«Schweizer Milchwirtschaft hat Zukunft»

Markus Leumann ist Leiter Beschaffung bei der Milchproduzentengenossenschaft Mooh. Im Interview erzählt er, was seine Tätigkeit umfasst, wie die Lage auf dem Milchmarkt ist und wie er die Zukunft der Schweizer Milchwirtschaft sieht.

Markus Leumann unterstützt die Milchproduzenten auf dem Hof.
Markus Leumann unterstützt die Milchproduzenten auf dem Hof.

Markus Leumann studierte Agrarwissenschaften an der ETH in Zürich. Er leitete zwölf Jahre das Landwirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen und war in dieser Zeit auch Rebbaukommissär und für die Kantone Schaffhausen, Thurgau und Zürich Co-Leiter der Fachstelle Rebbau. Seit Anfang 2023 ist der 46-Jährige Leiter Beschaffung bei der Mooh. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt mit seiner Familie in Unterstammheim.

Herr Leumann, warum sind Sie zur Milchbauerngenossenschaft gewechselt?

Markus Leumann: Als ich in Schaffhausen beim Landwirtschaftsamt angefangen hatte, war ich mit 33 Jahren der jüngste Landwirtschaftsamtsleiter der Schweiz. Heute sehe ich die zwölfjährige Tätigkeit als eine Art agrarpolitisches Praktikum. Ich bin auf einem Milchwirtschaftsbetrieb aufgewachsen und gehe wieder zurück zu meinen Wurzeln. Für mich geht die Perspektive Landwirtschaft jetzt erst richtig los.

Bei der Mooh leiten Sie das Beschaffungswesen. Welche Tätigkeit umfasst dieser Bereich?

Leumann: Ich leite ein sechsköpfiges Team, das unsere rund 4000 Milchproduzenten betreut. Jeder neue Lieferant, in diesem Jahr waren es rund 70, wird in den ersten paar Monaten besucht. Alle unsere Produzenten werden betreut und bei Qualitätsproblemen unterstützt. Unser Einsatzgebiet erstreckt sich von Genf über die Nordwest- und Ostschweiz bis ins Bündnerland. St. Gallen ist dabei milchmengenmässig einer unserer wichtigsten Kantone.

Wie ist die aktuelle Lage auf dem Schweizer Milchmarkt?

Leumann: Im Winter haben wir saisonal immer ein grösseres Angebot, was zu saisonal tieferen Preisen führt. Im Sommer 2022 hatten wir sehr hohe Preise, auch weil die internationalen Notierungen sehr hoch waren. Seither ist der B-Preis stark gesunken, wodurch auch die Basispreise gedrückt wurden. Seit Anfang September spüren wir nun endlich eine Erholung des internationalen Marktes. Trotzdem leidet aktuell der für die Schweizer Milchwirtschaft sehr wichtige Käseexport unter dem starken Frankenkurs. Importware ist relativ günstig und wird von den Konsumenten recht häufig nachgefragt.

Markus Leumann ist als Chef des Schaffhauser Landwirtschaftsamtes zur Mooh gewechselt. Bilder: Thomas Güntert
Markus Leumann ist als Chef des Schaffhauser Landwirtschaftsamtes zur Mooh gewechselt. Bilder: Thomas Güntert

Wer bestimmt den Milchpreis?

Leumann: Der Basispreis wird bei uns für jede Milchsorte über den Verkaufserlös abzüglich der eigenen Kosten im Voraus festgelegt, wobei die Mehrerlöse im Folgemonat an die Produzenten nachgezahlt werden. Weil wir unabhängig sind und über 60 Kunden beliefern, ist das Risiko verteilt. Es gibt uns aber auch die Möglichkeit, die Milch in die wertschöpfungsstarken Kanäle zu leiten und damit den Milchpreis positiv zu beeinflussen. Gerade 2021 und 2022 ist uns das sehr gut gelungen und wir konnten das Milchpreisniveau in der Schweiz anheben.

Welche Rolle spielt die Biomilch bei der Mooh?

Leumann: Eine grosse Rolle. Wir haben rund 450 Biomilchproduzenten, und etwa zehn Prozent unserer Milch sind Biomilch. Aktuell profitieren die Biomilchbauern von einer hohen Nachfrage und wir konnten den Basispreis für November um einen Rappen anheben. Derzeit haben wir aber fünf Produzenten, die sich aufgrund der 2022 in Kraft getretenen neuen Produktionsanforderungen aus der Bioproduktion zurückziehen. Diese Anforderungen beinhalten die Begrenzung des Kraftfutteranteils auf fünf Prozent und die Notwendigkeit, dass das gesamte Futter aus Schweizer Knospe-Produktion stammt.

Der Grüne Teppich wird ab 1. Januar 2024 für alle verpflichtend. Was bedeutet das für die Milchproduzenten?

Leumann: Die Betriebe müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllen, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, und erhalten dafür einen Zuschlag von drei Rappen pro Kilo A-Milch. Mit den vielfältigen Anforderungen hilft der Grüne Teppich, uns gegenüber der ausländischen Milchproduktion zu differenzieren. Ab dem 1. Januar 2024 dürfen wir nur noch Milch mit dem Grünen Teppich abholen. Sollte das für einen Betrieb nicht möglich sein, gibt es Kompensationsmöglichkeiten.

Welche Grundvoraussetzungen muss man erfüllen, um Mitglied bei der Mooh zu werden?

Leumann: Unsere Mitglieder müssen Milchproduzenten sein. Wir unterscheiden zwischen unseren Direktlieferanten, die abgesehen vom Eigenverbrauch und der Direktvermarktung über den Hofladen, die gesamte Milch an uns liefern und Tunnellösungsmitglieder, die ihre Milch an eine Käserei liefern. Sollte aus irgendeinem Grund ein Tunnellösungsmitglied seine Milch nicht an die Käserei liefern können, nimmt Mooh die Milch ab. Alle Mitglieder haben also eine Absatzsicherung.

Wird die Milch auch in Zukunft der wichtigste Produktionszweig in der Schweizer Landwirtschaft bleiben?

Leumann: Ja sicher. Die Milch ist in der Schweizer Landwirtschaft die Königsdisziplin und bringt sehr viel Wertschöpfung auf die Betriebe. Sie ist ein Koppelprodukt von Landschaft und Produktion und die effizienteste Art und Weise, Gras in ein hochwertiges Nahrungsmittel zu verwandeln. Bauern sind die wichtigsten Landschaftspfleger in der Schweiz und bieten Versorgungssicherheit. Dafür werden sie auch richtigerweise mit Direktzahlungen unterstützt. Die Mooh setzt sich dafür ein, dass der Erlös aus der Produktion so hoch wie möglich ist. Als Vermarktungsorganisation und Genossenschaft wollen wir das Geld für unsere Mitglieder am Markt erwirtschaften und damit auch die Abhängigkeit von Direktzahlungen reduzieren.

Wie sehen Sie die Zukunft der Schweizer Milchbauern?

Leumann: Auf dem weltweiten Markt zeigen aktuelle Prognosen, dass die Nachfrage nach Milch deutlich stärker wächst als das Angebot. Hinzu kommt, dass die Schweiz die perfekten klimatischen und topografischen Bedingungen für die Milchproduktion hat. Es ist wichtig, dass die Milchproduktion in der Schweiz attraktiv bleibt, dass es gute Rahmenbedingungen gibt und auf dem Markt gute Preise gelöst werden können. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer hohen Qualität der Milch und unserem Standard in der Tierhaltung unsere Swissness ausspielen können, und glaube an die Zukunft der Schweizer Milchwirtschaft.

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