Mit Schütteln gegen den Kartoffelkäfer

In Kleinandelfingen wurde an einer Veranstaltung rund um die biologische Bekämpfung des gefrässigen Kartoffelkäfers eine neue Maschine vorgestellt. Diese liest die Käfer von den Stauden ab. Denn es wird immer schwieriger, diesen aus Amerika eingeschleppten Schädling zu bekämpfen.

Die 530 Kilo schwere Maschine mit Frontanbau arbeitet effizient.
Die 530 Kilo schwere Maschine mit Frontanbau arbeitet effizient.

Wenn der Kartoffelkäfer einmal da ist und Tausende von diesem gefrässigen Insekten in einem Kartoffelfeld sind, geht es schnell. Innert weniger Stunden fressen sie die Kartoffelstauden kahl. Mit der massiven Verschärfung der Vorschriften und dem Verbot von Wirkstoffen wird die Bekämpfung dieses gefährlichen Schädlings immer schwieriger. Zugleich tritt dieser immer mehr in Erscheinung, weil er sich mangels Bekämpfungsmöglichkeiten immer stärker verbreiten kann.

Aus Amerika eingeschleppt

Er wurde bereits im vorletzten Jahrhundert um 1872 aus Nordamerika eingeschleppt, wobei 1922 eine enorme Population in Bordeaux weit über 20 000 Hektaren vernichtete. 15 Jahre später war er auch in der Schweiz angelangt und 1943 war er in allen Kantonen zu finden. Um ihn in Schach zu halten, wurden überall die Schüler aufgeboten, um diese kleinen Käfer von den Kartoffelstauden abzulesen. «Neben dem Unterricht hatten die Schüler noch eine zweite Aufgabe. Sie mussten Kartoffelkäfer sammeln. So zogen sie an bestimmten Tagen in die Kartoffelfelder und pflückten die mit roten Larven befallenen Blätter der Kartoffelpflanzen ab», heisst es in einem Schüleraufsatz kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Man kannte die gefährlichen Folgen dieses Schädlings, weil er bei einem Befall zu einem Totalschaden bei diesem Grundnahrungsmittel führen konnte und die Teller somit leer blieben. Ein Szenario, das heute mit einem intensiven Befall durchaus wieder aktuell, aber wohl für Schüler, Schulbetrieb und Gesellschaft kaum vorstellbar ist. Es mag wohl auch sein, dass man dazumal davon träumte, dass eine Maschine diese Arbeit ausführen könnte. Dieser Traum ist nun erfüllt worden. Kürzlich hatte die Landi Weinland in Zusammenarbeit mit dem Strickhof zu einer Fachveranstaltung nach Kleinandelfingen eingeladen, um den Kartoffelkäfersammler vorzustellen.

In Holland entwickelt

Der vorgestellte Coloradokäferfänger wurde von holländischen Tüftlern entwickelt. Entsprechend reisten Ard Klompe und Robin Kamper vom Unternehmen FieldWorkers.nl an, um diese Neuheit vorzustellen. Das rund 530 Kilo schwere Anbaugerät wird als Frontanbaumaschine für jeweils vier Furchen eingesetzt. «Die Maschine nutzt das spezielle Verhalten des Kartoffelkäfers, der sich leicht von der Pflanze abschütteln lässt», erklärte Robin Kamper. Für das leichte Schütteln sorgen drehende, hydraulisch angetriebene Kunststofflamellen. Dabei werden die Käfer gegen ein senkrechtes Brett geworfen und fallen danach in einen der fünf Sammelbehälter, die sich zwischen den Furchen befinden. «Die Lamellen beschädigen die Pflanze nicht, sondern beugen diese lediglich zur Seite weg», führte Kamper aus. Die Arbeitsqualität darf sich durchaus sehen lassen, da es in einem Arbeitsgang gelingt, 70 bis 90 Prozent der Larven und Käfer einzusammeln. Die Sammelbehälter werden danach in einen grossen, mit einer Kunststoffblache ausgestatteten Behälter umgefüllt. Hier können nun andere Insekten, wie beispielsweise Marienkäfer, wieder davonfliegen, während es den trägen Kartoffelkäfern nicht gelingt, die steilen Kunststoffwände hochzuklettern.

Biologische Bekämpfung

Sonja Basler vom Strickhof erinnerte daran, dass das aktuelle Wetter die Kartoffelproduzenten massiv auf Trab hält, weil ein enormer Druck der Krautfäule vorhanden ist. Dies macht einen wöchentlichen Schutz der Stauden unerlässlich. Zugleich macht auch wieder der Kartoffelkäfer Druck. «Wir verzeichneten im vergangenen Jahr ein massives Auftreten des Kartoffelkäfers. Das noch einzige auch im biologischen Landbau zugelassene Bekämpfungsmittel Audienz zeigte 2023 gewisse Mängel», führte Sonja Basler aus. Entsprechend sind Alternativen im Bereich der Pflanzenschutzmittel gefragt. Hier kommt nun Novodor als neues, bereits seit drei Jahren eingesetztes natürliches Insektizid ins Spiel. Dieses basiert auf dem natürlich vorkommenden Bodenbakterium Bacillus thuringiensis tenebrionis, das als Insektizid wirkt und entsprechend über die Stauden ausgebracht wird. «Die Bakterienprodukte werden von den Larven aufgenommen und bewirken einen sofortigen Frassstopp. Nach drei bis fünf Tagen sterben die Larven», führte Delia Schenk von der Andermatt Biocontrol aus. Die mit der Behandlung ausgebrachten Bakterien produzieren sogenannte Eiweisskristalle, die durch den Frass aufgenommen werden. Diese wiederum zerstören die Zellwand des Kartoffelkäferdarms, was dann zum Frassstopp führt. Das Mittel ist dann einzusetzen, wenn die Larven bis zu drei Millimeter lang sind, wobei die Behandlung nach acht bis zehn Tagen wiederholt werden sollte.

1872 eingewandert

Der auch bezüglich seiner Streifen auf dem Rücken als Zehnstreifen-Leichtfusskäfer bezeichnete Schädling hat seinen Ursprung im amerikanischen Bundesstaat Colorado, was ihm auch im Volksmund den Namen «Colorado Potato Beetle» oder zu Deutsch einfach Coloradokäfer eingetragen hat. Seine bevorzugte Nahrung findet er vorwiegend in den Pflanzen der Gattung der Nachtschattengewächse, wozu nebst den Kartoffeln auch Tomaten, Auberginen oder Tabak gehören. Der bis zu 15 Milimeter lange Käfer überwintert im Boden. Das Weibchen legt Anfang Juni in Haufen rund 30 Gelege mit 20 bis 40 Eiern auf der Blattunterseite einer Wirtspflanze ab. Nach fünf bis zwölf Tagen schlüpfen die ziegelroten Larven, die dann mit dem Fressen beginnen und als eigentliche Fressmaschinen bezeichnet werden. Gemäss der Fachliteratur frisst eine Larve rund 40 Quadratzentimeter und später der Käfer zehn Quadratzentimeter Blattfläche im Tag. Nach etwa zwei bis vier Wochen und abhängig von der Witterung erfolgt die Verpuppung. Es dauert dann wieder rund drei Wochen, bis der eigentliche Käfer schlüpft und nun einen ausführlichen Reifungsfrass macht. Nach der Begattung legen diese dann wiederum Eier ab, sodass der nächste Populationszyklus einsetzen kann. Begünstigt wird dieser Prozess durch eher heisse Temperaturen zwischen 25 und 32 Grad, wo eine Entwicklungsphase von nur 14 Tagen möglich ist. Während des Ersten und auch des Zweiten Weltkriegs gab es immer wieder Verschwörungstheorien, wonach man gezielt Kartoffelkäfer aussetzte, um beim Feind eine Hungersnot auszulösen.

Die an den Stauden abgeschüttelten und aufgefangenen Kartoffelkäfer.
Die an den Stauden abgeschüttelten und aufgefangenen Kartoffelkäfer.

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