«Man muss auch Kompromisse eingehen»

Der St.Galler Bauernverband hat seit März sein eigenes Ökobüro. Mit der Fachstelle für Landwirtschaft, Umwelt und Natur (Falun) sollen die Bedürfnisse im Schnittbereich zwischen Landwirtschaft und Ökologie abgedeckt werden. Co-Geschäftsführerin Lidia Groppo erklärt im Interview welche Aufgabe und Ziele die Fachstelle hat.

Am 1. März hat die neue Fachstelle für Landwirtschaft, Umwelt und Natur (Falun) in Flawil den Betrieb aufgenommen. Lidia Groppo hat Umwelt Umweltingenieurwesen und Raumentwicklung studiert. Sie teilt sich mit Peter Schweizer die Geschäftsführung. Er ist Meisterlandwirt und hat ebenfalls ein Studium im Umweltingenieurwesen abgeschlossen.

Lidia Groppo, Falun
Lidia Groppo ist Co-Geschäftsführerin der Fachstelle für Landwirtschaft, Umwelt und Natur (Falun).

Frau Groppo, wie ist Falun gestartet?

Lidia Groppo: Ich bin zufrieden. Nebst den klassischen Aufbauarbeiten kommen tröpfchenweise Aufträge im Bereich Landwirtschaft herein. Längerfristig haben wir auch das Ziel, mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten zu können und Aufträge von den Gemeinden zu erhalten. Ebenfalls sind wir daran, die Kanäle auf den sozialen Medien aufzubauen.

Mit welchen Anliegen kommen Landwirte auf die Fachstelle zu?

Groppo: In Zusammenhang mit den neuen Direktzahlungsprogrammen gibt es einige Anfragen. Es gibt auch Biobauern, die bei Änderungen auf uns zukommen. Das sind immer auch Chancen, den ganzen Betrieb anzuschauen und die Landwirte entsprechend zu beraten.

Sie und Peter Schweizer sind die einzigen Mitarbeiter von Falun und teilen sich die Geschäftsführung. Wie sind die Aufgaben verteilt?

Groppo: Ich bin die primäre Anlaufstelle bei Anfragen, die Anrufe landen alle bei mir. Je nach Anfrage und Zeit teilen wir uns die Aufgaben.

 Habt ihr keine Spezialgebiete?

Groppo: Von der Ausbildung her bin ich bei der Raum- und Landschaftsplanung stark. Peter Schweizer ist Meisterlandwirt. Das ist natürlich ein Vorteil insbesondere bei der Kommunikation mit Landwirten.

Was macht Falun genau?

Groppo: Unsere Interessen sind breit abgestützt. Wir befassen uns mit dem landwirtschaftlichen, ökologischen und planerischen Aspekt der Betriebe. Wir haben eine breite Palette an Aufgaben, die wir übernehmen können, beispielsweise Beratungen in verschiedenen Bereichen. Unser grosses Anliegen sind natürlich schon Beratungen mit Fokus auf Biodiversitätsförderung.

Wie finanziert sich diese Fachstelle?

Groppo: Zum Start haben wir ein Budget des Ökofonds des St.Galler Bauernverbands erhalten. Unser Ziel ist es, die Fachstelle durch Aufträge, die wir generieren selbsttragend zu finanzieren.

Der Landwirt, der euch engagiert, bezahlt euch direkt?

Groppo: Das ist so. Zu erwähnen ist diesbezüglich, dass Mitglieder des St.Galler Bauernverbands von einem günstigeren Tarif profitieren können. Der SGBV bezahlt die Differenz. Gemeinden oder private Auftraggeber bezahlen den Standardtarif.

Hat es auf dem Markt nicht schon genug Ökobüros?

Groppo: Es ist ein bekanntes Problem, dass gerade im Bereich Landwirtschaft die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Ökologie und Landwirtschaft nicht immer gut läuft. Vielfach liegen die Gründe in der Kommunikation und nicht weil man unterschiedliche Vorstellungen hat. Viele Ökobüros sind stark auf den Naturschutz-Aspekt fokussiert und bringen kaum Verständnis für die Landwirtschaft mit. Der Landwirt soll ja gerne mitmachen und seine Flächen so pflegen, wie es auch ökologisch sinnvoll ist.

Falun spricht also die bäuerliche Sprache?

Groppo: Das ist eines der Hauptanliegen von Falun.

Ist es das, was euch von anderen Ökobüros unterscheidet?

Groppo: Ja.

 Das Wort Ökobüro löst bei manchen Bauern gemischte Gefühle hervor. Für die einen sind es die «Grünen», Besserwisser oder Verhinderer. Sind das Vorurteile?

Groppo: Um gute Lösungen hervorzubringen, muss man auch Kompromisse eingehen. Unserer Meinung nach ist ein guter Kompromiss für die Natur letztendlich besser, als wenn man stur die Blockaden aufrechterhält. Das Gespräch mit den Landwirten entwickelt sich meist positiv. Es sind wirklich nur Vorurteile.

Was sind im Moment die dringendsten ökologischen Herausforderungen in der Landwirtschaft?

Groppo: Da gibt es natürlich einige, aber in den nächsten Jahren wird die ganze Gewässerraumgeschichte ein Thema sein. Viele Landwirte haben Angst davor, weil doch viele landwirtschaftlichen Flächen davon betroffen sind.

Inwiefern hat Falun mit den Gewässerraumausscheidungen zu tun?

Groppo: Es ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Wir verstehen die Ängste der Landwirte, wir kennen die Zusammenhänge und können als Vermittler zwischen Gemeinden und Landwirtschaft Hand bieten.

Lidia Groppo, Falun
In Zusammenhang mit den neuen Direktzahlungsprogrammen gibt es auf der Fachstelle einige Anfragen.

Biodiversität versus intensive Landwirtschaft: Ist das möglich?

Groppo: Wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg. Bei grossen intensiv bewirtschafteten Flächen ist es schwierig die Biodiversität zu fördern. Aber auch dort gibt es Möglichkeiten, beispielsweise am Rand der Fläche. Dort kann man Strukturen anlegen und kleine Inseln zu schaffen. Es gibt einige Studien die belegen, dass auch auf Kleinstfläche Einiges für die Biodiversität gemacht werden kann. Auf kleinstrukturieren Betrieben ist es aber sicher einfacher.

Was verbindet Sie persönlich mit der Landwirtschaft?

Groppo: Ich bin am Stadtrand von Zürich aufgewachsen. Mit den Landwirten habe ich mich immer gut verstanden. Ich war seit der Sekundarschule bis zum Studium in einem Verein der einen Quartierhof führte. Wir zeigten den Leuten aus der Stadt den Hof. Auch sonst war ich viel auf Bauernhöfen. Das hat mir Freude gemacht.

Hatte das Erlebnis Einfluss auf Ihre Studienwahl?

Groppo: Auf jeden Fall. Ich ging auch für einen Bauern aus Höngg auf den Markt. Es gab viele gute aber auch kritische Gespräche mit der Kundschaft. Ich setzte mich mit der Materie auseinander und lernte zu Argumentieren. Das war eine wertvolle Zeit für mich.

Interview: Melanie Graf, Redaktion

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link