Ueli Bietenhader erzählt Geschichten in Mundart

Ueli Bietenhader aus Altstätten verdiente seinen Lebensunterhalt als Realschullehrer und Musikpädagoge. Daneben war er Dirigent, Komponist, Instrumentenbauer, Filmemacher, Geschichtenerzähler und Autor. In seinen Büchern erzählt er «woori Gschichte» aus seiner Kindheit in Altstätter Mundart.

Dem pensionierten Realschullehrer und Musikpädagogen Ueli Bietenhader liegt die Altstätter Mundart am Herzen.
Dem pensionierten Realschullehrer und Musikpädagogen Ueli Bietenhader liegt die Altstätter Mundart am Herzen.

Böse Zungen behaupten, die Rheintaler hätten den hässlichsten Dialekt der Schweiz. Kein anderes «Schwiizer Dütsch» ist breiter und rauer als das im Tal mit dem gleichnamigen Fluss an der Grenze zu Vorarlberg und Liechtenstein. Hier braucht man Kraftwörter nicht nur zum Fluchen, sondern auch zum Sagen, wie gut es einem gefallen hat: «Da isch huarra schöa gsi.» Statt ein «herziges» oder «hübsches» Kind sagen die Rheintaler «an huarra lüüba Goof». Typische Rheintaler Wörter sind zum Beispiel «Hopp» für hallo, «Meattig» für Mittag, «Buärli» für Erbsen, «Boa» für Bein, «Stoa» für Stein, «Käär» für Keller und «Loat» für Papiersack. Doch Rheintaler Dialekt ist nicht gleich Rheintaler Dialekt. Die Menschen am Rhein sind bekannt für ihre vielfältigen Traditionen und verschiedenen Mundarten.

Für Ueli Bietenhader ist der Rhein eine Art sprachlicher Kompass für den Dialekt und seine Mundarten. Deshalb geht es für den pensionierten Lehrer und Musikpädagogen dort auch sprachlich breit und rau zur Sache. «Je braater s Taal am Rhii ischt, deschto braater wöört o gschnorret. Dr Dipildsouer ‚moant‘, dr Balgacher ‚monnt‘ und dr Altstätter ‚maant‘, zeigt der Altstätter Mundarterzähler die sprachlichen Unterschiede auf. Noch vor nicht ganz einem halben Jahrhundert habe jedes Dorf einen eigenen unverkennbaren Dialekt gesprochen. Sprachkundige konnten bereits nach wenigen Wörtern die Mundart einem Dorf zuordnen. Heute sei das kaum mehr möglich. Die Sprache habe sich vermischt, nachdem Menschen aus anderen Regionen und anderen Ländern zugezogen sind. Auch Radio, Fernsehen und Internet hätten zur Veränderung der Dialekte beigetragen.

Vom Lehrer zum Erzähler

Die Freude an der Mundart des Marktstädtchens Altstätten keimte bei Ueli Bietenhader in der Zeit als Realschullehrer und Musikschulleiter. Damals schrieb er Geschichten für den Schulunterricht. «Mich störte damals, dass oft Geschäftsbriefe in Mundart geschrieben wurden. Das passte für mich nicht zusammen. Doch Geschichten aus Altstätten im Altstätter Dialekt ist ganz was anderes», erzählt der heute 87-jährige Mundartautor. So entstand die erste Mundartgeschichte aus der Feder des Realschullehrers und im November 1999 erschien das erste Buch mit 25 Kurzgeschichten aus seiner Kindheit und Jugendzeit in Altstätten. Damit man den Klang der Original Altstätter Mundart auch hören kann, gab es zum Buch eine CD mit zwölf Geschichten und vom Autor selbst gespielten Musikstücken dazwischen. Die Erzählungen aus den 1940er- und 1950er-Jahren riefen bei manchen Altstätterinnen und Altstättern Erinnerungen wach. So war die Resonanz auf das Buch, welches Bietenhader selbst herausgab, sehr gross und die erste Auflage von 1000 Exemplaren bald vergriffen.

Je braater s Taal am Rhii ischt, deschto braater wöört o gschnorret.

Mit Altstätten verbunden

Der Realschullehrer und Musikschulleiter Ueli Bietenhader hat in seinem Leben als Musiker, Komponist, Dirigent, Instrumentenbauer, Filmemacher und Autor beeindruckende Werke erschaffen. Seine Augen leuchten, wenn er von seinen verschiedenen Herzensangelegenheiten erzählt. Weit über die Region hinaus bekannt ist der Geschichtenerzähler von seinen Lesungen, die ihn in alle Ecken der Schweiz führten. Zu hören war er im Schweizer Radio in der Mundartsendung «Schnabelweid». Nachdem er als vierjähriger Knirps mit seinen Eltern und vier Schwestern von Heiden nach Altstätten gezogen war, hat er das Marktstädtchen, abgesehen von einem Welschlandaufenthalt und Ferienreisen, nicht mehr verlassen. Seinen beruflichen Werdegang startete der junge Primarschullehrer nach vierjähriger Seminarzeit im gleichen Schulhaus, wo er seine eigene Schulzeit absolviert hatte. Später, nach der Ausbildung zum Realschullehrer galt sein Interesse dem Schulgesang und der Stimmbildung bei Kindern und Erwachsenen. Das bewog ihn dazu, ein berufsbegleitendes Gesangsstudium zu machen und später am Konservatorium Feldkirch und Zürich die Ausbildung zum Schulmusiker zu absolvieren. Neben seinem Beruf als Lehrer und Musikpädagoge war Ueli Bietenhader Dirigent von verschiedenen Chören und Orchestern, schrieb für sie passende Musikwerke und baute in seiner Werkstatt in seinem Haus am Mühlackerweg Musikinstrumente.

Alles reine Wahrheit

Auch nach seiner Pensionierung hatte Ueli Bietenhader «tausend Sache im Grind». Viele davon setzt er um. Wobei Geschichten in Altstätter Mundart zu schreiben, zu seiner Herzensangelegenheit wurde. Kurz nach Beginn des dritten Lebensabschnitts kam im September 2003 im Verlagshaus Schwellbrunn sein zweites Buch «Roote Holder» heraus. Eine Sammlung von 74 Geschichten und einer CD in Altstätter Mundart. Wieder erzählt der Autor von seiner Kindheit, der Schulzeit, vom Leben in Altstätten, von seiner Zeit im Welschland und seiner Ausbildung am Lehrerseminar in Rorschach. Im dritten Mundartbuch «Mollmoll» erzählt Ueli Bietenhader Kurzgeschichten und Anekdoten von «möör Goofe», «vomm Militäär» und von Menschen, mit denen ihn prägende Erlebnisse verbinden. Der Buchtitel seines vierten Buches ist eine Zusicherung, dass nichts aus seiner Feder erfunden ist, «Und alls isch woor», was er in Altstätter Mundart erzählt. Es ist eine erstaunliche Vielfallt an Geschichten und Anekdoten aus längst vergangener Zeit, an die sich der mittlerweile 87-Jährige noch erinnert. «Damals hatten wir ja auch noch nicht so eine Reizüberflutung wie heute. Wir hatten zu Hause noch kein Telefon, keinen Fernseher und anfangs auch kein Radio», relativiert Bietenhader sein Erinnerungsvermögen. Viele Begebenheiten werden beim Spazieren im Städtli wieder wach. Am Ort, wo er fast sein ganzes Leben verbracht hat, ist jedes Haus, jede Ecke und fast jeder Pflasterstein mit einem Erlebnis verknüpft, das ihm wieder in den Sinn kommt, wenn er dran vorbeigeht. Im Mittelpunkt seiner Geschichten stehen Altstätterinnen und Altstätter mit all ihren Stärken und Schwächen, mit ihren «Möödeli» und Macken. Manche von ihnen sind bereits verstorben. An die meisten können sich nur noch die älteren Menschen erinnern. So wahr wie die Geschichten, sind auch die Namen der Protagonisten. Die Mundartgeschichten von Ueli Bietenhader sind eine Hommage an das Städtchen Altstätten und seine Einwohner anno dazumal.

Mit «Gschichte vonnere Juget», «Roote Holder», «Mollmoll» und «Und alls isch woor» hat sich Ueli Bietenhader als Mundartautor einen Namen gemacht.
Mit «Gschichte vonnere Juget», «Roote Holder», «Mollmoll» und «Und alls isch woor» hat sich Ueli Bietenhader als Mundartautor einen Namen gemacht.

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