Bärlauchkäse aus Philipp Müllers Käsekeller

Jetzt, da man dem Bärlauch wieder förmlich beim Wachsen zuschauen kann, wächst auch die Lust auf Leckeres mit der krautigen Frühlingspflanze. Gut hat Käser Philipp Müller bereits im Dezember seine würzige Spezialität produziert. Denn nach zwei Monaten ist sein Bärlauchkäse nun reif für den Genuss.

Migg Frick und Philipp Müller (links) sind in der Käserei Neuwies ein eingespieltes Team.
Migg Frick und Philipp Müller (links) sind in der Käserei Neuwies ein eingespieltes Team.

Bärlauchduft verbreitet sich in der Käserei. Würzig, den Frühling verheissend. Wenn der Lenz noch in weiter Ferne liegt, produziert Käsermeister Philipp Müller in den Wochen vor Weihnachten drei bis vier Tonnen der begehrten Bärlauch-Käselaibe.

Es ist morgens um sechs Uhr. Philipp Müller lässt an diesem Freitag 3000 Liter Biomilch von acht regionalen Bauern ins grosse Becken, genannt Käsefertiger, einlaufen. Im Fertiger hätten noch 1000 Liter mehr Platz, doch der Käser will an diesem Tag nur 78 Laibe seiner Frühlingsspezialität herstellen. In der folgenden Stunde wird die Milch langsam unter ständigem Rühren erwärmt. Philipp Müller hat bereits jene Bakterien beigegeben, mit denen er letztlich die gewünschte Käsequalität erhält. Nun gibt er einen Eimer mit Lab bei, eine weitere der wenigen Zutaten, die einen Käse ausmachen. Wenn die Milch noch flüssig ist, werden die Rührschaufeln gegen Messerharfen ausgetauscht. Die Milch wird nun ruhig gestellt. Jetzt ist es Zeit für eine Frühstückspause. Nach dem gemeinsamen Essen mit Migg Frick wird die mittlerweile dicke Milch, auch Gallerte genannt, verschnitten. Das Verschneiden, Ausrühren und Abfüllen dauert etwa eine Stunde.

Vom Entlebuch ins Toggenburg

Philipp Müller und Migg Frick sind ein eingespieltes Team. Als Philipp Müller mit seiner Frau 2007 die Käserei Neuwies in Lütisburg übernahm, arbeitete Migg Frick bereits seit Langem dort. «Er kann alle Arbeiten im Betrieb erledigen und kümmert sich auch um unsere 640 Schweine», sagt Philipp Müller im nach wie vor gut hörbaren Entlebucher Dialekt.

Der 48-Jährige ist im Entlebuch aufgewachsen und absolvierte dort auch die Ausbildung zum Käser. Während seiner «Wanderjahre» sei er schon im Toggenburg gewesen. «Dank eines Kollegen fand ich dann später diese Käserei. Mir gefiel sie vor allem wegen der ruhigen Lage. Die meisten Dorfkäsereien liegen direkt an Hauptstrassen, unsere nicht», sagt Philipp Müller. Er geniesst es, sein eigener Chef zu sein. Schätzt vor allem die Vielseitigkeit seines Alltags. «Nebst der Käseherstellung arbeite ich auch im Büro und übernehme das Marketing. Bei gewissen Arbeiten unterstützt mich meine Frau, zum Beispiel beim Bereitstellen von Geschenkarrangements – oder immer dann, wenn Migg Ferien hat.»

Aber noch kurz zurück zum Marketing: Wie gut Philipp Müller dieses im Griff hat, zeigt ein Blick in sein Käsesortiment. Da fallen Namen auf, die neugierig machen. «Helvetikuss», «Wiesen-Zauber», «Wanderzyt», «Waldmeister» und «Toggenburgerli» gehören zum Neuwies-Angebot. Alles Kreationen des Käsermeisters. «Manchmal stehe ich am Morgen auf und habe eine neue Käsekreation im Kopf. Diese zum Leben zu erwecken, reifen zu sehen und mit anderen Käseliebhabern zu teilen, das macht mich stolz und treibt mich an», sagt Philipp Müller.

Philipp Müller produziert jedes Jahr rund vier Tonnen Bärlauchkäse.

Kalte Luft macht Löcher

Jetzt aber ist es höchste Zeit, sich um den Bärlauchkäse zu kümmern. Die Harfen haben mittlerweile die Milchmasse in ziemlich kleine Krümel zerteilt. Gerade richtig für die heutige Produktion. Wären die Krümel noch kleiner, so entstünde ein Hartkäse. Der Bärlauchkäse ist aber ein Halbhartkäse.

Philipp Müller nimmt die Harfen von den Rührarmen und spritzt sie gründlich ab. Dann füllt er zwei Metalleimer mit der krümeligen Masse und stellt sie beiseite. Nun lässt er die Schotte, auch Molke genannt, aus dem Käsebecken in die Presswanne abfliessen, wo Platz ist für insgesamt 100 Käselaibe. «So wird die Wanne vorgewärmt. Sonst würde kalte Luft in die Käsemasse stossen und Löcher verursachen», erklärt der Käseprofi.

Nun, da die Schotte die Presswanne füllt, öffnet Philipp Müller den Schlauch zur Füllanlage. Die Käsemasse fliesst durch den Schlauch zu einem Verteilarm mit fünf Öffnungen, der langsam über die Formen fährt. Hin und zurück, hin und zurück, bis die für heute geplanten 78 Formen gefüllt sind. Während die Maschine diese Arbeit erledigt, kümmert sich der Käsermeister um die Hauptzutat: den Bärlauch. Diesen sammelt er nicht selbst, sondern kauft ihn fertig getrocknet von einer Schweizer Firma. Eine grosse Dose voller Kräuter verteilt er in die beiden bereitgestellten Eimer mit der Käsekrümelmasse und rührt alles gut durch. Mittlerweile sind alle Formen gefüllt und werden mit einem Metalldeckel verschlossen. Dann senkt sich auf Knopfdruck die Pressvorrichtung, welche die frischen Käselaibe rund zehn Minuten zusammendrückt.

Auf jeden halben Käselaib kommt ein Becher Bärlauchmasse.
Auf jeden halben Käselaib kommt ein Becher Bärlauchmasse.

Ein würziger Streifen

Jetzt hat sich auch Migg Frick die typische Käseruniform angezogen: weisse Gummistiefel, weisse Kunststoffschürze, Mütze und T-Shirt. Denn längst ist es ziemlich warm im Raum und nun beginnt die Schwerarbeit. Die Pressvorrichtung schwebt in die Höhe und Philipp Müller und Migg Frick heben die Deckel von den Laiben. Dann legt Migg Frick ein grosses Kunststoffbrett und ein Messer mit zwei Holzgriffen bereit. Nun geht es wie am Fliessband: Philipp Müller entfernt die Metallform, Migg Frick hebt den Käselaib aufs Brett, schneidet ihn horizontal entzwei und legt eine Hälfte zurück in die Form, die Müller gerade wieder hingestellt hat. Der Chef nimmt einen Becher voll mit Bärlauchmischung, gibt sie in die Mitte des Laibs, und noch während er seine Hände zurückzieht, hievt Frick bereits die obere Käsehälfte in die Form. Ohne Unterbruch arbeiten sich die beiden durch die 78 Laibe, von denen jeder knapp fünf Kilo wiegt. Ab und zu halten sie kurz inne, um sich den Schweiss von der Stirne zu wischen. Nach kaum einer halben Stunde ist die Arbeit getan und das Presswerk senkt sich erneut auf die Laibe.

Zwei Monate im Keller

Später am Tag werden die Käseprofis alle Laibe wenden, bevor sie in einem weiteren Produktionsschritt für 36 Stunden ins Salzbad gelegt werden. Danach geht es zum Ruhen in den Käsekeller. «Nach etwa einem Monat tauchen wir jeden Laib in einen Bärlauchsud. So erhält der Käse seine grünliche Rinde und noch mehr Aroma», erklärt Philipp Müller. Zwei Monate bleiben die insgesamt etwa vier Tonnen Bärlauchkäse in Lütisburg-Station, dann verkauft Müller die Laibe an die Firma Intercheese, die sie schneidet, verpackt und an den Detailhandel liefert. Lediglich die Bestellungen aus Deutschland verkauft er direkt. Dann riecht es in seiner Käserei längst nicht mehr nach Bärlauch – aber draussen im Wald spriesst das würzige Kraut und macht im Frühling Lust auf Müllers würzigen Käse.

 

Philipp Müller produziert jedes Jahr rund vier Tonnen Bärlauchkäse.
Nach einem Monat werden die Laibe in einen Bärlauchsud getaucht, welcher der Rinde die grüne Farbe verleiht.

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