Die Kälbergesundheit im Fokus
Walter und Franziska Schätti aus Tuggen betreiben auf ihrem Betrieb Milchwirtschaft. Für den Kälberabsatz setzen sie auf das Label Milchkalb von der Linus Silvestri AG.
Walter Schätti steht am Gatter des Kälberauslaufs. Die Stallarbeit ist längst erledigt. Die Kälber sind getränkt. Frisches Stroh bedeckt die Bucht. Es braucht nur ein paar Worte, schon erscheint der erste Kälberkopf im Durchgang, die Ohren aufgeweckt nach vorne gerichtet, man könnte ja etwas verpassen. Dann hüpfen die munteren Racker zielsicher dem Landwirt entgegen. Wohlwissend, dass dieser nicht mit Streicheleinheiten geizt. «Ich räume ganz bewusst genügend Zeit bei den Kälbern ein. Verwilderte Jungtiere sehe ich gar nicht gerne», erklärt er und versichert, dass sich das übers Ganze gesehen, bezahlt mache. Wobei Walter Schätti denselben Aufwand für Aufzucht- wie für Mastkälber betreibt.
Ich räume ganz bewusst genügend Zeit bei den Kälbern ein. Verwilderte Jungtiere sehe ich gar nicht gerne.
Ungefähr 70 Kälber werden jährlich auf seinem Betrieb geboren. Zirka 40 Kälber sind für die Mast bestimmt. Die Mütter sind mehrheitlich Brown Suisse-Tiere. Seit der neunjährige Junior Elias mitredet, gesellen sich auch Schwarzflecken dazu. 55 Milchkühe stehen im Stall und werden von einem Roboter gemolken. Die silofrei produzierte Milch wird von einer regionalen Käserei abgeholt. 24 Zeitkühe sömmern auf der betriebseigenen Alp im Wägital, ebenso 30 Aufzuchtrinder. Wobei letztere die Winter auf einem anderen Betrieb verbringen. Lange Zeit hat Walter Schätti die Kühe nur mit rasseneigenen Stieren geführt. Erst auf Drängen seiner Frau Franziska, die gelernte Landwirtin ist, setzt er auch Limousine-Samen ein. Seit zwei Jahren kommt eine weitere Neuerung dazu. Die Schättis mästen für das Label Silvestri Milchkalb.
Das Besondere am Label
Doch was unterscheidet ein Silvestri Milchkalb mit einem konventionellen Milchkalb? «Milch erhalten beide», versichert Walter Schätti. «Doch seit ich auf dieses Label setze, erhalte ich zwei Franken über den QM-Proviande-Preis.» Dazu gilt es, einige Auflagen zu erfüllen. So dürfen auf seinem Betrieb keine Kälber zugekauft werden. Nur wer hier das Licht der Welt erblickt, wird auch hier gemästet. Die einzige Ausnahme sind Ammenbetriebe. Sie sind von dieser Auflage ausgeschlossen. Das ist auf Nachfrage bei Jakob Spring von der Linus Silvestri AG zu erfahren. Als Grund für diese Massnahme nennt er die Tiergesundheit. «Je mehr Kälber aus verschiedenen Ställen zusammengeführt werden, umso stärker nimmt der Medikamenteneinsatz zu.» Just jene Medikamenteneinsätze möchte das Label minimieren. Jedes Kalb bringe verschiedenste Bakterien und Viren aus seinem Stall mit, gegen die es resistent ist. Für Tiere aus anderen Ställen können diese aber Krankheiten auslösen. Wobei auch der Transportstress nicht zu unterschätzen sei. «Kalbfleisch ist von allen Fleischarten nach wie vor dasjenige, für das am meisten Antibiotika eingesetzt wird», so Spring.
Je mehr Kälber aus verschiedenen Ställen zusammengeführt werden, umso stärker nimmt der Medikamenteneinsatz zu.
Eine weitere Voraussetzung, um beim Label mitzumachen sind die IP Suisse Richtlinien für Kälbermast. Ebenso ein Laufhof für den Jungtierbereich. Dafür sind die Abnehmer bei der Gewichtsklassierung toleranter. Ein Gewichtsband von 120 bis 150 Kilo ist ohne Abzug zugelassen. Der Name Milchkalb wurde übrigens gewählt, um vom Mutterkuhkalb zu unterscheiden. Spring versichert, dass Milchkälber, wie es der Tierschutz vorschreibt, auch Heu und Stroh vorgesetzt bekommen.
Garantierter Mehrpreis
Walter Schätti mästete früher für die Migros M-Sano-Kälber. «Viel zu oft musste ich Abzüge verbuchen, da die braunen Kälber erst ab 140 bis 150 Kilo schön ausgemästet sind. Das war nicht befriedend», erklärt er den Labelwechsel. Oft habe er nicht einmal den konventionellen Proviande-Preis erhalten. Irgendwann dann stiess der Meisterlandwirt auf ein Inserat für Linus Silvestris Milchkälber. «Heute kann ich die Kälber bis 190 Tage und bis 160 Kilo ausmästen, was mir nebst dem garantierten Mehrpreis noch eine bessere Klassierung einbringt.»
Ob die Kälber dieses Labels wirklich gesünder sind, will Walter Schätti nicht beurteilen. «Ich kenne es nicht anders, da wir auf unserem Betrieb immer nur die eigenen Tiere mästeten.» Er räumt ein, dass auch so mal die Kälbergrippe grassieren kann. «Wenn möglich behandeln wir alternativ. Wo nötig greifen wir zur Schulmedizin.» Jakob Spring kennt Betriebe, die vorher viel mehr Antibiotika einsetzen mussten.
Wenn möglich behandeln wir alternativ. Wo nötig greifen wir zur Schulmedizin.
Seit sie nur noch die eigenen Tiere mästen, sei der Medikamenteneinsatz um 80 zurückgegangen. Auch verweist er auf die neulich veröffentliche Studie «Freiluftkalb» der Universität Bern. Diese zeige, dass auf den Kälbermastbetrieben mit gezieltem Tränkerzukauf und Auslaufhaltung der Antibiotikaverbrauch um 80 Prozent und die Abgänge auf die Hälfte reduziert werden konnten. «Wir gehen davon aus, dass beim Silvestri Milchkalb der Antibiotika-Verbrauch nochmals deutlich tiefer liegt, da der Tränkerzukauf verboten ist.»
Der Wermutstropfen
Bei so vielen positiven Aspekten, stellt sich die Frage nach den Nachteilen? Dieser wird durch einen Blick auf die Abrechnung sichtbar. Ein Label zu vermarkten kostet. Vier Franken benötigt die Labeladministration. Der Marketingbeitrag pro Kilo Schlachtgewicht beträgt zudem 20 Rappen. «Von den zwei Franken Mehrwert geht das als Kostenbeitrag ans Label weg», räumt Schätti ein. Als weiterer Wermutstropfen sieht er die Transportintervalle. Je nach Meldestatus kann es bis zu zwei Wochen dauern, bis die Tiere für den Schlachthof abgeholt werden. Jakob Spring erklärt «Wir überprüfen vor dem Schlachttermin die Tiergeschichte jedes einzelnen Tieres. Das schulden wir dem Konsumenten.» Mit dem Einzug in die Spar/TOP CC-Kette ist der Sprung zum Grossverteiler aber geschafft, sodass künftig mit kürzeren Schlachtintervallen gerechnet werden kann.
Vertrauen in die Landwirtschaft
Wie wichtig es ist, dass die Konsumenten Vertrauen in die Landwirtschaft hegen, wie aufwändig diese Arbeit ist und dass das auch etwas kostet, das wissen die Schättis aus erster Hand. Ihr Betrieb liegt neben dem Dorf Tuggen. Der Hof ist über eine Zufahrt erschlossen, die unmittelbar an den letzten Häusern eines Einfamilienhausquartiers vorbeiführt. Zudem betreibt Franziska Schätti als leidenschaftliche Pferdeliebhaberin eine hofeigne Reitschule. Dass da viele Augen sehen, wie die Tiere gehalten werden und entsprechend sensibel gearbeitet werden muss, ist selbsterklärend. «Wir können zum Glück auf gutes Personal zählen», betont Walter Schätti. Ein engagiertes Älplerpaar kümmere sich zuverlässig um die Alp, auf dem Talbetrieb sei derzeit ein ukrainischer Praktikant angestellt. Tochter Rahel befindet sich in der Ausbildung zur Landwirtin. Auch sie packt in ihrer Freizeit mit an. Ebenso die zwei jüngeren Kinder, die beide noch in der Schule sind.
Zurück zu den Kälbern im Laufhof. Diese haben längst genügend Streicheleinheiten genossen. Sie sind in den Schatten ihrer Kälberbucht getrottet. Einige gönnen sich eine Siesta, andere schnabulieren etwas Heu. Gemeinsam warten sie, bis es Zeit wird für die nächste Ration Milch. Damit sie ihrem Laber-Namen «Milchkalb» alle Ehre machen.