Fischereiverein Werdenberg kämpft gegen das Aussterben der Äschen

Seit bald 35 Jahren betreibt der Fischereiverein Werdenberg in Sevelen eine Fischzucht. Neben dem finanziellen Aufwand leisten die Mitglieder für den Unterhalt der Anlage jedes Jahr unzählige Stunden Fronarbeit. Umwelteinflüsse und Feinde wie der Biber und Konsorten bereiten grosse Sorgen.

Christian Schwendener setzt sich mit Herzblut für die Äschen ein.
Christian Schwendener setzt sich mit Herzblut für die Äschen ein.

Das klare Wasser schimmert leicht in der Nachmittagssonne. Die Äschen schwimmen ruhig und gleichmässig, mit leichten, wellenförmigen Bewegungen ihrer schlanken Körper, während sie anmutig ihre Kreise ziehen. Als Christian Schwendener Futter ausstreut, kommen einige mit einem sanften Plätschern nach oben, schnappen sich einen Krümel, bevor sie sanft wieder in ihre Kreise zurückgleiten. «Der dort, dieser und der da sind männliche Äschen. Man erkennt sie an der Rückenflosse. Bei den Männchen sind sie grösser und stärker nach hinten ausgezogen als bei Weibchen.» Während der Co-Präsident des Fischereivereins Werdenberg innert dem Bruchteil einer Sekunde das Geschlecht bestimmen kann, ist der Laie immer noch damit beschäftigt, wenn das quicklebendige Fischlein längst anmutig von dannen geschwommen ist.

Die Äschen finden beim Fischerei-Verein gute Bedingungen.

Mehr als ein Hobby

Christian Schwendener ist seit 1995 im Fischereiverein Werdenberg aktiv. Bevor er zusammen mit Marc Eggenberger im März 2023 das Präsidium übernommen hat, durchschritt der gelernte Drechsler, der in Sevelen den Einmannbetrieb seines Vaters weiterführt, praktisch alle Vereinsfunktionen. Dabei eignete er sich ein riesiges und wertvolles Fachwissen über die Fischerei, die hiesigen Fischarten und deren Lebensräume an. Aus einem Hobby ist längst eine Herzensangelegenheit geworden. Nur dank seiner beruflichen Selbstständigkeit kann der 58-Jährige unzählige Stunden für den Verein und die aquatischen Lebewesen und deren Lebensraum aufbringen. Dafür muss sein Beruf nicht selten hinter dem ehrenamtlichen Engagement zurückstehen. Der 1895 gegründete Fischereiverein Werdenberg mit seinen etwa 300 Aktiv- und Passivmitgliedern sowie Jungfischern kann sich auf ein starkes Team verlassen, wenn es um regelmässige oder spontane Arbeitseinsätze wie Abfischen und Besetzen der Aufzuchtgewässer, den Laichfischfang, die Bewirtschaftung der Vereinsgewässer sowie die Gewässeraufsicht geht. Ausserdem sind sieben Zweierteams abwechslungsweise rund zwei Stunden täglich mit der Betreuung der Fische und dem Unterhalt der Fischzuchtanlage beschäftigt. So kommen mit Sondereinsätzen und der Jugendarbeit jährlich Tausende von Frondienststunden zusammen.

Rundstrombecken wird das Wasser mit Sauerstoff angereichert. Die Anlage ist mit einem Elekt-rozaun umzäunt um die Fische vor Fischottern zu schützen.

Empfindliche Edelfische

Vor bald 35 Jahren hat der Werdenberger Fischereiverein am Böschengiessen in Sevelen, als schweizweit einziger Betrieb, mit der Zucht von Äschen angefangen. In der durch Grundwasser aus dem Giessen gespiesenen Anlage fanden die empfindlichen Wassertiere, unberührt von Einflüssen durch Industrie und Landwirtschaft, den perfekten Lebensraum. «Äschen sind extrem heikel. Im Vergleich beispielsweise zu Bachforellen, reagieren sie empfindlich auf Stress und auf schlechte Wasserqualität. Die Edelfische stehen auf der Roten Liste und gelten inzwischen als stark gefährde-te Tiere. Es gibt deshalb im Kanton St. Gallen nicht viele, die Äschen züchten», weiss der Züchter, der sich im Laufe der Zeit ein breites Fachwissen angeeignet hat. Erstes Wissen über die Abläufe in der Zucht von Äschen, vom Streifen bis zum heranwachsenden Brütling und worauf man achten muss, holte sich der Werdenberger Fischereiverein in einer Zucht in Bayern. Mit der Erfahrung kamen auch die ersten Erfolge: Bald konnte er nicht nur den umliegenden Vereinen, sondern schweizweit Jungäschen verkaufen. Mit viel Herzblut, grossem Engagement und einem Aufwand von bis zu 30 000 Franken im Jahr für Infrastruktur, Unterhalt und Nebenkosten, Spezialfischfutter sowie kleine Entschädigung für die Einsätze der Mitglieder, konnte der Verein das Aussterben der Edelfische in der Schweiz verhindern.

In der Brutanlage werden die Fische in «Zugergläser» und Langstrombecken aufgezogen.

5000 Fische verenden

«Die ersten fünf Jahre waren Lehrjahre, doch ausgelernt hat man nie», ist die Erkenntnis von Christian Schwendener nach über drei Jahrzehnten Zuchterfahrungen. Nachdem sich die Fische im Gewässer am Böschengiessen in Sevelen pudelwohl gefühlt haben, folgte am 16. Juli 2022 der schwärzeste Tag in der Geschichte der Zuchtanlage. Durch die anhaltende Trockenheit und die Aufstauung des Bachs stieg die Wassertemperatur auf über 20 Grad. Dadurch sank der Sauerstoffgehalt in der Nacht plötzlich unter den kritischen Wert, was zum Tod von etwa 5000 Muttertieren und Jungäschen führte. «Es brach uns das Herz, die toten Fische, die wir jahrelang mit viel Hingabe aufgezogen haben, zur Kadaververbrennung bringen zu müssen», berichtet Schwendener, während seine Augen bei diesen Erinnerungen feucht werden. Nach dem Unglück, bei dem kaum 1000 Fische überlebten, stellten sich die Vereinsmitglieder die Frage: aufgeben oder weitermachen? Und sie machten weiter mit ihrem Herzensprojekt. Doch nachdem sie nahezu ihren gesamten Fischbestand verloren hatten, wurde klar, dass eine Fortführung der Äschenaufzucht mit reinem Bachwasser und ohne finanzielle Investitionen nicht mehr möglich war. Dank grosszügiger Unterstützung durch Sponsoren konnten eine Photovoltaikanlage und weitere Verbesserungen realisiert werden.

Für die Betreuung der Fische und den Unterhalt der Anlage braucht ein Zweierteam täglich rund zwei Stunden.

Biber und Fischotter

Der Bau einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, einer neuen stromsparenden Grundwasserpumpe mit regulierbarem Durchfluss sowie Anlagen zur Erwärmung, Sauerstoffanreicherung und Pegelstandüberwachung sicherten die Zukunft der Fischzucht am Böschengiessen in Sevelen; doch Christian Schwendener hat noch andere Sorgen: «Wir haben nur noch etwa 400 Äschen in der Anlage. Es wird immer schwieriger, zu züchten. Um den Weibchen die Eier und den Männchen die Samenzellen aus dem Bauch zu streifen, müssen beide gleichzeitig laichreif sein. Das ist normalerweise im März. Doch immer häufiger passiert es, dass die männlichen Äschen noch nicht so weit sind», bedauert er. Auch die Biber, die 2020 das Werdenberg als attraktiven Wohnraum für sich entdeckt haben, machen den Fischfreunden mit ihren emsigen Bautätigkeiten in den Gewässern arg zu schaffen. Seit Kurzem lauern neue, hungrige Gäste in der Zuchtanlage: Wie Videoaufnahmen verraten, haben Fischotter an den Bewohnern ein «gefundenes Fressen» entdeckt. Ein Elektrozaun rund um die Anlage hat den ungebetenen Gästen jedoch schnell einen Riegel vorgeschoben. Christian Schwendener fällt es oft schwer, wenn sein Engagement für die Wasserbewohner von der Öffentlichkeit unbeachtet bleibt. «Im Gegensatz zur Landwirtschaft werden wir oft übersehen. Viele Leute vergessen, dass unter Wasser auch Lebewesen wohnen.»

Die Fischzucht des Fischereivereins Werdenberg

Die Aufzuchtanlage des Fischereivereins Werdenberg für einheimische Äschen und Bachforellen wird mit Bachwasser aus dem «Böschni» versorgt. Sie besteht aus je sechs Rundstrombecken und Hälterungsgräben mit circa 170 000 Liter Wasser. In der Brutanlage werden die Fische in Zugergläsern und Langstrombecken aufgezogen. Zuerst werden den geschlechtsreifen Fischen vorsichtig die Eier und Samen abgestreift und anschliessend die Eier befruchtet. Danach werden diese in spezielle Zugergläser gelegt, wo sie etwa nach 14 Tagen schlüpfen. Nach dem Schlüpfen verbleiben die Fischlarven vorerst in den Langstrombecken, wo sie sich von ihrem Dottersack ernähren. Zwei bis drei Monate später, sobald dieser aufgebraucht ist, werden die jungen Fische mit Spezialfutter gefüttert und in ein Rundstrombecken, wo sie mehr Platz zum Schwimmen und Wachsen haben, gezügelt. Während der Zeit, in der sich die Lebewesen vom Larvenstadium über die Phasen der Brütlinge und Strecklinge zu jugendlichen Fischen entwickeln, sind sie besonders anfällig auf Krankheiten und Stressfaktoren wie veränderte Wasserbedingungen. Da auch die Brutanlage mit Bachwasser betrieben wird, müssen sie sich im neuen Gewässer nicht an andere Wasserparameter gewöhnen. Im Herbst, wenn die Jungfische eine bestimmte Grösse erreicht haben, werden sie entweder in natürliche Gewässer ausgesetzt oder zur Bestandsicherung und genetischen Auffrischung dem Muttertierbestand zugeführt. rr.

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