Dölf Widmer vom LZSG geht in den Ruhestand

Nach 36 Jahren Wirken im Linthgebiet beginnt für Dölf Widmer ein neuer Lebensabschnitt. In seiner Zeit als landwirtschaftlicher Berater und Lehrer hat er einiges erlebt.

Dölf Widmer
Dölf Widmer vor seinem früheren Arbeitsplatz in Kaltbrunn.

Aufmerksam studiert Dölf Widmer das Papier in seiner Hand. Entscheidet dann, dass dessen Inhalt für die Nachwelt wenig Bedeutung hat und legt es beiseite. Das Papier ist an seinem Zwischendepot nicht alleine. Haufenweise türmen sich dort Unterlagen, allesamt zum Vernichten bestimmt. «In den letzten 36 Jahren hat sich einiges zusammengetragen», bedenkt der Landwirtschaftliche Berater und Lehrer. Einige hundert Hofübergaben hat er eingefädelt, einige tausend Beratungen durchgeführt. Ebenfalls im Einsatz stand er für zahlreiche Alpen. Errechnete Pachtzinsen, schätzte Liegenschaften, organisierte Weiterbildungskurse, begleitete Betriebsumstellungen, machte ungezählte Finanzierungen und Expertenberichte. Nun ist es Zeit, Abschied zu nehmen. Dölf Widmer witzelt: «Mit Beratungen ist jetzt fertig, aber einigen Schulklassen in der Weiterbildung bleibe ich im nächsten halben Jahr noch erhalten.» Nicht zu überhören ist dabei sein unverfälschter Toggenburgerdialekt.

Geboren 1958 und aufgewachsen auf einem Bauernbetrieb in Mühlrüti, ging bereits beim Wechsel in die Oberstufe ein Raunen durchs Dorf. Dölf Widmer besuchte die Sekundarschule. Die Dorfbevölkerung schloss daraus, dass aus ihm kein Bauer wird. Beim Schritt in die Kantonsschule war man sich einig: «Das git emol ä Pfarrer.» Doch es kam anders. Den jungen Dölf zog es nach Zürich an die ETH, um Agronomie zu studieren. Ins Linthgebiet kam er via Bern, wo er damals als Zuchtbuchinspektor für Schafe und Ziegen im Einsatz stand. «Eigentlich wollte ich zurück ins Toggenburg. Als ich die Stelle am damaligen Landwirtschaftlichen Kurszentrum in Kaltbrunn ausgeschrieben sah, entschied ich mich aber anders.» Rückblickend ist er froh darüber. Das Linthgebiet gefällt ihm. Zudem kam nach einigen Jahren dann auch noch der mittlere Teil des Toggenburgs zum Beratungsgebiet dazu.

Mit dem Car auf Hof-Tour

Dölf Widmer erwies sich als vorausschauender Berater. «Ich versuchte immer Trends in der Landwirtschaft früh zu erkennen und den Landwirten näher zu bringen», so sein Bestreben. Auf diese Weise entstand die Linth-Tour. Eine Erfolgsgeschichte, die den Direktvermarktern eine Plattform bieten soll. Spannend sei es auch in den 1990er-Jahren gewesen, als die ersten Laufställe entstanden. «Mit dem Car fuhren wir mit interessierten Landwirten von Betrieb zu Betrieb und schauten uns solche Vorzeigeobjekte an.»

Dölf Widmer
Beim Räumen gilt es Erhaltenswertes und Nichterhaltenswertes zu trennen.

In seiner Zeit als Berater und Lehrer gab es viele schöne Momente. Die Anekdoten die folgten sind zahlreich. Sie alle zu erzählen, würde ein ganzes Heft füllen. Doch eine soll erwähnt sein. Sie ereignete sich während Abschlussprüfungen am Arenenberg. An diesen Abenden gehörte das gemütliche Beisammensein unter den Experten dazu. Auch Witze wurden erzählt. «Was bleibt übrig, wenn ein Prättigauer Bergbauer kremiert wird?», soll einer von Widmers Kollegen gefragt haben. «Der Subaruschlüssel und der Helly Hansen-Reissverschluss», war die Antwort. Das Beste aber ereignete sich am anderen Morgen. Der erste Kandidat der nämlich für die Prüfungen antrat, war just ein Prättigauer. Wohlig eingehüllt in eine Helly Hansen-Jacke. Als dann noch einer der Experten einwarf, mit was für einem Auto er erschienen sei, da hätten sie sich das Lachen, trotz ernstem Berufsauftrag, kaum mehr verkneifen können.

Turbulente Zeiten gemeistert

Da längst nicht alle Landwirte Neuerungen immer gelassen aufnehmen, erlebte Dölf Widmer an manchen Infoabenden auch Gegenwind. Er erinnert sich an die Zeit, als IP eingeführt wurde. Der Tumult sei an einer solchen Veranstaltung gross gewesen, der Ärger offensichtlich. Sein Einsatz für die GaöL-Verträge oder Weiterbildungskurse zum Thema Ökologie brachten ihm den Ruf ein, er sei ein Grüner. Alleine die Tatsache, dass er, wann immer es das Wetter zulässt, mit dem Velo zu seinem Arbeitsort radelt, untermauerte für viele Landwirte diese These. Jahre zuvor hiess es, der Dölf ist ein EU-Turbo. Weil er im Unterricht den EWR-Beitritt thematisierte. Böse ist er den Landwirten deswegen nicht. Er weiss, dass viele gerne am Beständigen festhalten und gesteht: «Ein Stück weit bin ich da ganz ähnlich veranlagt.»

Dölf Widmer
Dölf Widmer am Referieren. Bild: zVg.

In seinem Leben begegnete er auch vielen einflussreichen Menschen. So während seiner früheren Tätigkeit in Bern. Da wohnte er in einer WG mit einem Juristen, der an der Reform des Landwirtschaftlichen Bodenrechts arbeitete. «Daher kenne ich dieses Gesetz wie meine eigene Westentasche», verrät er.

 

Schneller und unbeständiger

Wenn auch Dölf Widmer in seinem Büro nun die Akten aussortiert – viele Erlebnisse und Begegnungen werden ihm erhalten bleiben. Dass er in Zukunft etwas kürzertreten kann, ist ganz in seinem Sinn. «Bis anhin glaubte ich, die gesamte Agrarpolitik zu kennen, aber die Änderungen in der Landwirtschaft folgen immer schneller aufeinander. Die jungen Beraterinnen und Berater können mit dem besser umgehen», ist er überzeugt.

Ein paar angefangene Beratungen werden noch zu Ende gebracht. Dann aber ist Schluss. Langweilig wird es ihm trotzdem nicht. Die Alpen des Linthgebiets die mit einer Alpwirtschaft aufwarten, sollen wieder fleissiger besucht werden. Auch für einige Ehrenämter bleibt jetzt mehr Zeit und für Ausflüge mit seiner Frau Monika, sowie zum Skifahren. Und dann ist da ja noch sein Garten, in dem Gemüse für den eigenen Haushalt und denjenigen der drei erwachsenen Kinder wächst.

 

Dölf Widmer
Dölf Widmer radelt in einen neuen Lebensabschnitt

Bis zur endgültigen Pensionierung im nächsten Sommer bleiben Dölf Widmer noch ein paar Dutzend Agrarpolitik-Lektionen in Flawil und Salez. Deswegen und für letzte Räumungen ist er noch ab und zu im Büro anzutreffen. Insofern steht der Tag noch bevor, an dem er die Türe zu seinem Büro ein letztes Mal schliesst, sich auf sein Velo schwingt und in einen neuen Zeitabschnitt in seinem Leben radelt.

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