Jede Marke bedeutet etwas Besonderes

Ernst Ammann besitzt sechs alte Traktoren von fünf verschiedenen Marken. Mit jedem der Oldtimer verbindet den Thurgauer eine besondere Erinnerung.

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Der Vevey lässt sich mit den Füssen lenken. So kann Ernst Ammann zugleich muszieren.

Was da wie lautstarkes Hupen klingt, sind die Rufe von zwei wachsamen Gänsen. Ihr Geschrei richtet sich an Ernst Ammann, der am Rand des ehemaligen Feuerwehrweihers von Wittenwil steht und einige Büschel Gras ins Wasser wirft. Nicht für die Gänse, sondern für die Fische. Genauer gesagt für seinen Lieblingsfisch, den 80 Zentimeter langen Graskarpfen namens Prinz. Seit 1973 schwimmt der Karpfen im grossen Weiher vor Ernst Ammanns heutiger Wohnung. «Jeden Morgen schaue ich aus dem Wohnzimmerfenster, wo Prinz gerade ist», sagt der bald 76-Jährige und schmunzelt.

Ich habe zu jeder Marke eine sentimentale Beziehung.

Der 49 Jahre alte Karpfen ist ihm sehr ans Herz gewachsen. Und er ist nicht das einzige Tier, für das Ernst Ammann schwärmt. Doch mehr dazu später. Jetzt geht es erst einmal zu seiner Oldtimersammlung. Alle sechs Traktoren stehen in einer Reihe. Rasch erkennt man: Der Thurgauer Senior ist nicht auf eine Marke fixiert. Und das hat einen triftigen Grund, wie er erklärt: «Ich habe zu jeder Marke eine sentimentale Beziehung.»

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Grunder, Vevey, Köpfli, Ferguson und Massey Ferguson – mit jeder Marke verbindet Ernst Ammann eine Geschichte.

Lernfahrten mit dem Vevey

Ernst Ammann erzählt von seiner Kindheit auf dem Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb seines Vaters. «Er kaufte 1957 einen Vevey Traktor, auf dem ich später fahren lernte. Nebenbei hielt mein Vater auch noch Arbeitspferde.» Bereits einige Jahre zuvor fuhr der kleine Ernst bei einem anderen Bauern auf einem Ferguson Traktor mit; eine Erinnerung, die ihn heute noch mit Glück erfüllt. Für Ernst Ammann stand fest, dass er Bauer werden wollte.

Nachbarn sagten, ich spinne ja, so eine grosse Maschine anzuschaffen.

Also begann er im Arenenberg mit der landwirtschaftlichen Ausbildung. Diese musste er abrupt beenden, als sein Vater starb. «Ich war 23, als ich den Hof und das Restaurant Rössli übernahm», erinnert er sich. «Damals kaufte ich einen Massey Ferguson Traktor mit 65 PS. Nachbarn sagten, ich spinne ja, so eine grosse Maschine anzuschaffen. Aber für mich passte der MF.»

Vielseitiger Bauer 

Die Verantwortung für den 22 Hektaren grossen Betrieb trug er bis im Jahr 2000, als der dreifache Vater den Hof seinem Sohn übergab. Mittlerweile hatte er seine Tätigkeiten ausgeweitet, bot Garten- und Tiefbau an und vermietete Baumaschinen. Mit der Pensionierung vor einigen Jahren erwachte dann die Erinnerung an die verschiedenen Traktoren, die ihn während seines Lebens beeindruckt und begleitet hatten. «Den Massey Ferguson 165 super sah ich bei einem Kollegen, der mit Oldtimern handelte. Ich wusste gleich, dass ich den Traktor haben wollte. Es musste nur noch bei der Steuerung etwas gerichtet werden, danach kaufte ich ihn», erzählt Ernst Ammann und zeigt auf den grössten seiner Oldtimer.

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Auf seine beiden Köpfli Oldtimer ist der ehemalige Bauer besonders stolz.

Auch ein alter Ferguson war bald gefunden. «Es sprach sich herum, dass ich einen suchte», sagt der ehemalige Bauer. «Bald schon hatte ich einen gefunden, den ich kaufte. Er war gut ‘zwäg’, aber ich schliff ihn komplett ab und liess ihn neu spritzen.» Mit dem Ferguson erlebte Ernst Ammann einen aussergewöhnlichen Auftritt. «Als zu Ehren der Schaffhauser Alphornbläserin Lisa Stoll ein Umzug veranstaltet wurde, fuhr ich mit dem Vevey und einem Anhänger mit. Ich lenkte den Traktor mit den Fusspedalen und spielte Schwyzerörgeli, auf dem Anhänger stand mein Kollege Willi Lehmann und schlug im Takt auf einen Amboss», erzählt er lachend und sucht auf seinem Handy die Fotos des Festes.

Es versteht sich von selbst, dass Ernst Ammann auch einen Vevey begehrte, den ersten Traktor seines Vaters. «Ich wollte einen 587er, 4 Zylinder mit Perkins Motor – und den habe ich dann auch gefunden», sagt er strahlend und zeigt auf den grünen Vevey, bevor er noch kurz die Geschichte zum kleinsten Exemplar seiner Sammlung erzählt, einem roten Grunder. «In jungen Jahren musste ich bei einem Bauern mit dem kleinen Grunder ‘eingräsen’ und mochte den Traktor sehr. Vor einiger Zeit fand ich dann einen solchen Grunder im Rheintal, beim Bruder eines Kollegen. Es ist wirklich so, dass mich mit jedem Oldtimer eine sentimentale Erinnerung verbindet.»

Eine besondere Begegnung

Das ist natürlich auch bei jener Marke so, von der Ernst Ammann gleich zwei Exemplare besitzt: Köpfli. «Vor langer Zeit lernte ich den Firmengründer Josef Köpfli persönlich kennen und war sehr beeindruckt von diesem Mann. Als mir dann ein Bekannter einen Köpfli anbot, griff ich gleich zu. Und nur kurz darauf verkaufte mir noch jemand einen Köpfli», erzählt der Fan lachend. Die Beziehung zur Gründerfamilie lebte im Frühling wieder auf, als bei einem Oldtimertreffen in Sirnach die Schwiegertochter des Firmengründers Ernst Ammann ansprach. Bald darauf besuchte er sie zuhause in Wil und traf auch den Sohn Markus. Stolz zeigt er ein Foto von jenen eindrücklichen Stunden.

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Ernst Ammanns übersichtlich geordnete Werkstatt.

Nebst den sechs Oldtimern besitzt Ernst Ammann noch eine weitere Besonderheit: Einen Schlafwagen, wie er schmunzelnd sagt. «Den entdeckte ich durch ein Inserat. Er hat einen Tisch, ein aufklappbares Bett und eine Toilette. Eine praktische Sache, wenn ich bei Ausfahrten irgendwo übernachten will.»

Der Oldtimerfan unternimmt ab und zu Mehrtagesfahrten, jedoch regelmässig kleine Tagesfahrten mit drei Kollegen aus dem Verein Freunde alter Landmaschinen Ostschweiz (Falso). «Jeden Dienstag gehen wir gemeinsam etwas trinken und etwa alle zwei Wochen machen wir ein Fährtchen. Wir fahren auf Nebenstrassen und entdecken dabei immer wieder Neues.» Fahrten unternimmt Ernst Ammann auch mit seiner Yamaha Chopper, aber die sei vor allem ein Fortbewegungsmittel für kurze Strecken. «Mit dem Oldtimer erlebe ich in gemächlichem Tempo die Natur», schwärmt der vielseitig Interessierte.

Jeden Dienstag gehen wir gemeinsam etwas trinken und etwa alle zwei Wochen machen wir ein Fährtchen.

Kraft aus der Natur

Die Natur bedeutet ihm enorm viel, seit er 1983 plötzlich eine Hirnblutung erlitt und danach drei Monate nicht arbeiten durfte. «Damals war ich viel draussen, unternahm Spaziergänge, beobachtete Vögel. Ich lernte die Natur so richtig schätzen», erzählt er nachdenklich. Diese Verbundenheit mit der Natur ist ihm geblieben, vor allem die Liebe zu den Vögeln. Neben seinem Sitzplatz hat Ernst Ammann ein Bächlein gestaltet, in dem zahlreiche Vögel baden und trinken. Während er auf die Wasserstelle zeigt, erwähnt er ein weiteres Hobby und begibt sich ins Haus. Dort, in einem kleinen Raum neben der geräumigen Werkstatt, steht auf einem Tisch am Fenster eine Kamera mit einem starken Zoom. «Von hier aus sehe ich die Vögel beim Fressen und beim Baden und kann sie fotografieren.»

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Im ehemaligen Feuerwehrweiher schwimmt auch Ernst Ammanns Lieblingsfisch Prinz.

Eigentlich erstaunlich, dass Ernst Ammann noch Zeit für seine Frau Jacqueline findet – und für ein weiteres Hobby: Er spielt leidenschaftlich gerne Schwyzerörgeli und seit einem Jahr auch Steirische Harmonika. «Ich übe jeden Tag mindestens einmal. Das ist ein gutes Gehörtraining, denn ich kann keine Noten lesen und spiele immer nach Gehör. Am liebsten sind mir alte Schlager und Volksmusikstücke.» Wenn Ernst Ammann dann doch etwas Ruhe und Entspannung braucht, steht er an den Weiher, beobachtet seinen Prinz und lässt sich vom Ruf der Gänse nicht stören.

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