Schweizermeisterschaft der Hütehunde in Wäldi

Eine Schafherde zusammentreiben, Tiere von A nach B leiten und dabei immer den Schäfer und seine Kommandos im Blick – all das bedeutet Höchstleistung für einen Hütehund. Am vergangenen Wochenende gewährte die Schweizermeisterschaft der Hütehunde in Wäldi einen Einblick in die herausfordernde Arbeit.

Hütehunde Meisterschaft
Das Trennen der Schafe als letzte Aufgabe ist besonders herausfordernd. Bild: Nicole Ponce

Eindringlich hallt ein Pfiff über die Wiesen rundum Wäldi. Schon aus der Ferne ist das schwarz-weisse Fell eines Border Collies auszumachen, der in Windeseile auf eine kleine Schafherde zusteuert, um den nächsten Kommandos seines Besitzers Folge zu leisten. Flink und geschickt lenkt er die Schafherde durch den vorgegebenen Wettkampftrail ohne seinen Schäfer dabei aus den Augen zu verlieren. Immer wieder sind Pfiffe und gerufene Kommandos zu hören. Eins fällt jedoch auf, trotz der grossen Anzahl an Hunden auf dem Wettkampfgelände ist es ruhig; weder Bellen, Knurren, Kläffen oder Gejaule ist zu hören. «Sie bellen praktisch nie», bestätigt Teilnehmer Patrick Schmid aus Pfaffnau, welcher der Regionalgruppe Zentralschweiz angehört. Das entspreche nicht ihrem Naturell und sei bei ihrer Arbeit, dem Zusammentreiben oder Umtreiben von Weide zu Weide, auch gar nicht gewollt. Vielmehr wirke sich ihre ruhige, gelassene Art positiv auf das Vieh aus. Anders als andere Hunderassen «drücke» der Border Collie das Vieh ganz allein mit den Augen. Beim Betrachten der grazilen Hunde kann man sich gut vorstellen, dass dieses Spiel mit den Augen funktioniert, schliesslich stechen die Augen der Tiere mit unterschiedlichstem Farbspektrum hervor.

Die 50 besten Teams

In der Schweiz existieren elf Regionalgruppen, sogenannte Untergruppen des Dachverbandes «Swiss Shepp Dog Society» (SSDS), die sich bei der Ausrichtung der Schweizermeisterschaften abwechseln. In diesem Jahr ist die Regionalgruppe Seerücken mit ihren 20 Mitgliedern an der Reihe. Die 50 besten Schweizer-Hundehütehalter der Jahresrangliste sind aus diesem Grund nach Wäldi angereist, um sich zunächst am Freitag und Samstag zu messen. Die besten 16 der ersten beiden Wettkampftage treten am Finaltag mit schwierigeren Wettkampfregularien erneut gegeneinander an. Dabei stehen die Hundehütehalter nicht allein im Zentrum des Geschehens. Sie bilden ein Team mit ihrem Hütehund, allesamt reinrassige Border Collies, die teilweise auch ausserhalb der Schweiz, zum Beispiel in England oder Frankreich, gezüchtet wurden.

Ein paar Regularien

 An den ersten beiden Tagen müssen die teilnehmenden Teams unter anderem eine fünfköpfige Schafherde ein- und umtreiben, wobei die Schafe eine gerade Linie laufen oder ein Tor passieren müssen. Für den Parcours haben die Teilnehmer 15 Minuten Zeit. Am Finaltag wird der Schwierigkeitsgrad erhöht. Es müssen 15 Schafe an zwei unterschiedlichen Standorten eingetrieben werden und ein Parcours begangen werden, bevor der Schäfer die Schafe wieder voneinander abtrennen muss, ohne sie dabei zu berühren. Hierfür stehen 30 Minuten Zeit zur Verfügung.

Training im Alltag

 Bei der täglichen Arbeit mit Schafen können sich die Teams gut auf derartige Wettkampftage vorbereiten. So wundert es nicht, dass viele Teilnehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb führen oder zumindest in der Freizeit Schafe halten. Border Collies eignen sich aber genauso für die Arbeit mit Kühen, Gänsen, Ziegen oder Hühnern. Der 28-jährige Stefan Gantenbein aus Speicher von der Regionalgruppe Ostschweiz berichtet mit einem Schmunzeln auf den Lippen: «Es kommt schon mal vor, dass ein Hund, der es gewohnt ist Kühe zu treiben, während des Wettkampfes davonrennt, weil in der Nachbarschaft des Wettkampfgeländes Kühe weiden. Dies führt natürlich zur Disqualifikation.»

Zweisprachige Hunde

 Gantenbein führt weiter aus, dass die Ausbildung eines Hütehundes häufig beginne, sobald er jährig sei. Dann sei von einem abgeschlossenen Körperbau auszugehen. Der Hund biete von Natur aus schon viel an. «Am Anfang muss der Mensch mehr lernen als der Hund und man lernt nie aus. Es kommt immer wieder etwas Neues dazu, selbst wenn der Hund fertig ausgebildet ist», so Gantenbein. Dass die Hunde nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit sein müssen, zeigt sich in ihrer Zweisprachigkeit. Sie können sowohl Pfeif- als auch Wortkommandos richtig umsetzen. Als bester Helfer des Schäfers sollten sie ausserdem in der Lage sein «mitzudenken».

Neutralität gewahrt

 Mit Eliane Verboven aus dem belgischen Oudsbergen fiel die Wahl auf eine ausländische Richterin mit viel internationaler Erfahrung. Tanja Baer vom Organisationsteam erklärt, dass dies bei Schweizermeisterschaften üblich sei, um die Neutralität sicherzustellen. Verboven lobt die Organisation und Logistik der kleinen Regionalgruppe: «Das hier ist Luxus.» Mit einer ausladenden Handbewegung meint sie den roten Richteranhänger, der am Rande des Wettkampfgeländes steht. Normalerweise müsste sie in ihrem eigenen Auto sitzend die Durchgänge bewerten. «So etwas habe ich noch nie gesehen bei einem Verein», schwärmt sie.

Auf die Frage, wie sich Wettkämpfe in der Schweiz zu Wettkämpfen in anderen europäischen Ländern unterscheiden, antwortet Verboven schmunzelnd: «Die Schweizer sind ein bisschen speziell und haben ein paar eigene Regeln.» Aber solange für alle Teilnehmer die gleichen Regeln gelten, seien derartige Details kein Problem. Auch sei ihr aufgefallen, dass die Schafe schwer zu bewegen seien. «Die Schafe haben keine Angst vor dem Menschen. Sie sind es gewohnt, häufig umgetrieben zu werden und kleben förmlich am Schäfer. Dadurch sind sie nicht leicht zu bewegen und man benötigt einen recht selbstständigen Hund.» Weitere Herausforderungen sieht sie in der Aufstellung der Trails. Verglichen mit belgischen Meisterschaften seien die Abstände grösser und die Topografie viel abwechslungsreicher. All das stelle eine Herausforderung für die teilnehmenden Teams dar. Nur wenigen sei es gelungen, alle Aufgaben in vorgegebener Zeit zu absolvieren. «Sie wollen den besten Schweizer und so bekommen sie auch den besten», betont Verboven.

Schweizermeister ermittelt

Am späten Nachmittag des dritten Wettkampftages steht es dann auch fest. Andreas Schiess aus Gossau wird zusammen mit seiner Hündin Quence Schweizermeister, gefolgt von Stefan Gantenbein aus Speicher, der sich mit Hündin Myra über den zweiten Platz freuen kann. Patrick Schmid aus dem luzernischen Pfaffnau belegt mit seinem Rüden Spot den dritten Rang.

Ein aufregendes Meisterschaftswochenende geht zu Ende und das nicht nur für die Teilnehmer und ihre Familien. Auch Besucher, die sich nicht mit Hütehunden auskennen, schwärmen vom Anlass. «Erst habe ich nicht verstanden, was da gemacht wird, aber wenn man einen Experten hat, der es einem erklärt, ist es wirklich spannend», war von einem Zuschauer zu hören.

Hütehunde Schweizer Meisterschaft
Die drei besten Teams: Andreas Schiess mit Hündin Quence, Stefan Gantenbein mit Hündin Myra und Patrick Schmid mit Rüde Spot. Bild: zVg.

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