Ein Faible für Landmaschinen

Seit ihrer Kindheit wollte Anna Zürn Landwirtin werden. Nun steckt die 18-Jährige mitten in der Ausbildung und wird später den elterlichen Hof in Au übernehmen.

Die junge Landwirtin hat auch grosse Landmaschinen im Griff.
Die junge Landwirtin hat auch grosse Landmaschinen im Griff.

Zwei Enten, die Wasserschildkröte Alicia, die beiden Landschildkröten Anna und Anita, vier Katzen, unter ihnen die rothaarigen Schnurrsula, und Hofhund Barry, neben all jenen geniessen auch noch Goldfische Gastrecht auf dem Emsernhof in Au. Allmählich entwickelt sich der Landwirtschaftsbetrieb der Familie Zürn zu einem Zoo, wo die Nutztiere bald um ihr Domizil bangen müssen. So hat Mutter Judith Zürn ihrer tierliebenden Tochter Anna ein vorübergehendes Kaufverbot erteilt für alles, was kreucht und fleucht. Ausser bei den Goldfischen würde sie allenfalls noch ein Auge zudrücken, weil sie weder Lärm, Dreck noch Arbeit machen. Die 18-jährige Anna Zürn ist das jüngste von vier Geschwistern und steckt mitten in der Ausbildung zur Landwirtin. Ihre 24-jährige Schwester Sonja ist gelernte Hochbauzeichnerin und absolviert zurzeit das Studium zur Bauingenieurin. Dominik, mit 22 der ältere der beiden Brüder, ist Schreiner und der zwei Jahre jüngere Marcel hat eine Ausbildung als Detailhandelsfachmann und absolviert gerade Militärdienst.

Über der Landesgrenze

Der Emsernhof der Familie Zürn liegt am Dorfrand von Au. Die Wiesen mit den Obstbäumen, die Weiden und Äcker grenzen an Berneck sowie an die Ortschaft Heerbrugg, die politisch an die umliegenden Gemeinden aufgeteilt ist und an dieser Stelle zum Gemeindegebiet Au gehört. Neben den 24 bunt gemischten Milchkühen, zwischen zehn und 15 Stück Aufzuchtvieh, sowie den 15 bis 18 Mastmunis betreibt der Betrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 52 Hektaren ausserdem Gemüse- und Ackerbau. Die rund 80 Obstbäume versorgen die Familie vor allem mit Mostobst für den Eigenbedarf. Von drei kleinen Waldstücken in Berneck kommt das Holz für wohlige Wärme im Winter. Die Ortsgemeinde Au ist 1593 durch Teilung des Reichhofs Lustenau in Besitz von Grundstücken gekommen. Das Auer Riet auf österreichischem Staatsgebiet hat heute noch eine Fläche von 210 Hektaren und wird von der Ortsgemeinde an die Landwirte verpachtet. So bewirtschaftet auch die Familie Zürn «ennet der Grenze» Land.

Anna Zürn hat Freude an ihrer ersten Kuh Ivana.
Anna Zürn hat Freude an ihrer ersten Kuh Ivana.

Landwirtin, nicht Bäuerin

Anna Zürn hat ihre Leidenschaft für die Landwirtschaft schon als Kind entdeckt. «Ich konnte mir nie vorstellen, einen Bürojob zu machen. Schon als Kind hatte ich den Wunsch, später mal Landwirtin zu werden, so wie mein Vater. Mit Tieren arbeiten und mit landwirtschaftlichen Maschinen. Klar ist das streng, aber ich bin viel an der frischen Luft, bin mein eigener Chef und kann die Arbeit selber einteilen», schwärmt die junge Frau, die im zweiten Lehrjahr die Schule am Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez besucht. In ihrer Klasse seien von 14 Schülern immerhin fünf junge Frauen. «Viele Leute, denen ich erzähle, dass ich eine landwirtschaftliche Lehre mache, sagen dann: ‚Ah, du lernst Bäuerin.‘ Ich wehre mich dann und stelle klar: ‚Nein, ich lerne nicht Bäuerin, ich lerne Landwirtin.’» So erwies es sich als Glücksfall, dass ausser der Jüngsten keines der Zürn-Kinder Interesse hatte, den Hof später zu übernehmen. Sie hätten zwar mitgeholfen auf dem Betrieb und seien heute noch bereit, anzupacken, wenn ihre Hilfe gebraucht wird, doch Landwirte seien ihre Geschwister nicht. So hat das junge Mädchen mit dem sonnigen Gemüt keine Konkurrenz vonseiten der Geschwister zu erwarten und kann sich voll auf die Zukunft als Chefin vom Emsernhof freuen. Dass sie die Richtige ist für die Stallhosen, bestätigt sich gerade: Vater Zürn ist auf dem Feld am Mähen und weil Anna ihm gerade nicht helfen kann, springt ihr Bruder Marcel ein. Dieser fährt zwar Lastwagen, doch mit modernen Landwirtschaftsmaschinen hat er nicht mehr viel zu tun. Deshalb schwingt sich seine Schwester kurzerhand zu ihm auf den Fahrersitz des Traktors und erklärt die Bedienung des Kreiselheuers.

Vom Zwischenjahr zur Lehrstelle

Der Start ins Berufsleben begann für Anna Zürn mit einem Praktikum. Da ihr Vater zu dieser Zeit gesundheitliche Probleme hatte, machte sie das Zwischenjahr auf dem elterlichen Betrieb. In dieser Zeit musste sie für ein halbes Jahr ins Landwirtschaftliche Zentrum Salez zur Schule. «Das war für mich die schlimmste Zeit. Während die Landwirtlehrlinge nebenan interessanten Fachunterricht hatten, musste ich kochen, putzen und Wäsche waschen lernen. Als ob dies das Wichtigste im Leben ist», empört sich die angehende EFZ-Landwirtin. Doch auch das ging vorbei und als sie bei der Familie Sager in Lömmenschwil ihren ersten Lehrbetrieb fand, sah das Leben wieder bunt aus. Auf dem Betrieb mit Milchkühen, Obst, Gemüse und einem schönen Hofladen lernte die Auszubildende viel Neues und tolle Menschen kennen. Nur der Weg zur Berufsschule in das abgelegene Salez war etwas mühsam. Hatte sie doch fast eine halbe Stunde zu Fuss von zu Hause zum Bahnhof und nach der Zugfahrt vom Bahnhof Salez noch mal einen gleich langen Fussmarsch zum Ausbildungszentrum. Doch das trübte die Freude an ihrer Lehre nicht. Im zweiten Lehrjahr fand sie einen Ausbildungsbetrieb in Haag bei der Familie Rohrer, wo sie deutlich schneller in der Berufsschule ist. Auch dieser Betrieb bietet dem jungen Mädchen die Möglichkeit, neue Sparten der Landwirtschaft kennenzulernen. Ein Höhepunkt war für sie die Jubiläumsviehschau in Salez, wo sie stolz eine hübsche 100 000er-Kuh durch den Ring führen durfte.

Anna Zürn (oben) mit ihrer Familie: Dominik, Judith, Benno, Marcel und Sonja Zürn (von links).
Anna Zürn (oben) mit ihrer Familie: Dominik, Judith, Benno, Marcel und Sonja Zürn (von links).

Ein Kalb zur Letzi

Während ihre Cousine eine Tracht bekam, ihre Schulkolleginnen eine schöne Uhr, ein goldenes Halskettchen oder einen gehörigen Zustupf an die Fahrprüfung oder für eine grössere Reise, wünschte sich Anna von Gotte und Götti zur Letzi ein Kalb. Diese hatten sich wahrscheinlich bereits daran gewöhnt, dass ihr Patenkind etwas anders tickt als andere junge Mädchen. So bekommt sie als Geschenk zur Volljährigkeit von ihren Taufpaten Ivana, das erste eigene Kalb. Viel Freizeit hat Anna neben ihrer Lehre nicht. Sie singt im Chor Chorismatics Widnau, einer Gesangsgruppe Jugendlicher und junger Erwachsener zwischen 16 und 30 Jahren. Daneben nimmt sie Oboenunterricht. Eigentlich würde die musikalische Frau gerne im örtlichen Musikverein mitspielen, so wie ihre Geschwister. Doch für wöchentliche Proben und zahlreiche Auftritte reicht im Moment die Freizeit einfach nicht aus. «Aber das hat alles noch Zeit. Erst kommt die Ausbildung und dann sehen wir weiter», sagt Anna Zürn, die zukünftige Landwirtin vom Emsernhof.

Das letzte halbe Jahr ihrer Ausbildung würde die Rheintalerin gerne auf einem Hof in Irland verbringen. Die Anmeldung hat sie bereits gemacht. Nun heisst es Geduld haben, bis der Bescheid kommt. Was sie nach der Lehre noch machen möchte, bevor die Zeit gekommen ist, in die väterlichen Fussstapfen zu treten, darüber hat sie sich noch nicht allzu viele Gedanken gemacht. Auf jeden Fall den Betriebsleiter machen, eventuell auch den Meisterlandwirt und vielleicht nach Kanada oder Neuseeland reisen. Die erst 18-Jährige hat noch viel Zeit, um Träume zu verwirklichen und die Zukunft zu planen.

 

Der Betrieb der Familie Zürn liegt am Dorfrand von Au.
Der Betrieb der Familie Zürn liegt am Dorfrand von Au.

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