Evakuation von Nutztieren

Manchmal müssen Feuerwehrleute Nutztiere evakuieren. Das ist eine grosse Herausforderung – denn vielen fehlt die Erfahrung im Umgang mit Kuh und Co. Damit die Feuerwehrfrauen – und Männer wissen, was im Notfall zu tun ist, finden Tierrettungsübungen statt – so wie in Flawil.

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Die Evakuation von Nutztieren muss geübt werden.

 

Es gibt Ereignisse, bei denen man hofft, dass sie nie eintreten. Ein Brand beispielsweise. Ein in Flammen stehender Heustock und Tiere, die sich noch im Stall befinden, ist ein Alptraum für jede Bäuerin und jeden Bauer.

Die Frauen und Männer der Feuerwehr wissen, was zu tun ist, wenn es brennt. Doch viele von ihnen haben selten mit Grosstieren zu tun, sie hatten vielleicht noch nie mit einer Kuh oder einem Pferd Kontakt. Damit Feuerwehrleute wissen, wie man im Notfall Nutztiere evakuiert, werden sie in Übungen instruiert und geschult. Kürzlich fand eine solche Übung im Weiler Raaschberg bei Flawil statt. 60 Angehörige der Feuerwehr Flawil gingen bei Landwirt Stefan Lenggenhager und im Pferdestall der Familie Gemperli mit Kuh und Pferd auf Tuchfühlung.

Umgang mit Pferden

Pferde sind Fluchttiere. Wittern sie Gefahr, können sie panisch reagieren. Das macht sie unberechenbar.

«Man sollte die Evakuation von Pferden wenn möglich tiererfahrenen Personen überlassen», erklärt Feuerwehrunteroffizier Simon Gasser einer Gruppe von Feuerwehrleuten. Doch nicht immer ist der Tierhalter vor Ort oder es ist keine andere erfahrene Person zugegen, dann müssen die Feuerwehrleute selbst die Tiere aus ihrer misslichen Lage befreien.

Man sollte die Evakuation von Pferden wenn möglich tiererfahrenen Personen überlassen.

Um dies zu üben, stellte Pferdehalterin Anja Gemperli ihre Freibergerstute und ihren Haflingerwallach zur Verfügung. Sie und Jeannette Fitze, Haflingerzüchterin aus Flawil, zeigten den Feuerwehrleuten, wie sie mit den sensiblen Tieren umgehen sollen.

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Die Feuerwehrleute erhalten Instruktionen.

Die Frauen und Männer der Feuerwehr lernten, wie sie dem Pferd eine Halfter anlegen und wie sie das Tier ins Freie führen müssen. «Man muss keine Angst vor Pferden haben, aber Respekt. Sprecht mit dem Pferd und handelt entschlossen», sagt Simon Gasser. «Entfernt die Pferdedecke, diese könnte schnell Feuerfangen.» Das Pferd könnte auch wegen den reflektierenden Streifen an der Brandschutzjacke zurückschrecken. Gasser empfiehlt die Jacke vor einer Evakuation abzuziehen.

«Pferde in Gruppenhaltung können zusammen aus dem Stall gebracht werden. Stehen die Tiere einzeln in Boxen, sollten sie auch einzeln herausgeführt werden», sagt Gasser und macht speziell auf die Hengsthaltung aufmerksam. Hengste müssten unbedingt einzeln evakuiert werden. «Und wählt Wege, welche die Pferde kennen.»

«Ist der Boden feucht, kann Sand gestreut werden, damit die Pferde nicht ausrutschen.» Der Unteroffizier machte auch darauf aufmerksam, dass der Aussenplatz gut beleuchtet sein müsse. Wenn eine Evakuation nicht möglich sei, sollte man versuchen, das Tier zu kühlen und den Raum zu belüften.

Nicht einfach das Stalltor öffnen

Rund 100 Meter vom Pferdestall der Familie Gemperli steht Stefan Lenggenhagers Laufstall.

Seine Kühe stehen im Auslauf und beäugen neugierig die vielen Menschen, die im Stall ein und aus gehen.

Im Brandfall könne man nicht einfach das Stalltor öffnen und die Tiere ins Freie laufen lassen, informiert Unteroffizier Silas Röthlisberger seine Gruppe.

Man müsse die Kühe auf eine eingezäunte Weide treiben. Zum einen sei es gefährlich für Menschen und Kühe, wenn die Tiere unkontrolliert frei herumlaufen. Sie stellen eine Gefahr für die Einsatzkräfte, Passanten und den Strassenverkehr dar. Zudem könnten die Tiere in ihrer Panik einen Abhang herunterstürzen. «Zum anderen haben wir nicht die personellen Ressourcen die Tiere wieder einzusammeln», so Röthlisberger.

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Die Feuerwehrleute gehen auf Tuchfühlung mit Kühen.

Wie beim Pferd müssen auch Kühe über einen Weg ins Freie getrieben werden, den sie kennen und womöglich jeden Tag nutzen. «Bei der Evakuation sollte eine Fachperson beigezogen werden. Am besten ist das der Landwirt selbst. Er kennt seine Tiere», so der Unteroffizier. Milchkühe aus einem Laufstall zu retten ist noch relativ einfach. Röthlisberger wies darauf hin, dass es noch andere Haltungsformen, wie beispielsweise Mutterkuhhaltung, gäbe, denen Rechnung getragen werden müsse. Er empfahl, die Evakuation eines Stieres immer dem Landwirt zu überlassen.

Freilaufende Tiere stellen eine Gefahr für die Einsatzkräfte, Passanten und den Strassenverkehr dar. Zudem könnten die Tiere in ihrer Panik einen Abhang herunterstürzen.

Einen Stier besitzt Stefan Lenggenhager nicht. Aber Kühe zum Üben.

Vier seiner Kühe hat er mit einer Anbindevorrichtung angebunden, die in Anbindeställen zum Einsatz kommen. Er erklärte den Feuerwehrleuten, wie sie die Ketten und Schwanzschnüre lösen können. Danach wurden die Kühe in einem Gang nach draussen getrieben.

Spezialfall Schweine

Schweine in einem Brandfall nach draussen zu bringen, ist wohl eine der grössten Herausforderungen. Während Kühe sich in der Regel gewohnt sind, nach draussen getrieben zu werden, suchen Schweine instinktiv Schutz im Stall – auch wenn dieser in Vollbrand steht.

Das Retten von Schweinen wurde von Unteroffizier Patrick Obregon und Adrian Büchler in der Theorie erläutert. «Auch wenn Schweine relativ klein sind, können sie Menschen beissen und über den Haufen rennen», sagt Adrian Büchler. Treibgänge, die eine Lücke aufweisen müssen geschlossen werden. Denn das Schwein drücke sich durch den Spalt hindurch.

Es ist immer die vorderste Box zuerst zu öffnen und dann nach und nach die nachfolgenden. «Bei einem Eber stülpt man am besten einen Eimer über den Kopf. Das Tier will dem Eimer ausweichen. So lässt er sich rückwärts zum Stall hinaus bringe», so Büchler, «eine Garantie dafür, dass dieser Trick klappt, gibt es aber keine.»

Zum Glück kaum Brände

Evakuationen von Nutztieren in einem Brandfall kommen sehr selten vor, weiss Reto Germann, Themenverantwortliche für die Übung auf dem Raaschberg. Die Übungen simulieren den Optimalfall. Sollte es doch mal zu einem Brand kommen, wisse man nicht, welche Situation man auf dem Hof antreffe. Wenn die Feuerwehr in Zusammenhang mit Nutztieren gerufen werden, sei es meist, weil ein Tier in den Güllekasten gefallen sei oder den Kopf irgendwo eingeklemmt habe. Zum Glück.

Nutztiere evakuieren – Tipps für den Landwirt
Viele Höfe liegen abgelegen. Wenn es mal brennt, kann es gut sein, dass die Gebäude im Vollbrand stehen, bis die Feuerwehr eintrifft. Tiere sollten aber auch evakuiert werden, wenn Gebäude in der Nähe brennen. Aber auch ohne vom Schlimmsten auszugehen, kann es sich lohnen, auf dem eigenen Betrieb Fluchtwege und Evakuierungsmassnahmen zu definieren.

  • Eigene Sicherheit geht vor
  • Familie und Mitarbeitende im Betrieb instruieren
  • Rettungskorridore definieren
  • Nach Aussen öffnende Tore montieren
  • Eventuell eine Hofbegehung mit der örtlichen Feuerwehr organisieren
  • Hindernisse vermeiden
  • Glatte Böden sanieren
  • Tiere haben Angst vor Unbekanntem, dem ist Rechnung zu tragen
  • Tiere brauchen Zeit, um sich an neue Lichtverhältnisse gewöhnen
  • Wege gut Ausleuchten
  • Aussenplatz gut beleuchten
  • Reflektierende Wasserpfützen vermeiden
  • Keine Reflektierenden jacken tragen

380 Tierrettungen im Jahr
Tierrettungen gehören zur Grundausbildung von Feuerwehrleuten. Der Sicherheitsverbund Region Gossau, zu dem Degersheim, Gossau, Waldkirch und Flawil gehört, organisiert fünf Mal jährlich eine Übung mit Tieren. Im Kanton St.Gallen gab es 2020 380 Tierrettungen (54 Personenrettungen). Gesamtschweizerisch waren es 2139 Tierrettungen (3818 Personenrettungen). In die Statistik fliessen Tierarten mitein. Das Material für Tierrettungen bei der Feuerwehr ist begrenzt. Als Partner kann dann der Grosstier Rettungsdienst (GTRD) zum Einsatz kommen. meg.

 

 

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