Artenreichster Lebensraum der Erde

Der Boden ist der artenreichste Lebensraum der Erde. Zu diesem Schluss kommt eine Übersichtsstudie eines Schweizer Forschungsteams. Demnach leben zwei Drittel aller bekannten Arten im Boden. Pilze sind die Gruppe mit den meisten bodenlebenden Arten.

Typischer Bodenbewohner: der Springschwanz (Dicyrtomina minuta) auf Schneckeneiern. Bild: Andy Murray
Typischer Bodenbewohner: der Springschwanz (Dicyrtomina minuta) auf Schneckeneiern. Bild: Andy Murray

Korallenriffe, die Tiefsee oder die Baumkronen der Regenwälder gelten als die Hotspots der Artenviel-falt. Sie alle werden jedoch von den Böden abgehängt: Gemäss einer neuen Studie sind die Böden weltweit die artenreichsten Ökosysteme. Ihre Bedeutung für die menschliche Ernährung ist enorm, und der Anteil der Böden weltweit, die als beeinträchtigt oder zerstört gelten, wächst stetig. Ein Forschertrio unter der Leitung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat nun erstmals eine Schätzung der globalen Artenvielfalt der Böden gemacht.

Frühere Schätzungen revidiert

Die Forscher der WSL, der Universität Zürich und der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Agroscope durchsuchten dafür die bestehende Fachliteratur oder sie werteten bestehende Datensätze über die in Böden bestimmten Arten erneut aus. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass zwei Drittel aller Arten im Boden leben, berichten sie im renommierten Fachjournal PNAS. Dies ist mehr als doppelt so hoch wie frühere Schätzungen über den Artenreichtum des Bodens. Nach ihnen lebten nur 25 Prozent aller Arten im Boden.

Die Gruppe mit dem höchsten Anteil an im Boden lebenden Arten sind die Pilze – 90 Prozent von ihnen leben dort. Es folgen Pflanzen mit ihren Wurzeln mit einem Anteil von 86 Prozent. Regenwürmer und Weichtiere wie Schnecken kommen auf 20 Prozent. «Vor allem aber für die ganz kleinen Organismen wie Bakterien, Viren, Archaeen, Pilze und Einzeller hat noch niemand eine Schätzung der Vielfalt versucht», sagt der Erstautor, Mark Anthony von der WSL. Dabei sind gerade sie entscheidend für das Recyceln von Nährstoffen im Boden, für die Kohlenstoffspeicherung und wichtig als Krankheitserreger und Partner der Bäume.

Weitere Studien vonnöten

Da die Datenlage zur Bodenvielfalt äusserst lückenhaft ist – insbesondere im globalen Süden –, weisen die Resultate der Studie teilweise riesige Bandbreiten auf. Bei Bakterien zum Beispiel liegt der Mittel-wert bei 40 Prozent im Boden lebender Arten – die Spanne reicht aber von 25 bis 88 Prozent. Auch bei Viren, die hauptsächlich als menschliche Krankheitserreger erforscht werden, sind die Unsicherheiten enorm. Entsprechend wappnen sich die Autoren für einige Kritik an ihren Methoden und Schlussfolgerungen. «Unsere Arbeit ist ein erster, aber wichtiger Versuch, um abzuschätzen, welcher Anteil der globalen Artenvielfalt im Boden lebt», sagt Anthony.

Das Ziel sei es, die Basis für dringend notwendige Entscheidungen zum Schutz der Böden und ihrer Lebewesen weltweit zu liefern. «Die Böden stehen enorm unter Druck, sei es durch landwirtschaftliche Intensivierung, den Klimawandel, invasive Arten und vieles mehr», betont Anthony. «Unsere Studie zeigt, dass die Vielfalt in den Böden gross und entsprechend wichtig ist und sie somit im Naturschutz viel stärker berücksichtigt werden sollte.»

 

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