Digitales Fasten: Bye bye Handy?

Smartphones & Co. beherrschen den Alltag. App, Telefon, Mails, Facebook, Twitter oder SMS fordern permanent dazu auf, zu reagieren. Die ständige Erreichbarkeit und die Bereitschaft, für soziale Netzwerke offen zu sein, reduzieren die Konzentration auf der Arbeit. Digitale Abstinenz kann hier sinnvoll sein.

Es ist eine Frage der Disziplin, das Handy zu ignorieren. Man kann sein Umfeld daran gewöhnen, nicht ständig erreichbar zu sein. Bild: zVg.
Es ist eine Frage der Disziplin, das Handy zu ignorieren. Man kann sein Umfeld daran gewöhnen, nicht ständig erreichbar zu sein. Bild: zVg.

Auf das Natel ganz verzichten? Das geht gar nicht. Schnelle Erreichbarkeit hat schon Leben gerettet. Es hat gegenüber dem Festnetz viele Vorteile, auf die man auch in der Landwirtschaft nicht verzichten will. Schnelle Informationen gehen eben nur digital. Mobiles Telefonieren von überall ist mit dem Festnetz nicht möglich. Mit dem Smartphone kann man auch texten, alles ist viel einfacher. Was einfach ist, kann auch übertrieben werden. Den Social-Media-Autritt zu löschen ist so befreiend, wie mit dem Rauchen aufzuhören. Viele Nutzer empfinden es als Zwang, ständig das Handy dabei zu haben, Posts zu teilen, zu liken und zu kommentieren. Unter dem Motto «Tschüss Handy» möchten sie es am liebsten beiseitelegen. Wenigstens zeitweise.

Ein paar Stunden nicht im Netz zu sein, löst bei manch einem schon Entzugserscheinungen aus. Ein Zeichen von Mediensucht? Man fürchtet, in die soziale Isolation zu geraten, etwas zu verpassen, wenn das Handy fehlt. Das Phänomen «FoMo», also die Angst, etwas zu verpassen, breitet sich aus. FoMo steht für «Fear of Missing out». Eine gewisse Abhängigkeit geben selbst Betroffene zu, denn sie reagieren gereizt und nervös, wenn sie das Handy für ein paar Stunden nicht nutzen können.

Arbeitsunterbrechungen stören

Der gelegentliche Blick des Landwirts auf das Display unterbricht die Arbeit für Sekunden. Auch ohne sofortige Reaktion auf eingehende Kontakte hat eine Unterbrechung der Arbeit stattgefunden. Um sich wieder nach der Unterbrechung reinzufinden, bedarf es grosser Konzentration, das kostet Ressourcen und Energie. Der Mix von Arbeit und Mediennutzung (Multitasking) funktioniert auf Dauer nicht, man trainiert sich Konzentrationsstörungen an. Die negativen Folgen einer Arbeitsunterbrechung verdrängt man gerne oder unterschätzt sie. Ideal wäre es, wenn das Mobiltelefon gar nicht am Arbeitsplatz ist, denn wenn es vibriert, kreisen die Gedanken nur noch um die eingegangene Nachricht. Wer immer antwortet und immer erreichbar ist, erhält immer mehr Mails, Apps oder Anrufe, so kann man zum Sklaven digitaler Kommunikation werden.

Akustische oder optische Signale zeigen an, wenn auf dem Smartphone eine Nachricht eintrifft. Dann siegt meist die Neugier, man unterbricht die Arbeit und schaut kurz nach, was da gekommen ist. Meist ist es unwichtig und duldet einen Aufschub. Wer sofort reagiert, erweckt beim Sender den Eindruck, viel Zeit zu haben. Es gehört Disziplin dazu, sich durch Apps nicht stören zu lassen, wenn man sich gerade voll auf eine andere Arbeit konzentrieren muss. Beim Arbeiten am Stück erreicht man ein höheres Arbeitstempo und erledigt die Aufgabe schneller.

Wenn sich beim gemeinsamen Mittagessen in der Familie alles ums Handy dreht, ist die entspannte Mittagspause gefährdet. Ist für den Zusammenhalt im Team das persönliche Gespräch nicht wichtiger? Miteinander arbeiten heisst miteinander reden, so entsteht das Wir-Gefühl. Handy-Diät tut gut, damit man den persönlichen Dialog nicht verlernt. Persönliche Gespräche fördern soziale Kontakte und sind meist wirkungsvoller als die Kontakte im Netz. Es geht nicht um die grundsätzliche Ablehnung, sondern Eingrenzung der Handynutzung.

Regelung der Handynutzung

Was soll der Betriebsleiter zulassen, was verbieten, wenn Mitarbeiter zwischendurch ihr Handy nutzen? Für die Frage der Nutzung des Handys ist die juristische Betrachtungsweise allein nicht ausreichend. Er muss mit dem Einwand des Mitarbeiters rechnen, dass die Handynutzung in anderen Betrieben grosszügig geregelt ist. Mitarbeiter, die durch besondere Leistungen positiv auffallen, möchten das Recht haben, zwischendurch ihr Handy zu nutzen. Das ist die Geburtsstunde der Ausnahmeregelungen. Was man dem einen gestattet, kann man bei einem anderen schwer ablehnen. Manche verdrücken sich bei der Arbeit in eine stille Ecke, um ungestört zu telefonieren. Man kann private Handynutzung auch als Arbeitszeitdiebstahl sehen.

Handy-Diät einführen

Die Frage ist, inwieweit sich jeder diszipliniert und das Handy beiseitelegt, um sich voll auf die Arbeit zu konzentrieren. Es bedarf keiner Spielregeln, sondern der Einsicht, dass es so nicht weitergeht. Wer jedem nach Aufforderung seine Handynummer gibt, erhält immer mehr Anrufe. Disziplin und Selbstbeschränkung haben sich bewährt. Der zentrale Schritt ist aber die Selbsterkenntnis, dass man aus der Handy-Abhängigkeit raus muss, um den Stress zu reduzieren. Wenn die Erkenntnis des «Handy-Fastens» Oberhand gewonnen hat, ist der erste Schritt getan. Es ist eine Frage der Disziplin, das Handy zu missachten oder auf «Out-of-office» umzustellen. Man kann auch sein Umfeld daran gewöhnen, nicht ständig erreichbar zu sein.

Bin ich schon abhängig?

Zählt starke Nutzung schon zum Suchtverhalten? Eine gewisse Abhängigkeit geben selbst Betroffene zu, denn sie reagieren gereizt und nervös, wenn sie das Handy für ein paar Stunden nicht benutzen können. In der Einleitungsphase ist die Abhängigkeit noch nicht spürbar. Die Konzentrationsfähigkeit ist noch nicht beeinträchtigt. Die kritische Phase beginnt, wenn man nach Ausreden für die Handynutzung sucht, ungeduldig reagiert, wenn eine erwartete Nachricht ausbleibt. Findet Kommunikation nur noch digital statt, spricht man von der «chronischen Phase.»

Einleitungsphase: Die Gedanken kreisen immer öfter um das Smartphone, es ist immer in Griffnähe, auch bei Tagungen und Treffen mit Berufskollegen. Es gibt fast nur noch digitale Beziehungen. Für die Handynutzung gibt es immer ein Argument.

Kritische Phase: Durch den Verzicht aufs Handy kommt Ungeduld und Nervosität auf. Alles wird der digitalen Kommunikation untergeordnet. Informationen werden nicht mehr bewertet, unkritisch aufgenommen. Die Konzentration leidet.

Chronische Phase: Man hat für nichts anderes mehr Interesse. Kommunikation findet nur noch digital statt. Das Handy beherrscht den Nutzer, der es für unabkömmlich hält.

Unterbruch durch das Handy

– Bis zu acht Mal täglich unterbricht das Handy bei der Arbeit.

– Die Hälfte der Unterbrechungen ist vermeidbar.

– Viele erklären, dass Unterbrechungen Stressoren sind.

– Die meisten Unterbrechungen werden schicksalhaft hingenommen.

– Arbeitsunterbrechungen können den Tagesablauf durcheinanderbringen. rl.

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