Die optimale Führung im Familienbetrieb

Führung im kleinen Familienbetrieb bedeutet heutzutage vor allem «Coachen», und nicht mehr das autoritäre Chefverhalten früherer Zeiten. Der Landwirt versteht es, ein kleines Team, seine Familie, optimal zu führen. Oft arbeiten noch die Schwiegerkinder in der Saison mit. Sie wollen genauso ernst genommen werden.

Je kleiner das Familienteam, desto einfacher die Führung, der Landwirt kann auf jeden individuell eingehen. Führung sollte man nicht gross spüren, so wie eine Injektion beim Arzt. Führung ist im Kleinbetrieb wie eine Moderation und besteht nicht aus Unterordnung. Jeder hat Einfluss auf Entscheidungen, wird eher gehört, weil es nur zwei oder drei Personen sind: «Klein, aber fein», heisst es. Die Familie sollte sich nicht nur auf einem Fachgebiet auskennen, sondern «Allrounder-Kenntnisse» besitzen, damit sie überall einsetzbar ist. Jeder ist so gut, wie er geführt wird. Freude an der Arbeit und Lust auf Leistung sind für jeden die Antreiber. Am besten sieht sich «der oberste Chef» als Teamleiter, als ein Coach, und nimmt damit eine andere Rolle wahr. In der Familie ist der Landwirt nicht mehr der Chef, der alleine alles festlegt. Er ist Teil des Teams, er führt die Familienmitglieder wie ein Coach das Team beim Fussball. Mitreden, mitentscheiden und mitverantworten, das will jeder im Familienbetrieb. Heute werden vom Chef andere Persönlichkeitswerte erwartet als früher in einer Zeit von Respekt und Gehorsam. Der Nachwuchs, Sohn oder Tochter, möchte flache Hierarchien, kurze Wege, Entscheidungs- und Handlungsspielraum, wie sie in der alten Führung des Betriebs nicht zwingend vorgeschrieben war.

Der Landwirt als Mediator

Weil Konflikte nicht offen ausgetragen werden, erkennt sie der Chef nicht zeitnah. Es gibt kein Frühwarnsystem für Streitereien, so wie es bei einem Wetterumschwung eine Warnung gibt. Nur durch genaues Hinsehen lassen sich Signale, wie zum Beispiel verbale Giftpfeile eines Mitarbeiters, frühzeitig erkennen. Nach der Win-win-Methode wird er dafür sorgen, dass jeder Recht bekommt, niemand sein Gesicht verliert oder sein Selbstwertgefühl einbüsst. Der Landwirt als Coach steht zwischen den Kontrahenten, zeigt beiden Unterstützung und Verständnis für ihre Position. Partei für einen aus der Familie zu ergreifen, wäre ein entscheidender Fehler. Weil die Streithähne Dominanzansprüche stellen, geht das Gefühl der Gleichwertigkeit verloren. Höchste Zeit, dass der Chef sich als Mediator integriert. Ideal ist es, wenn die Parteien selbst eine akzeptable Lösung finden oder wenigstens einen Kompromissvorschlag.

Probleme offen ansprechen

Konflikte, die man verniedlicht, vertuscht oder unterdrückt, tauchen später wieder auf. Sie entstehen oft mit neuen Themen in der Rollenverteilung «Täter» und «Opfer», frühere Vorwürfe werden plötzlich wieder aktuell. Neid entsteht, wenn der Chef eine bestimmte Person bei der Arbeitseinteilung bevorzugt, weil er sie für geeignet hält. Es darf in der Familie keine «Lieblinge» geben, die eine Sonderstellung geniessen. Das fördert die Eifersucht bei den anderen, die sich benachteiligt fühlen.

Positive Rückmeldung

Auch die Arbeit der Familienangehörigen sollte kontrolliert werden. Für den Landwirt ist es viel schwieriger, jemanden aus der eigenen Familie zu kontrollieren, zum Beispiel die Ehefrau. Denn das Unterordnungsverhältnis kann dabei unbewusst zum Ausdruck gebracht werden: der Ehemann als Kontrolleur und sie die Kontrollierte. Er, der Überlegene und Fachkompetente, und sie, die etwas erledigt hat, das sich der Landwirt anders vorgestellt hat. Art und Häufigkeit der Kontrolle richten sich nach dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe und Kontrollen erfolgen nicht hinter dem Rücken des Betreffenden. Bewährt hat sich die Methode AUGE:

A = Abweichung von Vorgaben bei der Kontrolle feststellen

U = Ursache der Abweichung ermitteln

G = Gespräch zur Verbesserung führen

E = Erreichen der Zielvorgaben prüfen

Gibt es längere Zeit keine Fehler, werden die Kontrollintervalle geändert oder nur Stichproben gemacht, auf lückenloses Kontrollieren verzichten. Werden bei Kontrollen keine Fehler festgestellt, wenn alles «im grünen Bereich» ist, erwartet der Mitarbeiter Anerkennung. Bei Kontrollen mit positiven Resultaten hoffen gerade jüngere und unerfahrene Mitarbeiter auf positive Worte. Insoweit wird auch das Bedürfnis nach Anerkennung aus der Familie erfüllt. Auch Familienmitglieder, die im Arbeitsablauf integriert sind, möchten bei fehlerfeien Arbeiten ausdrücklich gelobt werden. Warum soll sich jemand um fehlerfreies Arbeiten bemühen, wenn er kein positives Feedback erhält?

Wertschätzen und anerkennen

Familienmitglieder freuen sich, wenn sie Wertschätzung spüren. Das motiviert, sich weiterhin einzusetzen. Anerkennung schafft Freude an der Arbeit und erhöht den Einsatz. Wer engagiert ist, freut sich auf die Arbeit und ist motiviert, als wäre er der Chef selbst. Engagement erhöht die Bereitschaft, private Interessen auch zurückzustellen und Mehrarbeit ohne Frust zu leisten. Das Wir-Gefühl, den Zusammenhalt aller Mitarbeiter zu pflegen, gehört zur Betriebsführung. Führung im Familienbetrieb heisst nicht, den Betrieb in einen Streichelzoo zu verwandeln. Es geht mehr um das Mitspracherecht bei Entscheidungen.

*Der Autor ist Betriebswirt

Der Betriebsleiter muss sich als Teil des Teams verstehen und Mitspracherecht aller Mitarbeiter zulassen. Bild: Pixabay
Der Betriebsleiter muss sich als Teil des Teams verstehen und Mitspracherecht aller Mitarbeiter zulassen. Bild: Pixabay

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link