Glücksbringerin im schwarzen Gewand
Elena Ellerkamp aus dem thurgauischen Engelswilen ist gelernte Kaminfegerin. Sie ist glücklich in ihrem Beruf und könnte sich gar keinen anderen vorstellen, obwohl sie nicht ganz freiwillig dazugekommen ist.
Zum Jahreswechsel hin sieht man sie vielerorts: Kaminfeger aus Pfeifenputzern in Topfpflanzen, Kaminfeger aus Marzipan auf Torten, Kaminfeger gegossen in Schokoladeform und Kaminfeger gedruckt auf Neujahrskarten. Der traditionsreiche Beruf des Kaminfegers wird heute noch mit Glück assoziiert. In früheren Zeiten führten ungereinigte Kamine oft zu Bränden. Diejenigen Hausbesitzer, deren Häuser nicht abbrannten, weil die Kamine gekehrt waren – hatten Glück. «Ein Glück, dass der Kaminfeger da war, denn Kaminfeger sorgten schon immer für mehr Sicherheit», äussert sich Elena Ellerkamp dazu. Die 20-Jährige ist Kaminfegerin mit Leib und Seele – zu Hause ist sie im thurgauischen Engelswilen, einer Ortschaft der Gemeinde Kemmental.
Mit ihrer Berufswahl damals hat sich Elena Ellerkamp bestimmt nicht ihren Mädchentraum erfüllt. «Als es in der Oberstufe darum ging, einen Schnupperlehrplatz zu suchen, war ich einfach nicht motiviert», sagt sie. Ihre Mutter sei verärgert gewesen, weil sie sich mit dem Thema Berufswahl nicht auseinandersetzen wollte. Um sie abzuschrecken, habe ihr die Mutter geraten, in einem Beruf zu schnuppern, der körperlich etwas abverlangt. Sie hat gesagt: «Zieh Dir eine Kaminfegerhose an und geh arbeiten.» Tatsächlich hat Elena Ellerkamp dann als Kaminfegerin geschnuppert – und kaum jemand hätte es erwartet – auch schon bald darauf den Lehrvertrag bei Kaminfeger Tanner GmbH in Kreuzlingen unterzeichnet. «Meine Mutter war natürlich enorm überrascht. Und heute ist sie stolz darauf, dass ich Kaminfegerin geworden bin», erzählt Elena Ellerkamp mit einem zufriedenen Lächeln. Die junge Frau hat im vergangenen Jahr ihre dreijährige Ausbildung zur Kaminfegerin EFZ erfolgreich abgeschlossen und arbeitet heute bei Rohner Chämifäger GmbH in Waldkirch. Zum Lehrabschluss erhielt die Kaminfegerin einen schwarzen Zylinder.
Spannender Beruf
Zu ihren Aufgaben zählen in Wohnhäusern primär die periodische Reinigung und Wartung von Feuerungs- und Rauchabzugsanlagen, beispielsweise Öl-, Gas- und Holzfeuerungen. Aber auch Industrie und Gewerbe benötigen die Dienstleistungen der Fachpersonen. Bei jeder Reinigung oder Kontrolle werden die Anlagen auf feuerpolizeiliche und heiztechnische Mängel geprüft. Elena Ellerkamp erzählt, dass zudem die Kundenberatung unter anderem in Bezug auf Brandschutz oder Energiesparmassnahmen zu ihrem Arbeitsbereich gehöre. Ihr Beruf sei abwechslungsreich und spannend zugleich. Zudem schätze sie den Kundenkontakt und lerne dabei auch Orte kennen, die sie sonst wohl kaum besuchen würde. Es sei interessant zu sehen, wie die Leute alle anders wohnen und die Öfen und Heizungen überall verschieden konstruiert sind. «Vom alten Kachelofen bis hin zur modernen Heizung. Ich mag diese Vielseitigkeit.»
Es gehöre für sie einfach dazu, ein gutes Verhältnis zu den Kunden zu pflegen. Für manche sei sie sogar wie eine Art Seelsorgerin. «Sie schütten mir ihr ganzes Herz aus. Ich habe aber auch gerne ein offenes Ohr für ihre Anliegen.» Besonders ältere Leute, die oft alleine sind, seien froh, wenn die Kaminfegerin ins Haus komme. Es sei aber manchmal auch so, dass Leute erstaunt reagieren, wenn eine Frau anstatt eines Mannes zum Reinigen der Heizung erscheint. «Ich muss dann erklären, dass ich ausgebildet bin, was ebenfalls auf Unverständnis stossen kann, weil ich so klein bin.» Sie sei halt nur 154 Zentimeter gross, was allerdings auch Vorteile mit sich bringe. «Ich bin platzsparend und krieche in Heizungen, in die sonst kaum einer kommt», erzählt die Kaminfegerin schmunzelnd.
Es könne sogar in der heutigen Zeit noch vorkommen, dass jemand sie anfassen möchte. Denn etwas Russ oder eine Berührung soll Glück bringen, heisst es. Und schliesslich erlebe kaum ein anderer Handwerker vergleichbar positive Reaktionen, weiss die junge Frau. Auch bei Hochzeiten seien Kaminfeger gern gesehene Gäste, um Spalier zu stehen. Das seien besondere Momente, an einem solchen Anlass als Glücksbringer zu fungieren.
Und wie fühlt es sich an, als Frau bei der Arbeit im Gesicht schwarz zu werden? «Das stört mich überhaupt nicht. Das gehört einfach zu meinem Beruf.» Und letztlich zähle das Duschen zur Arbeitszeit.
Bessere Arbeitsgeräte
Der Kaminfeger-Beruf sei keinesfalls als «Schoggi-Job» zu bezeichnen. Man müsse unter anderem körperlich belastbar und flexibel sein. Manchmal müsse mit schwerem Werkzeug gearbeitet werden. Die Arbeitsgeräte seien aber besser als früher und würden für weniger Staubentwicklung sorgen. Oft werde mit Maske und Schutzbrille gearbeitet. Meist müssten viele Heizungsanlagen am gleichen Tag gereinigt werden. Da sei Flexibilität gefragt, denn oftmals müsse umorganisiert werden, wenn etwas eintrifft, das nicht zu erwarten war. Die strengste Zeit sei jeweils vor und nach der Heizperiode. Veränderungen im Heizsystem seien heutzutage festzustellen. Heute werden öfters Öl- und Gasheizungen durch moderne Wärmepumpen ersetzt. In letzter Zeit werden aber auch immer mehr Häuser mit Kamin- und Holzöfen ausgestattet.
Früher wurde dem Kaminfeger nach getaner Arbeit ein Gläschen Schnaps offeriert, um den Hals zu desinfizieren. Elena Ellerkamp beginnt zu lachen und sagt: «Manchmal werde ich bereits am frühen Morgen von einer Kundin oder einem Kunden gefragt, ob ich ein Schnäpsli möchte. Da lehne ich stets dankend ab.» Schon aus Sicherheitsgründen dürfe dies nicht angenommen werden.
Kaminfeger seien gesucht – es gibt eher zu wenig Fachpersonen. Die Palette an Weiterbildungsmöglichkeiten sei enorm. Beispielsweise könne die Meisterprüfung gemacht werden, aber auch Vorarbeiter oder Feuerungskontrolleure seien gefragte Leute. Kaminfeger sei früher viel mehr ein Männerberuf gewesen, das habe sich aber geändert. «Es gibt immer mehr Frauen, die diesen Beruf erlernen.» In der Berufsschule seien es anfangs sogar mehr Frauen als Männer gewesen. Da einige Frauen dann aber eine Russ-Allergie entwickelt hätten, sahen sich diese gezwungen, die Lehre als Kaminfegerin abzubrechen.
Elena Ellerkamp könnte sich überhaupt nicht vorstellen, in einem Büro zu arbeiten. «Mein Beruf gefällt mir sehr gut – momentan möchte ich nirgend woanders arbeiten.» Ihre um drei Jahre ältere Schwester Erina hingegen sieht es überhaupt nicht so. Sie nämlich, könnte es sich absolut nicht vorstellen, als Kaminfegerin tätig zu sein. Ihre Arbeit im Büro erfüllt sie voll und ganz. «Erina ist die Theoretikerin und ich bin die Handwerkerin.»
Elena Ellerkamp erzählt, dass sie schon einige Male in ihrem Leben Glück gehabt hat – ganz besonders auch im Beruf, beim Finden einer Lehrstelle und ihres heutigen Arbeitgebers. Glück hat die Kaminfegerin aber nicht nur im Beruf, sondern auch in der Liebe: Seit einiger Zeit ist sie mit einem Kaminfeger liiert.