«s Riet-Theres» blickt zurück

Theres Bleisch-Moser aus dem Weisstannental ist 93-jährig. Zu ihrer Aktivzeit war sie eine «Vollblutbäuerin» und noch heute ist sie der Meinung, dass Bäuerin der attraktivste Beruf der Welt ist. Sie wohnt nach wie vor allein und geniesst ihre ausgefüllten Tage.

Theres Bleisch hält sich gern in ihrer gemütlichen Wohnküche auf.

Wer den kleinen Hof «Riet» in der Schwendi im Weisstannental aufsucht, trifft auf eine wache, aktive Seniorin und auf eine anhängliche, schnurrende Katze. Kaum jemand würde glauben, dass Theres Bleisch vor rund drei Jahren den 90. Geburtstag gefeiert hat. Die Altbäuerin ist noch fit und hat nach wie vor ein gutes Gedächtnis. Für viele unvorstellbar, aber wahr: Mit Theres Bleisch kann man über alles und jedes reden. Für sie gibt es keine Tabuthemen, und wer denkt, Digitalisierung sei für die Altbäuerin ein Fremdwort, irrt sich. Theres Bleisch besitzt ein Tablet, das sie häufig nützt. «Den ‚St. Galler Bauer‘ lese ich aber lieber in Papierform – ohne ihn würde mir etwas fehlen.»

 

Sepp und Theres Bleisch mit ihrem Schilter – dieses Fahrzeug galt ihnen sehr viel. Bild: zVg.

Einfache Jugendzeit

Theres Bleisch ist mit fünf Geschwistern auf dem «Esel» im Weisstannental aufgewachsen. «Bei uns ging es einfach zu und her. Wir hatten nur ein kleines ‚Güetli‘ und mussten davon leben können. Mehr als vier Kühe hatten wir nie. Wir hatten aber einen innigen Familienzusammenhalt – meine Jugend war ein Geschenk.» Mit 21 Jahren heiratete Theres Moser Sepp Bleisch vom «Riet», nur einen Katzensprung entfernt von ihrem Elternhaus. Auch dieser Hof war nicht gross und das junge Paar musste die Rappen beieinander halten. In der Regel wurden etwa vier bis fünf Kühe und ein paar Schafe gehalten. Mit einer Ausnahme gingen alle Kühe z‘ Alp. Die Milch der «Heimstkuh» wurde für die Familie gebraucht.

 

Ganz in Weiss: Der Hochzeitstag bleibt Theres Bleisch unvergesslich. Bild: zVg.

Schönste Jahreszeit

Zwischen 1953 und 1970 kamen die zwei Töchter und zwei Söhne von Theres und Sepp Bleisch zur Welt. Theres Bleisch war eine «Vollblutbäuerin» ihrer Zeit. «Den Sommer mochte ich am liebsten. Ich war froh, dass meine Schwiegermutter, die in unserer Familie wohnte, den Haushalt besorgte. So konnte ich – wenn das Wetter stimmte – von morgens bis abends im Freien arbeiten. Für mich war es das Schönste, wenn Sepp von Hand mähte und ich ‚zettete‘. Wenn der Wetterbericht Regen meldete, war ‚Heinznen‘ angesagt. Auch das machte ich sehr gern.» Theres Bleisch erzählt, dass manchmal allein auf ihrem Land mehr als 100 Heinzen standen. Sie konnte kaum verstehen, dass ihre Berufskolleginnen das «Heinznen» nicht mochten. Natürlich sei es aufwendig gewesen – dafür habe das Heu aber eine gute Qualität gehabt.

Theres Bleisch beim Schöppeln kleiner Lämmer – da kam keines zu kurz.
Theres Bleisch beim Schöppeln kleiner Lämmer – da kam keines zu kurz. Bild: zVg.

Fleissige «Nachteule»

Theres Bleisch erzählt, dass sämtliche Nachbarn wussten, dass sie morgens schlecht aus den Federn kam. Das störte weder sie noch ihren Mann. Ganz im Gegenteil. Ihr Mann sei es gewesen, der meist das Morgenessen zubereitet habe. Sie durfte dadurch etwas länger schlafen. «Das habe ich riesig genossen und war dankbar – dafür war ich abends lange wach und nähte Kleider für unsere Kinder oder erledigte meine geliebte Gartenarbeit.» Theres Bleisch machte auch das Brot für die Familie selbst und selbstverständlich habe man ein Schwein für die Haushaltabfälle gehalten. «Zu Beginn des Winters wurde das Schwein geschlachtet und wir hatten eigenes Fleisch. Der Störmetzger kam und ich stellte mit ihm ‚Puuräwürscht‘ her, salzte das Fleisch für den Rauch ein und sterilisierte das Frischfleisch. Ich war immer stolz und dankbar für unsere Vorräte aus Hof und Garten.»
Theres Bleisch tanzte fürs Leben gern – ganz anders als ihr Mann. Er ermunterte sie immer wieder, doch mit «Gspänli» die Fasnacht oder einen anderen Tanzanlass zu besuchen. Mit Freude erzählt die Altbäuerin, dass sie am anderen Morgen nicht früh aufstehen musste. Das habe sie immer genossen.

Die wenigsten Bäuerinnen liebten das „Heinznen“ – Theres Bleisch mochte diese Arbeit. Bild: zVg.

Ausflüge mit anderen

Theres Bleisch erzählt, dass sie die Zeit, als die Kinder klein waren, sehr genoss. «Es war eine strenge Zeit, aber wir hatten es schön zusammen. Auch mit den jugendlichen und erwachsenen Kindern konnte ich viel Schönes erleben.» Auf die Frage, was weitere Höhepunkte in ihrem Bäuerinnenleben gewesen seien, kam die Antwort von Theres Bleisch blitzschnell: «Die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa), die ich mit der ‚Bäuerinnenmutter‘ Hanni Pestalozzi besuchen durfte, und Ausflüge, die ich mit vier weiteren Bäuerinnen aus unserem Tal unternehmen konnte. Theres Bleisch erzählt, dass 1958 die Saffa auf der Saffa-Insel im Zürichsee stattfand. Diese Ausstellung habe die Frauenarbeit der Schweiz aufgezeigt. «Da war ich echt stolz, eine Frau zu sein und zu sehen, was andere Frauen und ich können.» Die Altbäuerin erzählt, dass sie es immer riesig genossen habe, im Oktober mit vier anderen Bäuerinnen aus dem Tal einen Ausflug zu machen. «Die Jüngste von uns konnte Autofahren, das war herrlich. Wir kamen an verschiedene Orte, die ich allein niemals zu sehen bekommen hätte. Ich genoss das mit allen Sinnen.»

Dankbar für viele gute Tage

Mit 93 Jahren muss Theres Bleisch etwas zurückstecken. Das Gehör lasse nach, die Augen brauchten zunehmend Unterstützung und auch das Gehen falle nicht mehr so leicht. «Tanzen wie noch vor zwei, drei Jahren liegt wohl kaum mehr drin.» Theres Bleisch wohnt allein. Einmal wöchentlich wird sie von der Pro Senectute beim Putzen unterstützt.

Sehr traurig für die Altbäuerin ist, dass beide Töchter innert kurzer Zeit an einer Krebserkrankung gestorben sind. «Das ist hart. Es ist schwierig, wenn Eltern den Tod ihrer Kinder erleben müssen. Zum Glück sind meine Söhne und Schwiegersöhne gut zu mir. Sie besuchen mich, unternehmen etwas mit mir. Ich kann mich immer wieder auf etwas freuen. Bald kann ich wieder in den Garten, und im August findet in unserem Tal ein Biedermeier-Festival statt. Da darf ich wieder mit der Gotthard-Postkutsche mitfahren, darauf freue ich mich heute schon riesig. Ich bin dankbar für so viele schöne Tage, die ich immer wieder erleben darf.»

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