimawandel bietet den Landwirten verschiedene Planungsmodelle für bestimmte Gefahren wie Brände und Überschwemmungen an, einschliesslich der Planung sicherer Lagerorte, um das Risiko der Freisetzung dieser Stoffe zu minimieren, und der Kartierung ihrer Standorte auf dem Betrieb. Im Falle eines Brandes muss die Feuerwehr beispielsweise über das Vorhandensein von Pestiziden informiert werden.
Sequeira weiter: «Jeder Notfall ist anders. Es gibt Zeiten, in denen Vieh in sichere Gebiete gebracht werden kann, und es gibt Zeiten, in denen die Gefahr zu gross und unmittelbar ist, um Vieh und Geflügel umzusiedeln. In solchen Fällen müssen die Landwirte noch vor der Evakuierung der Familie und des Personals Tore öffnen oder Zäune durchschneiden, um ihren Tieren die Möglichkeit zu geben, sich von der Gefahr zu entfernen. Solche Entscheidungen erfordern eine sorgfältige Abwägung seitens der Landwirte, um die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden.»
Laut Sequeira sind die lokalen Regierungen und First Nations für die Notfallmassnahmen in ihren Gemeinden verantwortlich. Die Behörden der Provinz British Columbia unterstützen die Farmer bei Bedarf mit logistischen oder technischen Mitteln wie zum Beispiel der Lieferung von Notfutter, Wasser oder anderen notwendigen Hilfsmitteln.
Solidarität mit den Farmern
Um den Landwirten nach grossen Katastrophen wie Waldbränden oder Überschwemmungen zu helfen, stellen die Regierungen der Provinzen und des Bundes oft zusätzliche Unterstützung im Rahmen eines Agri Recovery-Programms bereit, so Sequeira. Diese speziellen, einmaligen Mittel sollen Produzentinnen und Produzenten helfen, nicht versicherbare Kosten für die Reparatur der Infrastruktur und Aufräumarbeiten sowie bei Ausgaben zur Wiederaufnahme der Produktion zu decken.
Farmer können auch Programme in Anspruch nehmen, die Schutz gegen wetterbedingte Verluste wie Dürre, übermässige Hitze und Brände sowie gegen Einkommensverluste bieten. Dazu gibt es verschiedene Versicherungsmodelle von der Provinz, die die finanziellen Folgen von Ernte- oder Vermögensschäden bei Naturkatastrophen abfedern, bei einem Einkommensrückgang und Einbussen des Cashflows unterstützen und überbrücken.
Viele Farmer und die lokale Bevölkerung zeigen sich mit Betroffenen solidarisch. So wird im Ernstfall Geld gesammelt und mit allen möglichen Mitteln geholfen, damit Familien wieder auf ihre Farmen zurückkehren und den Betrieb aufnehmen können. Die Solidarität unter der kanadischen und lokalen Bevölkerung ist im Katastrophenfall gross und eine nicht wegzudenkende Stütze.
Langer Kampf gegen das Feuer
Experten vom BCWS schätzen, dass das Donnie-Creek-Feuer noch bis zum Frühjahr 2024 brennen wird. Wenn nicht an der Oberfläche, dann in der Wurzelschicht. Erst mit der Schneeschmelze im Frühjahr 2024 werden die letzten Glutnester vermutlich gelöscht.
Doch vorerst dauert der trockene Sommer in British Columbia an. Bis zum Herbst und zum Einsetzen der nassen Jahreszeit werden noch einige Gewitter über das Land ziehen und Blitzeinschläge mit sich bringen. Auf jeden Fall werden die Waldbrände bei unveränderter Wetterlage weitergehen und Farmer zur Flucht zwingen. Der Rauch wird den kanadischen Himmel auf jeden Fall noch lange überziehen.