Debi Hertach filzt aus Leidenschaft
Debi Hertach aus dem thurgauischen Hohentannen hat sich vor einiger Zeit das Filzen selber beigebracht. Das Nadel- oder Trockenfilzen ist zu ihrer grossen Leidenschaft geworden. Die Schurwolle, die sie verwendet, stammt grösstenteils noch von ihren eigenen Schafen, die inzwischen aber nicht mehr auf ihrem Hof leben.
«Eigentlich gibt es überhaupt keinen Gegenstand, der nicht gefilzt werden kann», sagt Debi Hertach und zeigt auf einen Hund, den sie zurzeit aus Schafwolle und Hundehaaren mit viel Fingerspitzengefühl anfertigt. Der gefilzte Nova Scotia Retriever, der anhand eines Fotos am Entstehen ist, sieht mit seinem treuen Blick jetzt schon aus wie ein echter Hund. Debi Hertach aus Hohentannen im Kanton Thurgau hat vor ein paar Jahren ihre Leidenschaft für das Filzen entdeckt. Es ist eine ungezähmte Leidenschaft, an der sie viele Leute teilhaben lässt. Unter anderem ist ihre Filzkunst an Ausstellungen in der Umgebung zu sehen und zu kaufen. Debi Hertach fertigt aber auch Gegenstände auf Wunsch ihrer Kundschaft an. Es versteht sich von selbst – jeder Gegenstand ist und bleibt ein Unikat. In ihren Kunstwerken stecken extrem viel Herzblut und ebenso viel Zeit.
In einer Kiste stapelt sich Schafwolle in allen Farben. Da und dort stehen in den Wohnräumen kleine und grosse gefilzte Tiere und Märchenwesen sowie Bilder mit gefilzten Blumen in allen Farben und Formen. Es seien unendlich viele Gegenstände, die sie schon angefertigt habe. Die gelernte Floristin erzählt, dass sie sich das Filzen selber beigebracht hat. «Im Selbststudium durch Youtube-Filme – kurzum: Learning by doing», erklärt sie. Über ein Jahr habe sie im Internet recherchiert und sich informiert. Die Filme, auf die sie gestossen sei, seien meist in einer Fremdsprache – nämlich aus Ländern, in denen viele Schafe gehalten werden, wie beispielsweise Irland, England oder Polen – und mit deren Schurwolle dann gefilzt wird. Über Instagram habe sie ausserdem Frauen gefunden, die ihre Filzarbeiten einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.
Für das Nadelfilzen entschieden
Es gibt zwei Arten, Wolle zu verfilzen: Das Nadel- oder Trockenfilzen und das Nassfilzen. Zum Nadelfilzen werden trockene Filzwolle und eine Filznadel benötigt. Mit der Nadel, an der sich kleine Widerhaken befinden, wird immer wieder in die Wolle gestochen. Dadurch werden die Wollfasern miteinander verbunden. Beim Nassfilzen quellen die Wollfasern durch das warme Seifenwasser auf, und es spreizt sich die oberste Schuppenschicht ab. Durch Reibung und Druck mit den Händen entsteht eine enge Verbindung zwischen diesen Schuppen. Daraus bildet sich allmählich ein fester Stoff. Debi Hertach hat sich für das Trockenfilzen entschieden. Sie hat aber auch schon Gegenstände durch Nassfilzen hergestellt. «Mir gefällt die Art des Nadelfilzens, um Schurwolle zu verarbeiten», äussert sie sich dazu. Zudem könne sie es immer wieder nebenbei machen – es brauche kaum Platz hierfür. Debi Hertach ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern und Pflegemutter von momentan zwei minderjährigen Kindern. Seit 1996 betreut sie auswärtige Kinder kurz- oder langfristig, in Zusammenarbeit mit der Familienplatzierungsorganisation KIDcare. Das sei mit ein Grund, weshalb sie sich für das Nadelfilzen entschieden habe. «Wenn die Kinder in meiner Obhut sind, kann ich nebenbei filzen und meine Arbeit auch problemlos unterbrechen», erklärt sie und ergänzt, dass ein längerer Unterbruch beim Nassfilzen praktisch unmöglich wäre.
Mir gefällt die Art des Nadelfilzens, um Schurwolle zu verarbeiten.
Debi Hertach erzählt, dass ihr Mann Roli und sein Bruder Res einen Gemeinschaftsbetrieb führen. Die beiden haben den Hof vor etwa 30 Jahren von ihren Eltern übernommen – sie führen ihn in zweiter Generation. Hertachs betrieben eine Schweinezucht mit 200 Mutterschweinen, ein sogenannter Kern- und Vermehrungszuchtbetrieb, sowie etwa 30 Hektaren Ackerbaufläche mit Futter für ihre Schweine – unter anderem Mais, Gerste, Weizen und Raps. Da es auf dem Betrieb steiles Gelände zum Bewirtschaften gibt, entschieden sich die Gebrüder Hertach vor sieben Jahre für Schafe. «Wir hatten ungefähr 40 Mutterschafe, unter anderem das weisse Alpenschaf und das schwarz-braune Bergschaf.» Seit ein paar Monaten halten Hertachs keine Schafe mehr – stattdessen hätten sie auf dem Gelände, das schwer mit Maschinen zu bewirtschaften sei, eine Ökowiese angelegt. «Es ist ein glücklicher Zufall gewesen, dass wir Schafe hielten. Da wir die Tiere regelmässig scheren mussten, kam ich nämlich auf die Idee, mit dieser Schurwolle zu filzen», erklärt sie. Noch immer habe sie einen Vorrat an Schurwolle von ihren eigenen Schafen. Diese Schafwolle hat Debi Hertach auswärts waschen und kardieren lassen. Beim Kardieren werden die vormals ungeordneten Wollhaare in eine parallele Anordnung gebracht.
Haare vom Skuddenschaf
Inzwischen verarbeitet die Hohentannerin aber auch Skuddenschafhaare sowie Haare des Walliser Schwarznasenschafes. Diese beiden Wolltypen seien langfaserig – die Schurwolle stamme aus der Region. «Diese langen und gekrausten Schafhaare wasche ich dann selber bei uns zu Hause. Daraus lassen sich beispielsweise Haare für Engel herstellen.» Die Rohwolle färbt Debi Hertach selber ein. «Ich verwende dafür gekaufte Farbe. Denn das eigenhändige Herstellen der Farbe ist wieder ein ganz eigenes Fachgebiet, an das ich mich aber gerne in den nächsten Jahren wagen möchte.»
Ich verwende gekaufte Farbe. Denn das eigenhändige Herstellen der Farbe ist wieder ein ganz eigenes Fachgebiet, an das ich mich aber gerne in den nächsten Jahren wagen möchte.
Debi Hertach verrät, dass sie sich als gelernte Floristin immer wieder von der Schönheit der Natur inspirieren lasse. Die Vielfalt der Formen und die verschiedensten Materialien würden sie immer wieder beindrucken. Auch liessen sich sämtliche Naturmaterialien mit Wolle verbinden. So sei zum Beispiel kürzlich ein gefilztes Blumengesteck mit Schwemmholz entstanden – als Trauerarrangement. Ein solches Blumenbouquet mit Filzrosen ist unvergänglich.
Die Künstlerin aus Hohentannen mag die Abwechslung und ist gerne kreativ. Es sei ihr wichtig, einen gefilzten Gegenstand möglichst naturgetreu wiederzugeben. Zudem sei es auch eine Bereicherung, stets neue Techniken zu entdecken und auszuprobieren. Debi Hertach möchte aber nicht nur ihre künstlerische Ader ausleben. Sie bereitet gerne den Leuten eine Freude und lebt ganz nach dem Motto: «Das will ich mir schreiben im Herz und Sinn, dass ich nicht nur für mich auf dieser Erde bin – dass ich die Liebe, von der ich lebe, auch an andere weitergebe.»