Silvia Schnyder backt Brot mit eigenem Dinkel
Brot backen gehört zum Alltag der Bäuerin Silvia Schnyder aus Netstal. Seit zwei Jahren verarbeitet sie dabei Dinkel, der auf dem eigenen Hof heranwächst.
Kontinuierlich rieselt Vollkornmehl aus der Haushaltsmühle in die silberne Chromstahlschüssel auf der Küchenabdeckung. Plötzlich, ebbt der Lärm, der vom Motor und den sich reibenden Steinen erzeugt wird, ab. Der Mahlvorgang ist abgeschlossen. Zufrieden betrachtet Silvia Schnyder das Ergebnis in der Schüssel und erzählt: «Das Vollkornmehl für den Eigengebrauch mahle ich selber. Für die anderen Mehlsorten übernimmt diese Arbeit ein professioneller Müller.»
Seit über 20 Jahren bäckt die gelernte Papeteristin ihr eigenes Brot. Die Kinder seien noch klein gewesen, als sie damit begann. Einen eigentlichen Anstoss dazu, kann sie keinen nennen. Sie habe sich einfach gedacht, «das mach ich jetzt selber». Was simpel klingt, erwies sich aber als Herausforderung. Denn gut ist der Bäuerin oft nicht gut genug. Was sie anpackt, möchte sie richtig machen. Auch soll das Endergebnis entsprechend aussehen. «Ich bin eine Perfektionistin», sagt sie von sich selber. «Ich mag es, wenn es sauber ist und adrett aussieht, lege Wert auf ein sauberes Erscheinungsbild.» Natürlich musste da auch das selbergebackene Brot den eigenen hohen Qualitätsansprüchen entsprechen.
Beim Machen gelernt
YouTube, Facebook oder einen entsprechenden Blog zum Nachschauen, gab es damals noch nicht. Ausprobieren und Tüfteln war angesagt. Heute ist Silvia Schnyder eine versierte Brotbäckerin, die sich auch vor dem backtechnisch anspruchsvolleren Dinkelmehl nicht abschrecken lässt. Im Gegenteil. Im Hause Schnyder wird fast ausschliesslich Dinkelbrot gegessen. Das hat einen Grund. Auf dem eigenen Betrieb wächst im dritten Jahr in Folge der Glarner Dinkel. Ein Projekt, das auf Initiative von Silvia Schnyders Ehemann, Walter Schnyder, ins Leben gerufen wurde. Dieser schaut just in diesem Moment für eine Kaffeepause in der Küche vorbei.
Als Vorstandsmitglied bei Bio Glarus habe er mehrere Vorstösse betreffend dem Dinkelprojekt im Glarnerland gemacht. Doch irgendwie kam das Ganze nicht zum Laufen. Ein letztes Mal wollte Schnyder den Dinkel thematisieren, wohlwissend «wenn es jetzt nicht klappt, dann gebe ich auf». Dass es geklappt hat, beweist das frisch gemahlene Vollkornmehl in Silvia Schnyders Chromstahlschüssel. Doch nicht nur sie verfügt mittlerweile über hofeigenen Dinkel. Auch weitere vier Landwirte wirken beim Projekt mit.
Bereits die dritte Aussaat ist im letzten Herbst erfolgt. Die Ernteerträge seien zufriedenstellend, freut sich der Landwirt. Das Ehepaar ist sich einige, dass der Dinkel auch deshalb fasziniert, da er beinahe anspruchslos wächst. Nur rund ums Haus kann er nicht angebaut werden. Hier versperrt die senkrecht aufragende Wand des Wiggis an zu vielen Stunden im Tag die Sonne. Nur wenige Fahrminuten weiter Richtung Talboden aber, da gelingt der Anbau.
Eigenverbrauch, Apéro und Geschenksäcke
Während Walter Schnyder den Mehrwert des Dinkelprojektes auch in der darauffolgenden Wieseneinsaat sieht, die reiche Erträge generiert und so für ordentlich Grünfutter für seine Milchkühe sorgt, freut sich Silvia Schnyder über das eigene Getreide. Bei der ersten Dinkelernte habe sie sich gefühlt wie im Paradies. «Bis heute empfinde ich es als überwältigend, wenn ich mit dem Schöpfer in das Mehl eintauche», schwärmt sie. Woran das liegt? Die Bäuerin vermutet, weil der Getreideanbau im Glarnerland eine Rarität ist. Zudem betont sie, dass ihr Dinkel nur einen Kilometer weiter, in der Maismühle Näfels gemahlen wird. «Noch nachhaltiger geht es wahrscheinlich kaum.»
Gebacken wird im Hause Schnyder zwar meist nur für den Eigenverbrauch. Hin und wieder aber nimmt Silvia Schnyder auch Aufträge an. So fertigte sie auf Kundenwunsch Geschenksäcke, die zu einem Kilo Mehl auch ein Dinkelbrot beinhalteten. Und ab und an werden auf dem Hofareal Gäste bewirtet. Gerne erinnert sie sich an einen Apéro, den die Familie auf dem Hof organisierte, um sich bei der Kundschaft zu bedanken. Das sei ein Gemeinschaftswerk gewesen, betont sie. Hier packte die Jungmannschaft ebenfalls mit an. Die beiden Söhne, beides Zimmermänner beim Einrichten, die Töchter, eine als gelernte Bäckerin/Konditorin, die andere als Floristin.
Bienen, Makeup und Wellness
Zu Silvia Schnyders Kundenstamm zählen auch Mehlabnehmer. Sie ist aber froh, dass sie keinen Verkaufsdruck hat. «Wir verkaufen so viel wie wir können, den Rest der Ernte übernimmt die Maismühle.» 80 Hühner befinden sich in ihrer Obhut. Deren Eier vermarktet sie allesamt selbst. Seit sieben Jahren widmet sie sich zudem der Imkerei. Noch gebe es in diesem Bereich viel zu lernen, bedenkt sie, klassiert diesen Betriebszweig als Hobby. Einen fixen Platz in ihrem Wochenplan hat ein Tageskind. Zudem wirkt sie als stellvertretende Sigristin in der Reformierten Kirche Netstal. Ganz bewusst gönnt sich die Bäuerin hin und wieder eine kurze Auszeit in einem Kaffee. Geht sie aus dem Haus, zieht sie sich Hübsch an, benutz auch gerne Schmuck und Makeup. «So gesehen, bin ich vielleicht gar keine typische Bäuerin», räumt sie ein. «Doch ich bin einfach wie ich bin. Mir ist wohl dabei.» Vor allem im Sommer, wenn die Milchkühe auf der Alp sind, unternimmt die Familie hin und wieder einen Ausflug. Seit einiger Zeit entdeckten sie gar den Wellnesskurzurlaub.
Die letzten Jahre galt es nebst der eigenen Familie auch einen Lehrling zu umsorgen. «Das wird sich wahrscheinlich ändern», schneidet Ehemann Walter Schnyder an. Silvia Schnyder nickt und bedenkt, dass sie diesem Schritt mit gemischten Gefühlen entgegensehe. «Walter hat einige Ämter. Während seiner Abwesenheit könnte ich mit dem Lehrling einiges erledigen.» Eine Person mehr am Tisch, die Wäsche und was alles im Haushalt durch einen Lehrling an Mehraufwand anfällt, das laufe nebenbei. Worauf hin Walter Schnyder mit einem Augenzwinkern im schönsten Glarnerdialekt beteuert: «Ich freuä mich druuf, wider mit dir gu züünä.» So wählte das Paar einen Kompromiss und pausiert für ein Jahr mit der Lehrlingsausbildung. Es ist also gut möglich, dass sich bereits ab dem Sommer 2023 wieder Berufsnachwuchs um den Glarner Dinkel kümmert.
Ob mit oder ohne Lehrling, was Silvia Schnyder garantiert weiter selber machen wird, ist das eigene Dinkelbrot. Die Kaffeepause ist beendet. Zeit das frisch gemahlene Vollkornmehl mit dem Ruchmehl zu mischen, Hefe und Wasser beizufügen und das Ganze zu einem geschmeidigen Teig zu verarbeiten. «Dinkelmehl soll man nicht zu lange kneten», so ihr Tipp. Auch hilft das Backen in der Form, damit das Brot regelmässig aufgeht. Und sollte es dennoch nicht auf Anhieb gelingen, so bleibt der Trost, dass auch Silvia Schnyder tüfteln und ausprobieren musste. Wunderschöne Brote zeugen heute davon, dass sich der Aufwand lohnt.