Schönwetterlage in der Markthalle

Felix Blumer, Meteorologe bei SRF Meteo, referierte letzte Woche an der Wattwiler Tagung fundiert, vielfältig, verständlich und mit einer Prise Humor über Wetter und Klima. Das bäuerliche Publikum war begeistert.

Felix Blumer blickte in Wattwil auf Hurricans und zerstörerische Gewitterzellen zurück.
Felix Blumer blickte in Wattwil auf Hurricans und zerstörerische Gewitterzellen zurück.

Der Christliche Bauernbund St. Gallen hatte zu seiner Wattwiler Tagung den Meterologen Felix Blumer eingeladen. Am Vormittag referierte dieser zum Thema «Von der Wetterbeobachtung zur punktgenauen Wetterprognose», am Nachmittag folgte der Vortrag zu «Klimaveränderung: Apokalypse oder dummes Geschwätz?»

Jetstream und robuste Sorten

Blumer zeigte die grössten CO2-Verursacher auf: USA, China und Indien. Die Schweiz steht recht gut da, was den Auswirkungsgrad von unseren CO2-Massnahmen relativieren würde. Meint man. Denn: Wir sind alle auch beteiligt am CO2-Ausstoss von China, weil wir ja ein grosses Importland sind. Erwischt. Immer wieder legte er Fakten offen und erläuterte auch die Zusammenhänge dazu. Kein Gähnen, keine schläfrigen Augen im Publikum. Alle hörten gebannt zu.

Den Landwirten in der Schweiz riet Blumer, in den kommenden Jahren auf robuste Pflanzen zu setzen, welche einer langen Trockenheit ebenso trotzen wie längeren Nassphasen. Der Jetstream, welcher früher meridianförmig verlief, verändert sich und macht grössere Bögen und sorgt dafür, dass über Wochen das gleiche Wetter herrscht.

Temperatur steigt an

Felix Blumer sprach über die Klimaerwämungsprognosen verschiedener Institute. Je nachdem, auf welches Modell gestützt, variiert die Zunahme von ein bis vier Grad bis ins Jahr 2100. Felix Blumer zeigte sich überzeugt, dass der Mensch zu 60 Prozent an der aktuellen Erwärmung beteiligt ist. Seit der Industralisierung sind CO2, Methan, Stickoxide und Schwefel extrem angestiegen. Die Temperatur in der Schweiz wird bis Ende dieses Jahrhunderts um 1,5 bis 4,0 Grad steigen. Seit den 80er-Jahren gab es in der Schweiz keinen Sommer mehr, der als zu kalt gilt. Beim Winter ist es theoretisch möglich, je nach Jetstream, dass es während vier Wochen extrem kalt ist.

El Niño und Hitzesommer

Wird El Niño dafür sorgen, dass es 2023 einen Hitzesommer geben wird? Es könne noch nicht gesagt werden, ob El Niño regelmässig auf die Schweiz Einfluss nehme, erklärte Felix Blumer. Beim Hitzesommer 2015 war dies der Fall – das allein begründe aber keine Regelmässigkeit. El Niño lasse die Zirkulation der Meeresströmungen zusammenbrechen, es gebe zwei Zellen über dem Pazifik und es ströme warmes Wasser Richtung Peru und Ecuador. Währenddem gibt es folgende Phänomene: Amazonas trocken, Patagonien nass und Kalifornien nass und kühl. Felix Blumer nahm auch Bezug auf Mojib Latif. Der Meteorologe und Klimaforscher warnte bereits 2012 vor dem extremen Warmwasser in 2000 Kilometer Tiefe im Pazifik, das dann tatsächlich 2015 mit El Niño an die Oberfläche kam und für einen globalen Temperaturanstieg sorgte.

Wichtige Niederschläge

«Eine Niederschlagszunahme werden wir in den hohen Breiten haben. Einen Niederschlagsrückgang wird es im Mittelmeerraum geben, und zwar um zehn Prozent», erklärte Felix Blumer. Mehr Niederschlag wird es auch in der Sahelzone in Afrika geben und in Saudi-Arabien, rund 40 Prozent. «Aber schauen Sie bitte Grafiken und Statistiken genauer an», mahnte der Meteorologe. Saudi-Arabien hat eine jährliche Niederschlagsmenge von 10 Millimetern. Plus 40 Prozent ergibt 14 Millimeter pro Jahr, das ist immer noch nicht wirklich nass. Anhand eines Beispiels im Irak zeigte er die bedrohliche Lage: Links und rechts des Tigris wächst und grünt es, daneben ist Wüste. Der Städtedruck ist enorm. Aktuell leben offiziell 5,4 Millionen Menschen dort, Felix Blumer vermutet jedoch eine höhere Dunkelziffer. Bagdads Einwohnerzahl steigt und es wird immer tiefer nach Grundwasser gegraben. Eine bedrohliche Lage. Wer keine Lebensgrundlage hat, der geht. Was wiederum bedeutet, dass sich die Flüchtlingssituation nicht verbessert. Ein Aufforstungsprogramm mit Pflanzen, die wenig Wasser brauchen, und Spezialisten aus den dortigen Ländern, die in der Schweiz ausgebildet werden, könnte dafür sorgen, dass die Verdunstung zunimmt und Feuchtigkeit in die Atmosphäre steigt, was wiederum Regen begünstigt. «Aber man müsste heute damit beginnen», erklärte Blumer.

Mehr Schwankungen

Auf der Nordseite der Schweiz wird es tendenziell ganz leicht feuchter. «Die ganz grosse Trockenheit ist bei uns kein Thema. Was aber ein Thema wird, sind die Jahr-zu-Jahr-Schwankungen», erklärte der Meterologe. Auch die Alpensüdseite wird von den grossen Jahr-zu-Jahr-Schwankungen betroffen sein. Das Gebirge verhilft dem Tessin und den Alpensüdtälern dazu, dass sie mit Niederschlag versorgt werden. Da El Niño stationär wird, ist damit zu rechnen, dass vermehrt acht bis zwölf Wochen das gleiche Wetter herrscht. Felix Blumer riet den Landwirten zu robusten Pflanzen und sich bewusst zu sein, dass es bei der Bearbeitung durch Maschinen eine grössere Bodenverdichtung gibt – also auch eine grössere Verdunstung.

Leichtsinniger Umgang

Felix Blumer zeigte weitere globale Ereignisse auf, welche aufs Klima Einfluss haben: so das Auftauen der Permafrostböden, die Methan freisetzen, oder die Auswirkung von wegbrechendem Arktiseis, das den Golfstrom runterkühlen könnte, was bei uns Kälte bedeuten würde. Oder dass der Meeresspiegel um 50 bis 100 Zentimeter ansteigen wird. Wenig – doch bei einer Sturmflut ist das ein Vielfaches mehr. Ebenso erfuhr man, dass CO2 bis zu 60 Jahre in der Atmosphäre bestehen kann. Blumer nahm auch Bezug darauf, wie harzig die gesetzten Ziele der Weltklimakonferenzen sind und wie leichtsinnig mit Risiken umgegangen wird. Beispielsweise die Trans-Alaska-Pipeline auf erdbebengefährdetem Gebiet, die Borinseln in der Arktis oder das schwimmende Atomkraftwerk der Russen, ebenfalls in der Arktis.

Danach nahm Felix Blumer die Stromproduktionsarten kritisch auseinander. Als Fazit appellierte er, endlich zu handeln, und zwar sofort. Es gelte auch, in neue Technologien zu investieren. Energie- und Umweltpolitik müssten einen Konsens finden, der greift. «Wir müssen uns in der Klimapolitik einig werden, also bei organisatorischen Massnahmen und Logistik. Wir müssen Ressourcen sparen und den CO2-Austoss reduzieren. Und es ist aktuell völlig unerheblich, wie gross der Anteil des Menschen an der Erwärmung ist», machte er deutlich.

Barbara Dürr bedankte sich bei Felix Blumer und überreichte ihm zum Dank einen Schirm mit einem Bild von Werdenberg, da Blumer ja ein Glarner Familienname sei und Werdenberg und Glarnerland geschichtlich verbandelt sind.

Präsidentin Barbara Dürr überreichte Felix Blumer den St. Galler Schirm.
Präsidentin Barbara Dürr überreichte Felix Blumer den St. Galler Schirm.

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