Hundert neue Herdenschutzhunde nötig

Fredi Bernet ist Herdenschutzhundefachberater der Fachstelle für Herdenschutzhunde. Der 45-jährige Herdenschutzhundezüchter Fredi Bernet bewirtschaftet mit seiner Familie einen Bergbauernbetrieb in Elm. Für die gezielten Anpaarungen reist der Zuchtwart im Auftrag des Vereins Herdenschutzhunde Schweiz bis zu fünf Mal jährlich in die italienischen Abruzzen.

Schafhalter Fredi Bernet verfügt über eine grosse Erfahrung mit Herdenschutzhunden.
Schafhalter Fredi Bernet verfügt über eine grosse Erfahrung mit Herdenschutzhunden.

Herr Bernet, wann und wie sind Sie erstmals auf Herdenschutzhunde aufmerksam geworden?

Fredi Bernet: Vor zehn Jahren. Konkret wurde es auch mit der eigenen Haltung von Herdenschutzhunden erst, als ich Herdenschutzbeauftragter des Kantons Glarus war.

Wie viele Herdenschutzhunde halten Sie?

Bernet: Im Moment sind es fünf.

Gibt es eine spezielle Ausbildung für Züchter dieser Hunde?

Bernet: Ja, diese dauert rund ein Jahr. Zuerst muss ein Theorieblock absolviert werden, dann erhält man zwei zwölfwöchige Welpen, absolviert weitere Praxismodule und Gruppenlektionen sowie als Beobachter bei Leistungsprüfung (LP), Form- und Verhaltensprüfungen (VFP) und der Einsatzbereitsschaftsüberprüfung (EBÜ). Dann kommt man mit seinen Hunden selbst zur Einsatzprüfung, welche man beurteilen und einen Theorieteil absolvieren muss.

Nach welcher Zeit kommen die Junghunde in den Einsatz?

Bernet: Nach 15 bis 18 Monaten kommen die Hunde zur EBÜ.

Sie sind für gezielte Anpaarungen mit Hunden auch im Ausland unterwegs. Auf Grund welcher Kriterien werden diese von wem erstellt?

Bernet: Die gezielten Paarungen werden vom Zuchtwart des Vereins Herdenschutzhunde Schweiz ermittelt und nach verschiedenen Kriterien wie Gesundheitszustand oder Prüfungserfolge EBÜ, LP, VFP oder auch Arbeitsprüfung (AP) gemacht.

Wie verlaufen Aufzucht und Zuteilung?

Bernet: Nach zwölf Wochen beim Muttertier kommen die Welpen zum Züchter, absolvieren ein Jahr später die Prüfung und werden dann von der Fachstelle für Herdenschutzhunde den Betrieben zugeteilt.

Die Fachstelle Herdenschutzhunde koordiniert Angebot und Nachfrage der Herdenschutzhunde. Wie gross ist die Nachfrage momentan?

Bernet: Für das Jahr 2022 werden schweizweit 100 neue Herdenschutzhunde gebraucht. Diese Nachfrage können wir knapp abdecken, aber es fehlt an ausgebildeten Züchtern.

Wie und in welcher Frist kommt ein interessierter Nutztierhalter zu Herdenschutzhunden?

Bernet: Der Tierhalter muss sich zuerst beim kantonalen Herdenschutzbeauftragten melden, welcher eine Erstberatung auf dem Betrieb durchführt. Bei Zustimmung des Kantons kommt das Protokoll an die Fachstelle Herdenschutzhunde. Ein Fachberater prüft zusammen mit einem Fachberater des Bundesamtes für Landwirtschaft (BUL) die Möglichkeiten auf dem Betrieb. Das darauf erstellte Gutachten muss vom Kanton gutgeheissen werden – dann werden Herdenschutzhunde bestellt. Je nach Priorität kann es bis zu eineinhalb Jahren dauern Herdenschutzhunde zu erhalten.

Hat jeder Nutzviehhalter Anspruch auf einen Herdenschutzhund oder erst ab einer bestimmten Herdengrösse oder Gefahrengebiet?

Bernet: Anspruch haben alle Direktzahlungs- und Sömmerungsbeitragsberechtigten Betriebe.

Wie viele Herdenschutzhunde werden mindestens benötigt für einen zuverlässigen Schutz?

Bernet: Mindestens zwei müssen es auf Grund der fach- und tierschutzgerechten Haltung immer sein. Bis 400 Schafe reicht das, pro 300 mehr wird je ein weiterer Hund gerechnet.

Sie sind seit 30 Jahren Halter und Züchter von braunköpfigen Fleischschafen. Wie viele Schafe haben Sie aktuell?

Bernet: Hundert Mutterschafe mit Lämmern. Auf der Schafalp Saumen im Krauchtal sömmern wir total 450 Schafe.

Für die Leistungszucht selektioniert Herdenschutzhunde Schweiz Hunde aus seiner Population, welche die Leistungskriterien erfüllen. Diese Kriterien werden im Rahmen der Zuchthundeprüfungen definiert. Was beinhalten diese Prüfungen?

Bernet: Jeder Hund muss eine Einsatzbereitschaftsprüfung ablegen. Danach gibt es Leistungs-, Arbeits-, Formwert- und Verhaltensprüfungen für die Zuchttiere.

Was kostet ein Herdenschutzhund?

Der Kaufpreis eines Welpen ist 300 Franken. Ein ausgebildeter Herdenschutzhund kostet 1200 Franken.

Wer trägt diese Kosten?

Bernet: Der Kaufpreis trägt der Halter selbst, danach erhält er monatlich einen Halterbeitrag vom Bund in der Höhe von 100 Franken pro Hund, für Hunde in Ausbildung zusätzlich 200 Franken Ausbildungskosten.

Welche Rassen gibt es in der Schweiz?

Bernet: Aktuell sind die zwei Rassen Montagne des Pyrenees und Pastore Abruzzese vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) als offizielle Herdenschutzhunde-Rassen anerkannt.

Warum werden Rassen wie der «türkische Kangal» nicht bewilligt beziehungsweise unterstützt?

Bernet: Es gibt ein Herdenschutzhundeprogramm in Graubünden bei welchem auch diese Rasse zugelassen werden sollen. Unterstützt werden unsere beiden geprüften Rassen, weil diese bereits vorhanden und somit schneller erreichbar sind und gestärkt werden sollen. Sie zeigen auch ein für unser Land geeignetes Raumverhalten und leisten effizienten Schutz.

Gibt es nachweislich erfolgreich verhinderte Angriffe dank der Hunde?

Bernet: Ja. Aber einen 100-prozentigen Schutz gibt es auch mit Herdenschutzhunden nicht.

Mit den gestiegenen Anforderungen an den Herdenschutz auf den Alpen entstehen auch Zielkonflikte, beispielsweise im touristischen Bereich. Welche sind es im Bereich der Herdenschutzhunde?

Bernet: Das Aufeinandertreffen mit Wanderwegen und Biketrails.

Wie begegnet man diesen?

Bernet: Das kommt auf die topografischen Gegebenheiten an; auszäunen oder behirten der Herden.

Die Weide- und Alpzeit beträgt nur eine kurze Zeit des Jahres. Was «tun» die Herdenschutzhunde in den übrigen Monaten?

Bernet: Diese Arbeitshunde können ihre Aufgabe auch nach der Weidesaison nicht ausblenden. Sie sind das ganze Jahr im Einsatz und leben in ständigen Kontakt mit dem Nutztier.

Die Lärmbelastungen durch bellende Hunde in Wohngebieten werden immer wieder angesprochen. Gibt es dafür Lösungsansätze beispielsweise in der «Erziehung» oder müssen sich Anwohner als Folge der wachsenden Wolfspopulation auch an die bellenden Herdenschutzhunde gewöhnen?

Bernet: Grundsätzlich muss man sich daran gewöhnen. Aber wir arbeiten intensiv mit unseren Hunden um die Lärmemissionen zu minimieren. Mit gezielter Ausbildung kann man die vermindern, ganz ausschliessen nicht.

Reichen die Bestrebungen im Bereich Herdenschutz und vor allem Herdenschutzhunde längerfristig aus für den Schutz gegen Grossraubtiere, namentlich den Wolf?

Bernet: Ja. Die Herausforderung ist aber die Toleranz der Gesellschaft.

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