PFAS: St.Galler Bauernverband nimmt Stellung

Die Regierung informierte am 28. August über PFAS-Belastungen in landwirtschaftlichen Böden. Die Meldung löste bei den betroffenen Betrieben grosse Unsicherheit aus. Der St. Galler Bauernverband verlangt nach Antworten; Geschäftsführer Mathias Rüesch nimmt im Interview Stellung.

Im Nordosten des Kantons St. Gallenwurden punktuell erhöhte PFAS-Belastungen im Fleisch nachgewiesen. Betroffen sind derzeit fünf landwirtschaftliche Betriebe. Für sie bedeuten die gefundenen Chemikalien starke Einschnitte in der Produktion. PFAS (Per- und polyfluorierten Alkylverbindungen) können von kontaminierten Böden über die Nutztiere, die auf den Wiesen weiden, in Lebensmittel übergehen. Seit 1. August 2024 gilt bundesweit ein Höchstwert für PFAS von 0,3 Mikrogramm pro Kilo Fleisch. Bei Milch und Milchprodukten fehlen die gesetzlichen Höchstwerte noch. Diese sollen 2026 eingeführt werden.

Bei den betroffenen Betrieben wurden Milch und Fleisch untersucht und dabei festgestellt, dass die Werte in Fleisch und/oder Milch zu hoch sind. Die Landwirte erhielten kurz vor der Medienkonferenz der Regierung, die am 28. August stattfand, eine Verfügung des Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen. Darin werden sie angewiesen, Massnahmen zur Senkung der PFAS-Werte zu unternehmen. Die Betriebe müssen sicherstellen, dass die PFAS-Höchstwerte im Fleisch ihrer Tiere nicht überschritten werden. Der Kanton vermutet als Ursache für die PFAS-Belastungen in den Böden in vielen Fällen Klärschlamm aus Abwasserreinigungsanlagen (ARA), der mit PFAS belastet war. Dieser durfte mit behördlichen Segen und auf Drängen der ARAs bis 2006 als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden.

Das PFAS kam über die Böden und Gras ins Fleisch der Tiere. Bild: zVg.
Das PFAS kam über die Böden und Gras ins Fleisch der Tiere. Bild: zVg.

Wut und Unsicherheit

Die Unsicherheit und eine gewisse Wut auf die Behörden sind gross. Unsicherheit, weil viele der Betriebe nicht wissen, wie es weitergehen soll. Zudem sind viele derzeit nicht beprobte landwirtschaftliche Betriebe in diesem Gebiet unsicher, ob sich nicht auch PFAS in ihren Böden befindet. Auch das Vertrauen der Konsumenten ist geschwächt, dies obwohl keiner der betroffenen Betriebe gesperrt ist und weiter Lebensmittel produzieren darf.

Die betroffenen Landwirte sind wütend, weil sie in die Verantwortung gezogen werden, für etwas, das sie nicht zu verschulden haben. Man ist auch verärgert über die Art der Kommunikation mit den betroffenen Bauern und über das Ergebnis der Medienkonferenz. Schlagzeilen wie «Kanton St. Gallen stoppt Fleisch von belastetem Fleisch» oder «PFAS-Alarm in der Ostschweiz: Zu viele Chemikalien im Fleisch – nun verhängt St. Gallen ein Verkaufsverbot» verunsicherten die Bevölkerung – und die Bauern.

SGBV involviert

Die Geschäftsstelle des St. Galler Bauernverbands (SGBV) hat viele Anfragen zum Thema. Geschäftsführer Mathias Rüesch nimmt im Interview Stellung zur Situation.

Die Meldung, dass die Böden der Betriebe mit PFAS belastet sind, hat den Wert dieser Bauernhöfe massiv sinken lassen. Von heute auf morgen sind Existenzen infrage gestellt worden. Was können diese Betriebe dagegen machen?

Mathias Rüesch: Man kann davon ausgehen, dass der Wert dieser Höfe aktuell gesunken ist. Alle Flächen dieser Betriebe werden nun beprobt, damit man weiss, welche genau von PFAS betroffen sind. Das schafft sicher mehr Klarheit. Zurzeit mangelt es an Informationen auf allen Ebenen – das ist ein grosses Problem und das schafft zusätzliche Unsicherheit. Im Moment konnten bei manchen Betrieben erhöhte PFAS-Werte in Fleisch und/oder Milch festgestellt werden, die aufgrund von punktuellen Proben erhoben wurden. Aufgrund dieser Proben wird die ganze Existenz der Bauernfamilien infrage gestellt.

Warum gibt es so wenig Infos?

Rüesch: Beprobungen sind bis jetzt nur punktuell und an wenigen Orten erfolgt. Der Kanton ist erst dran, ein Beprobungskonzept in die Wege zu leiten.

Kann man davon ausgehen, dass früher oder später noch weitere betroffene Betriebe hinzukommen?

Rüesch: Der Kanton wird sich wahrscheinlich vorerst auf Beprobungen im genannten Gebiet konzentrieren. Sinnvoll wäre es aber, wenn man die Beprobungen nicht nur auf den Kanton St. Gallen beschränken, sondern gesamtschweizerisch Untersuchungen vornehmen würde. Deshalb wird vom Kanton St. Gallen auch die Umsetzung eines nationalen Aktionsplans gefordert.

Kritisiert wird auch die Kommunikation des Kantons. Die betroffenen Bauern wurden (zu) kurzfristig vor der Medienkonferenz informiert.

Rüesch: Die Bauern und der SGBV wären gerne frühzeitig und vor allem vorgängig informiert worden. Dass die Bauern die Neuigkeit nur kurzfristig auf dem schriftlichen Weg und aus den Medien erfahren haben, führt zu Unverständnis.

Was hätte denn der SGBV gemacht, wenn der Verband früher informiert worden wäre?

Rüesch: Aus unserer Sicht hätte der Lead beim Bund liegen sollen. Es müssten mehr konkrete Informationen vorliegen – vor allem im Hinblick auf die zukünftige Vorgehensweise, bevor man informiert. So wie es jetzt passiert ist, hat es nur Panik in der Bevölkerung geschürt und niemand weiss, wie es weitergeht.

Die Regierung möchte nun das Gespräch mit jedem Betrieb suchen und nach individuellen Lösungen suchen. Das tönt hoffnungsvoll.

Rüesch: Der Kanton hat versprochen, dass er zeitnah mit den betroffenen Betrieben Kontakt aufnimmt. Die Hoffnung ist das eine, grundsätzlich geht es aber darum, dass den Bauernfamilien möglichst rasch Perspektiven aufgezeigt werden.

Der Kanton bietet den betroffenen Betrieben auch Hand in Form von Überbrückungskrediten und Härtefallentschädigungen. Der SGBV erwartet aber vollständige Entschädigung.

Rüesch: Die Bauern haben in der Vergangenheit einen Dienst an der Gesellschaft erbracht, in dem sie den Klärschlamm auf ihren Feldern ausbrachten. Man hat ihnen empfohlen, das zu tun. Das PFAS-Problem hat die Landwirtschaft nicht verschuldet respektive zu verantworten. Es ist ein Problem, das die Gesellschaft der Landwirtschaft aufgebürdet hat; entsprechend müssen die Betriebe auch von der Gesellschaft schadlos gehalten werden.

Es hat nur Panik geschürt und niemand weiss, wie es weitergeht

Diese Entschädigung soll was beinhalten? 

Rüesch: Alles. Die Betriebe müssen komplett schadlos gehalten werden. Wenn ihre Böden nicht mehr bewirtschaftet werden können und der Kanton ihnen im schlimmsten Fall vorschreibt, dass sie die Betriebe aufgeben müssen, dann soll das vollständig entschädigt werden. Da geht es um Existenzen.

Der SGBV verlangt in erster Linie, dass die Produktionsgrundlagen der Betriebe erhalten bleiben. Wie soll das gehen?

Rüesch: Es ist noch so vieles unklar. Man weiss nicht, ob man das belastete Futter mit Unbelastetem mischen kann. Kann man mit den Böden weiterarbeiten oder sind sie komplett von der Produktion ausgenommen? Es gibt keine klaren Antworten, aber sehr viele offene Fragen.

Bald sollen auch Eier, Früchte und Gemüse unter die Lupe genommen werden. Der Höchstwert für Milch soll 2026 eingeführt werden. Das wird erneut viel Unsicherheiten auslösen. Wie geht der SGBV damit um? Ist der Verband bereit?

Rüesch: Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen. Aber auch auf schweizerischer Ebene müssen wir dafür sorgen, dass diese Situation pragmatischer und realitätsnäher betrachtet werden kann.

Nicht nur Bauern sind verunsichert, sondern auch Konsumenten. Die Bauern haben nun die Möglichkeit, ein Factsheet des Kantons mit Informationen zur PFAS-Belastung in Lebensmitteln in ihrem Hofladen oder am Markt aufzulegen. Reicht das?

Rüesch: Es sollte nicht die Aufgabe der Bauern sein, die Konsumenten aufzuklären, dass die Lebensmittel unbedenklich sind. Wir erwarten von den Behörden, von der Regierung, dass sie diesen Job selber macht. Sie soll hinstehen und öffentlich kommunizieren.

Es sind viele Fragen offen, es gibt nur wenige Antworten. Die Zeit drängt, die betroffenen Bauern wollen und müssen mehr wissen. Macht der SGBV Druck?

Rüesch: Der SGBV versucht auf allen Ebenen die Interessen der betroffenen Betriebe, aller Betriebe im genannten Gebiet und im restlichen Kanton zu vertreten. Wichtig ist es nun, die Situation so rasch wie möglich zu klären und den Bauernfamilien eine Perspektive zu bieten.

 

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