Jungwölfe dürfen geschossen werden

Der Kanton St. Gallen gibt drei Jungwölfe des Calfeisental-Wolfrudels zum Abschuss frei, nachdem auf einer Alp im Weisstannental mehr als acht Schafe gerissen worden sind. Gemäss St. Galler Bauernverband kam das Rudel aber auch einer Hirtin im Calfeisental zu nahe. Der Verband forderte den Abschuss des Rüden.

Auf der Alp Schräa im Calfeisental tummelt sich ein Wolfsrudel in unmittelbarer Nähe einer Alphütte. Die Vertreibungsversuche einer Hirtin, die sich alleine um Mutterkühe und Jungvieh kümmert, scheiterten. Beim Rüden des Rudels handelt sich um jenes Tier, das im letzten Jahr auf der Alp Brändlisberg im Calfeisental ein Rind gerissen hat.

Deshalb forderte der St. Galler Bauernverband (SGBV) den Abschuss des Rüden (siehe Beitrag im «St. Galler Bauer» 33 vom 18. August). Nur wenige Tage vor der Medienkonferenz des SGBV wurden auf der Alp Gafarra im Weisstannental drei Schafe in einer geschützten Herde gerissen. Bereits zuvor fielen Schafe den Wölfen zum Opfer. Die Risse konnten dem Calfeisenrudel zugeordnet werden. Der Leitrüde des Rudels konnte genetisch an den Rissen bestätigt werden. Die Schadensschwelle von acht Nutztieren wurde überschritten. Daraufhin hat der Kanton St. Gallen beim Bund den Abschuss von drei Welpen beantragt.

Der St. Galler Bauernverband forderte den Abschuss des Wolfsrüden des Calfeisenrudels. Der Bund gibt aber Jungtiere zum Abschuss frei. Bild: zVg.
Der St. Galler Bauernverband forderte den Abschuss des Wolfsrüden des Calfeisenrudels. Der Bund gibt aber Jungtiere zum Abschuss frei. Bild: zVg.

Rüde wird nicht geschossen

In der Medienmitteilung vom 23. August gibt das Amt für Natur, Jagd und Fischerei (Anjf) den Abschuss der Jungwölfe bekannt: «Um weitere Risse zu verhindern, verfügt der Kanton mit Einwilligung des Bundes die Rudelregulation und somit den Abschuss von drei der sechs Welpen. Durch die Abschüsse soll auch eine Vergrämung des Rudels von den Nutztierherden und den Alpen erzielt werden.»

Auf die Forderung des SGBV, den Rüden zu schiessen, ging das Anjf nicht ein. «Die verfügten Abschüsse basieren auf der Sachlage, dass das Rudel grossen Schaden an Nutztieren (mehr als acht Schafe aus geschützten Herden) verursacht hat und nicht wegen des Verhaltens, welches das Anjf gemäss den uns gemeldeten Beobachtungen und der Vollzugshilfe nicht in ein ‚unerwünschtes‘ oder ‚problematisches‘ Verhalten einstufen kann», sagt Simon Meier, Abteilungsleiter Jagd beim Anjf, auf Anfrage. Für den Schaden an Nutztieren habe das Anjf rechtlich im Moment nur die Möglichkeit einer Rudelregulation. Diese laufe immer über die Jungtiere (diesjährige oder letztjährige). Das Gesetz beziehe sich auch auf den Elternschutz, auf welchen die Welpen im Moment noch angewiesen seien. Meier erklärt: «Der Abschuss eines Elterntieres könnte zu dieser Zeit die Situation sogar verschlimmern, da das verbleibende Elterntier die Jungen alleine versorgen muss.»

Schäden könnten zunehmen

Der Abschuss des Rüden oder der Verlust des anderen Elterntiers könnte also dazu führen, dass die Schäden an Nutztieren sogar zunehmen würden.

Eine Entnahme eines besonders schadenstiftenden Wolfes aus einem Rudel wäre rechtlich erst gegen den Winter möglich, wenn die Welpen nicht mehr von den Elterntieren abhängig seien, sagt Meier. «Diese Möglichkeit werden wir zu gegebenem Zeitpunkt prüfen.»

Der Abschuss der Jungwölfe verfolgt auch einen weiteren Zweck. «Die Idee bei der Rudelregulation ist nicht nur, das Wachstum der Wolfspopulation zu bremsen, sondern auch, dass man dem Rudel mit gezielten Abschüssen beibringt, die Nähe von Nutztieren, Alpen oder Siedlungen besser zu meiden.» Die Abschussbewilligung gilt ab sofort und bis am 31. März 2024.

SGBV kämpft weiter

Der St. Galler Bauernverband wertet es positiv, dass das Anjf unmittelbar nach Erreichen der Schad-schwelle beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) ein Abschussgesuch eingereicht hat, das nun bewilligt wurde. «Diese Massnahme ist gesetzlich vorgesehen und wurde durch Simon Meier bereits anlässlich der Landwirtschaftsratssitzung vom 9. August in Tufertschwil aufgezeigt und angekündigt», sagt Mathias Rüesch, Geschäftsführer des SGBV. Doch dass das Anjf in seiner Beurteilung zum Schluss komme, das Verhalten des Rüden des Calfeisenrudels rechtfertige keinen Abschuss, decke sich nicht mit der Auffassung der Verantwortlichen des SGBV. «Die Eindrücke vor Ort anlässlich der Medienorientierung vom 12. August und weitere aktuelle Ereignisse bestärken unsere Haltung», sagt Rüesch. Im Rahmen seiner Möglichkeiten werde sich der SGBV dafür einsetzen, dass dieses Tier der Population entnommen werde. «Wölfe, die sich in unmittelbarer Nähe einer Alphütte niederlassen, die ihrem Nachwuchs beibringen, dass der Vorplatz zugleich auch Welpenspielplatz und Futtertisch ist und die sich zusehends schwerer oder überhaupt nicht mehr dauerhaft vertreiben lassen, zeigen ein problematisches Verhalten», ist Rüesch der Meinung. Wenn ein Nebeneinander von Wölfen und Landwirtschaft überhaupt möglich sein soll, müssten solche Tiere umgehend entfernt werden. «Die Entwicklung in vergleichbaren Situationen bei anderen Rudeln hat gezeigt, dass die Wölfe immer dreister werden, Leid und Schaden verursachen und dann doch geschossen werden müssen.» Die aktuelle Gesetzgebung lasse eine solche Entnahme bereits jetzt zu. «Seitens Anjf erhoffen wir uns, dass die Sorgen und Bedenken der Direktbetroffenen vor Ort ernst genommen werden.»

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