St.Galler Landwirtschaft 2024/2025: Rückblick, Ausblick und Perspektiven

Das Jahr 2024 war aus Sicht der St. Galler Landwirtschaft unter anderem geprägt von Wahlen und Abstimmungen, dem Wolf und der Ewigkeitschemikalie PFAS. Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands (SGBV), äussert sich im Interview dazu und wagt einen Ausblick aufs frische Jahr.

Wohin führt der Weg im Jahr 2025? Leserbild: Simone Germann

Anfang Mai zog ein Unwetter über Flawil. Regen und Hagel haben Flawils Strassen regelrecht geflutet. Gab es in der Geschäftsstelle an der Magdenauerstrasse nasse Füsse?

Mathias Rüesch: Wir hatten tatsächlich einen kleineren Wassereintritt in unseren Archivräumen. Zum Glück haben wir diesen rechtzeitig entdeckt.

Auch andernorts gab es im Frühling und Frühsommer Überschwemmungen, Rutsche und Starkregen. Wie stark haben die Unwetter die St. Galler Landwirtschaft im Jahr 2024 getroffen?

Rüesch: Punktuell gab es grosse Schäden und Ernteeinbussen. Gerade der Rebbau und der Ackerbau waren betroffen. Kaum hatten sich die Kulturen vom Hagel im Frühling erholt, wurden einige gleich nochmals verhagelt. Dies hing allerdings stark davon ab, wo die Unwetterzüge durch zogen. Abgesehen von Hochwasser und Hagel kam es punktuell auch zu Murgängen und Hangrutschen.

Unwetter werden in Zukunft wahrscheinlich häufiger vorkommen. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine Versicherung für solche Ereignisse?

Rüesch: Es ist unbestritten wichtig, dass sich die Landwirte mit dem Thema Versicherung auseinandersetzen. Schweizer Hagel beispielsweise beschäftigt sich mit diesen Themen. Die Risiken sollte man für seinen Betrieb abwägen und allenfalls eine Versicherung in Erwägung ziehen. Die unabhängige, neutrale Versicherungsberatung des St. Galler Bauernverbands kann dabei helfen. Unsere Fachleute prüfen für unsere Mitglieder zudem kostenlos, ob der Betrieb richtig und umfassend versichert ist.

Die angesprochene Versicherungsberatung des St. Galler Bauernverbands (SGBV) verkündete Änderungen. Nach dem Zusammenschluss mit den Agrisano-Regionalstellen Appenzell Inner- und Ausserrhoden vor einem Jahr gab es im Dezember 2024 einen Partnerwechsel von der Emmental zur Mobiliar. Warum das?

Rüesch: Im Zusammenhang mit der Übernahme des Versicherungsgeschäfts im Appenzellerland hat sich die Situation dahingehend entwickelt, dass die Zusammenarbeit mit der Emmental nicht mehr gepasst hat. Auch der Schweizer Bauernverband hat seine schweizweite Partnerschaft mit der Emmental übrigens zeitgleich gekündigt. Unser Credo ist nach wie vor «Versicherungen aus einer Hand». Wir wollen unseren Versicherten im Kanton St. Gallen und im Appenzellerland eine optimale Dienstleistung bieten. Mit der Mobiliar dürfen wir auch jetzt auf einen starken Partner zählen.

Was hat die Geschäftsstelle des SGBV im letzten Jahr am meisten beschäftigt?

Rüesch: Das aktuell prägendste Thema ist die Situation betreffend PFAS*.

Sind auf der Geschäftsstelle viele Anfragen zu PFAS eingegangen?

Rüesch: In einer ersten Phase gab es aus dem ganzen Kanton Anfragen. Die Medien hatten aber nur die Region im Nordosten erwähnt. Dort stehe ich zurzeit mit vielen Bauern in Kontakt. Der SGBV versucht vor allem, den gegenseitigen Austausch zu fördern und das Wissen und die Fachkompetenz zu bündeln. Die betroffenen Bauern sollen sich kennen, ihre Erfahrungen austauschen und nicht alleine gegen die Ämter antreten müssen.

Auch der Wolf war Thema im letzten Jahr: Die Regulierung konnte mit dem Abschuss eines Jungwolfs des Gamserrugg-Rudels und zwei Welpen des Schilt-Rudels soweit abgeschlossen werden. Sind sie zufrieden damit?

Rüesch: Fast. Es fehlt noch ein Welpe des Calanda-2-Rudels, das sich zwischen den Kantonen Graubünden und St. Gallen aufhält. Dass die Bestände reguliert werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Regulation ist wichtig, damit der Wolfsbestand nicht unkontrolliert wächst. Aber es gibt noch viele Probleme, für die Lösungen gefunden werden müssen. Die Situation auf dem Flumserberg hat gezeigt, dass Elterntiere eines Rudels, die gelernt haben, den Herdenschutz zu umgehen, grossen Schaden anrichten und zu einer enormen Belastung werden können. Dieses Leid macht viel mit den Älplern, Älplerfamilien und Bestössern. Es gibt auch 2025 noch viele Baustellen in diesem Bereich, an denen gearbeitet werden muss. Der Wolf wird uns weiterhin beschäftigen.

Vom Wolf zum Schaf: Die Blauzungenkrankheit verbreitete sich im Herbst in der Schweiz in rasantem Tempo. Schafhalter wie auch Rindviehhalter mussten tatenlos zusehen, wie ihre Tiere erkrankten oder sogar starben. Eine Impfung gab es nicht. Mittlerweile meldete der Bund, dass der Impfstoff gegen BTV-3 auch in der Schweiz eingesetzt werden darf. Wie ist die Situation derzeit im Kanton St. Gallen?

Rüesch: Aktuell ist es ruhig, weil diese krankheitsübertragenden Gnitzen nicht unterwegs sind. Wichtig ist, dass jene Betriebe, die impfen möchten, sich rechtzeitig mit ihrem Tierarzt in Verbindung setzen. Im nächsten Frühling wird mit einer zweiten Welle gerechnet.

Wann ist rechtzeitig?

Rüesch: Ende Winter, Anfang Frühling. Es ist zu beachten, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis sich der Impfschutz aufbaut.

Voraussichtlich im Frühling in der Kantonsratssession werden wir auch mehr über das Vorgehen bei Wil West erfahren. Da die ursprünglich vorgesehene Entwicklung des Wirtschaftsareals Wil West durch den Kanton St. Gallen nicht mehr möglich ist, sollen die Flächen, die dem Kanton St. Gallen gehören, an den Thurgau verkauft werden. Der Kantonsrat hat in der Wintersession eine Kommission bestimmt, die den Verkauf der Grundstücke und die Kompensation von Fruchtfolgeflächen prüft. Wie steht der SGBV zum Verkauf?

Rüesch: Wir sind im engen Dialog mit den betroffenen Bauern und der regionalen bäuerlichen Vereinigung. Der SGBV versucht, diese zu unterstützen, und hilft ihnen, sich Gehör zu verschaffen, damit sie ihre Anliegen einbringen können. Das letzte Wort hat aber der Kantonsrat. Sollte das Ratsreferendum ergriffen werden, hat die Stimmbürgerschaft die Möglichkeit, darüber abzustimmen.

Anfang März fanden die Kantonsratswahlen statt. 17 von 38 bäuerlichen Kandidatinnen und Kandidaten wurden gewählt. Sind Sie zufrieden mit dem Resultat? Werten Sie es als Wahlerfolg des Bauernstands?

Rüesch: Es ist ein grosser Erfolg. Das Verständnis für landwirtschaftliche Themen im Kantonsparlament wurde deutlich gestärkt. Jetzt verfügen wir wieder in allen Wahlkreisen über bäuerliche Vertreter im Rat.

Im Sommer wurden die neu- und wiedergewählten Regierungs- und Nationalräte auf einen Bauernhofrundgang mit Brunch in Lömmenschwil eingeladen. Vonseiten Landwirtschaft wurden die Herausforderungen erläutert. Hat der Anlass etwas gebracht?

Rüesch: Die junge Bauernfamilie konnte aufzeigen, welchen Herausforderungen sie sich stellen muss und was sie in Zukunft erwartet. Seitens Verband konnten wir unsere Anliegen in einem authentischen, ungeschönten Rahmen anbringen. Das hat sicher einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und Verständnis geschaffen.

Im September kam dann auch die Biodiversitätsinitiative an die Urne. Sie wurde abgelehnt. Zur Freude der Bauern. Nachhaltigkeit und Umweltschutz bleiben aber zentrale Themen. Wo sehen sie noch Handlungsbedarf?

Rüesch: Es ist wichtig, dass wir zu unserer Produktionsgrundlage Sorge tragen. Das haben wir während des Abstimmungskampfs immer betont. Es geht aber auch darum, nicht noch mehr Quantität zu schaffen, sondern ein besonderes Augenmerk der Qualität zu widmen. Die Landwirtschaft macht bereits viel, und sie macht es vor allem auch sehr gut.

Am 9. Februar gibt es wieder eine Abstimmung: Die Umweltverantwortungsinitiative steht vor der Türe.

Rüesch: Die steht nicht vor der Türe, sondern vor der Höhle. Es handelt sich hier um eine Initiative, die uns gefühlt in die Steinzeit zurück katapultieren will.

Die Initianten nennen ihre Volksinitiative «Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen». Wie aktiv wird sich der SGBV einbringen?

Rüesch: Aktuell steht die Landwirtschaft im Abstimmungskampf nicht an vorderster Front. Der Schweizer Bauernverband hat bereits beschlossen, die Initiative abzulehnen. Der Landwirtschaftsrat des SGBV hat noch keine Parole gefasst. Dies wird am 20. Januar der Fall sein. Der SGBV wird im «St. Galler Bauer» über die Initiative und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft aufklären.

Welche Ziele hat sich der St. Galler Bauernverband für das Jahr 2025 gesetzt?

Rüesch: Diese sind vielfältig. Eines der Fokusthemen wird die AP 2030 sein. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit werden wir auf diese hinarbeiten und versuchen, der Bevölkerung die produzierende Landwirtschaft näherzubringen. Wir möchten ihr im Kontext «Stadt-Land» deren Wert aufzeigen und Verständnis schaffen. Dazu werden wir mit verschiedenen Aktivitäten in den grösseren St. Galler Städten präsent sein, an der Olma werden wir das Thema ebenfalls in den Vordergrund rücken und im «St. Galler Bauer» darüber berichten.

Welche Herausforderungen erwarten die Landwirte und der St. Galler Bauernverband im neuen Jahr?

Rüesch: Eine grosse Herausforderung wird das Thema PFAS sein. Im Verband steht ein Wahljahr bevor, ein neuer Präsident und ein neues Vorstandsmitglied werden gewählt. Im Hinblick auf die AP 2030 ist für die Bauern entscheidend, dass wir die Weichen richtigstellen und uns richtig positionieren. Es ist entscheidend, dass wir hier frühzeitig und voller Engagement die richtigen Weichen stellen!

Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands. Bild: zVg.

Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands. Bild: zVg.

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