Bäuerinnentagung in St. Peterzell

Fröhlich gestimmte Frauen aus der Region trafen sich in der Mehrzweckhalle St. Peterzell, um einen gemeinsamen Nachmittag zu verbringen. Im Zentrum stand das Referat der Bäuerin und Mediatorin Andrea Joss aus Magden.

Hemberger Bäuerinnen unterhalten sich kurz vor Beginn der Tagung in der Mehrzweckhalle St. Peterzell.
Hemberger Bäuerinnen unterhalten sich kurz vor Beginn der Tagung in der Mehrzweckhalle St. Peterzell.

Am ersten Tag des Frühlingsmonats stand für Bäuerinnen und Landfrauen aus einem Teil des Neckertals sowie aus den benachbarten Gemeinden eine Fahrt nach St. Peterzell auf dem Programm. Organisiert durch den Landfrauenverein St. Peterzell-Wald, durfte ein gemütlicher Nachmittag mit fröhlichen Darbietungen, Musik, Gesang, aber auch einem Referat, das Einblick in eine nicht alltägliche Lebensgeschichte bot, genossen werden.

Die Präsidentin des organisierenden Vereins, Tamara Züst, und ihr Team sorgten nicht nur für einen liebevoll geschmückten Saal und kulinarische Genüsse, es wurde auch ein abwechslungsreiches Programm geboten. Das Thema Lichtblicke zog sich durch den ganzen Nachmittag. Ob beim gemeinsamen Singen des Bäuerinnenliedes, der bebilderten Tour durch die Gemeinde Neckertal, präsentiert von Gemeindepräsident Christian Gertsch, dem Auftritt des Neckichörli unter der Leitung von Monika Kuratli, den Einlagen der Landfrauen oder der Lebensgeschichte von Andrea Joss – Lichtblicke waren garantiert.

Vom Traum zum Alptraum

Mit beeindruckender Offenheit gab die Bäuerin und Mediatorin aus Magden im Kanton Basel-Landschaft Einblick in ihr Leben. Mit der Heirat eines Bauernsohnes glaubte sie, einen Traum verwirklichen zu können. Doch es kam anders: Ihr Leben bestand aus Arbeit, es gab keine Freiräume und kein Privatleben, dafür Einschränkungen und Vorschriften durch den dominanten Schwiegervater, und all dies auf einem Hof, der kilometerweit von der nächsten Siedlung entfernt lag.

Drei Kinder und der Aufbau einer eigenen Hofbäckerei, zusätzlich die Bewirtschaftung von 40 Hektaren Land und die Haltung von 20 Milchkühen forderten die ganze Kraft. Dazu die ständigen Auseinandersetzungen mit den Schwiegereltern und einem Ehemann, der sich nie klar auf die Seite seiner Ehefrau stellte. «Dies hat so viel Kraft gekostet, dass ich eines Tages einfach nicht mehr konnte», erwähnte Andrea Joss. Dass sie 2011, nach 15 Jahren Ehe, die Trennung wagte, war nicht einfach. Es folgten das Betretungsverbot des Hofes, ein sieben Jahre dauernder Scheidungskrieg, Existenzängste, aber auch neue berufliche Perspektiven. Zuerst die Ausbildung zur Sachbearbeiterin Treuhand, dann das Studium zur Mediatorin.

Versteckte Wünsche

Als Mediatorin hat die Referentin Einblick in unzählige menschliche Schicksale und weiss, dass «schlichten statt richten» bessere, raschere und preisgünstigere Lösungen bringen kann. An einer Erkenntnis liess sie die anwesenden Frauen teilnehmen: «Probleme sind versteckte Wünsche» oder anders ausgedrückt: «Wenn eine Frau ein Problem damit hat, dass ihr Mann nie Blumen mit nach Hause bringt, ist es doch so, dass sie sich Aufmerksamkeit und gelegentlich einen Blumenstrauss wünscht.» Für die Referentin ist klar, dass es unzählige Beispiele unterdrückter Wünsche gibt, und deshalb sei eine neutrale Konfliktbehandlung oft hilfreich. Ob bei Generationenkonflikten, bei klaren Regelungen im Zusammenhang mit der Hofübergabe oder Unstimmigkeiten mit Behörden: «Warten Sie nicht, bis es knallt, haben Sie den Mut und machen Sie den ersten Schritt.»

Das Neckichörli, unter der Leitung von Monika Kuratli, begeisterte mit erfrischend vorgetragenen Liedern.
Das Neckichörli, unter der Leitung von Monika Kuratli, begeisterte mit erfrischend vorgetragenen Liedern.

Zurück auf dem Hof

Die Lebensgeschichte von Andrea Joss nahm, kaum hatte sie ihre Ausbildung zur Mediatorin abgeschlossen, eine unerwartete Wende. Ihr Ex-Mann starb, die Kinder waren noch nicht so weit, um den Hof zu führen, und so packte die Frau erneut tatkräftig an. «Ich pachtete den Hof von meinen Kindern, habe die Weiterbildung Direktzahlungen gemacht und diese im Sommer 2021 abgeschlossen.» Ihr Sohn und eine ihrer Töchter haben ebenfalls die Landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Die Tochter hat die Hofbäckerei mit den Angestellten übernommen und führt diese nun in eigener Regie. Die zweite Tochter ist auf dem Weg zur Rechtsanwältin und der Sohn bereitet sich, mit der Sammlung von Erfahrungen auf anderen Betrieben, auf die Hofübernahme vor.

Unerwartet ist es Andrea Joss auch gelungen, sich mit ihrem Schwiegervater zu versöhnen, während dies mit der Schwiegermutter, diese verstarb fast zur gleichen Zeit wie der Ex-Mann, nicht mehr möglich war. «Allerdings hatte ich vonseiten der Schwiegermutter viel Unterstützung, doch sie musste während meiner Zeit auf dem Hof mit ihrem Ehemann klarkommen, und dies war auch für sie nicht einfach», so ihr Blick zurück auf eine schwierige Zeit.

 

Traditionell und modern

Mit ihren Auftritten zeigten die Landfrauen aus St. Peterzell und Wald in humorvoller Art, wie das moderne und das traditionelle Landleben verbunden werden können. Die junge Bäuerin bringt Schwung auf den Hof, und auch die Schwiegermutter entdeckt, dass einkaufen in der Grossstadt durchaus reizvoll sein kann. Traditionelle Lieder gab es vom Neckichörli. Die Mädchen, unterstützt von zwei Buben, sangen fröhliche Lieder. Moderne Musik, die nicht nur zum Tanz auf der Bühne, sondern auch zum Mitklatschen durch das Publikum führte, rundeten den fröhlichen Teil ab.

Die mit Oberhelfenschwil und Hemberg erst jüngst vergrösserte Gemeinde Neckertal hat, wie Gemeindepräsident Christian Gertsch aufzeigte, vieles zu bieten. Sei es landschaftlich oder kulturell, aber auch dank innovativer Bewohnerinnen und Bewohner in den 18 Dörfern und Weilern. Petra Artho, Präsidentin des Kantonalen Bäuerinnenverbands, bezeichnete die Bäuerinnen und Landfrauen als «Lichtblicke der Gesellschaft». Sie rief die Anwesenden dazu auf, auch in schwierigen Zeiten die kleinen Lichtblicke des Alltags bewusst zu geniessen.

Szene aus einem der Auftritte der Landfrauen: Die Seniorbäuerin kehrt vom Einkauf in der Grossstadt zurück.
Szene aus einem der Auftritte der Landfrauen: Die Seniorbäuerin kehrt vom Einkauf in der Grossstadt zurück.

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