«Was ich restauriere, behalte ich»
Bruno Singer aus Gachnang im Kanton Thurgau besitzt 18 Massey-Ferguson-Oldtimer, die er alle selbst restaurierte. Er ist markentreu und für seine Sammlung kamen – und kommen – nur spezielle Modelle infrage.
Der 71-jährige Bruno Singer wuchs in einem bäuerlichen Umfeld in Gachnang auf. Sein Vater führte einen Betrieb mit Ackerbau und setzte für die Feldarbeit Massey-Ferguson-Traktoren ein. Die Begeisterung für Traktoren war bei Bruno Singer dadurch schon früh geweckt. Diese hält bis heute an, obwohl er sich bei der Berufswahl nicht für die Landwirtschaft entschied. Er erlernte den Beruf Säger und arbeitete später als Maschinist während Jahrzehnten auf dem Strassenbau. Seit 2013 ist er pensioniert, aber eigentlich eher im «Unruhestand», wie er selbst sagt. Er ist als Waldverwalter der Bürgergemeinde fast täglich im Forst tätig und stellt unter anderem Brennholz zusammen. In seiner geräumigen Halle am Dorfrand stehen MF-Oldtimer, die allesamt so restauriert sind, dass sie für den Einsatz im Feld oder auf dem Bau funktionstüchtig wären. Als er 1978 begann, seine Traktorensammlung aufzubauen, stand für ihn fest, dass es spezielle Modelle sein müssen. Als Erstes kaufte er einen Hanomag R22, Baujahr 1952, und restaurierte ihn. Die Hannoversche Maschinenbau AG, bekannt als Hanomag, war ein 1871 gegründetes Unternehmen der Maschinenbaubranche, das neben Nutzfahrzeugen, Lkws, Ackerschleppern und Zugmaschinen auch Personenwagen herstellte. Es sind diese wechselhaften Veränderungen in den Firmengeschichten von Traktorenherstellern, die Bruno Signer ebenfalls faszinieren.
«Limited Edition»
Anfang der 1980er-Jahre kaufte sich Bruno Singer einen Massey-Harris mit Benzinmotor. Massey-Harris war ein kanadisches Landmaschinenunternehmen, das 1953 durch Fusion mit der Harry Ferguson Limited in Massey Ferguson aufging. «Das Besondere an diesem Modell war, dass es in nur geringer Stückzahl in die Schweiz importiert wurde», erklärt Bruno Singer. Später erwarb er ausschliesslich erlesene MF-Sammlerstücke. Zu seiner Sammlung gehören beispielsweise die MF-Modelle TEA, FE 35, 97 oder die Knicklenker 1200 und 1805. Die Modelle wurden in England, Frankreich, Italien, Kanada und den USA gebaut. Seine Oldtimer stammen aus den Produktionsjahren zwischen 1947 und 1979. Der MF97 beispielsweise wurde von Minneapolis-Moline in den USA gebaut und ist baugleich mit dem Modell G705. Massey Ferguson hatte zu dieser Zeit keinen Traktor mit über 100 Pferdestärken im Angebot und kaufte circa 3500 Fahrzeuge in MF-Farbgebung bei Minneapolis-Moline ein. «Unser Modell wurde aus Kanada importiert und von uns restauriert. Es verfügt nur über eine Handkupplung. Für die grossen Felder in Übersee stellte dies kein Problem dar, jedoch erfordert es auf Schweizer Strassen etwas Konzentration bei Ausfahrten», so Bruno Singer.
Spezielle Modelle
Auch speziell sind die beiden grossen Knicklenker 1200 und 1805. Diese wurden in geringer Stückzahl (ca. 2000 Stk.) in den 1970er-Jahren hergestellt. Der «kleine» MF 1200 mit 105 Pferdestärken wurde in England gefertigt und in geringer Stückzahl auch in der Schweiz offiziell verkauft. «Unser 1200-er stammt aus der Region. Der MF 1805 mit 210 PS wurde in Amerika gebaut und war für die grosse Prärie konzipiert.» Da dieses Modell in Europa offiziell nicht verkauft worden sei, gebe es davon in Europa nicht einmal ein Dutzend davon. «Unser MF 1805 stammt aus dem Baskenland in Spanien, und gelangte mit einem Tieflader in die Schweiz», erklärte Bruno Singer. Sein Sohn Markus, der im Informatikbereich tätig ist, teilt mit ihm die Begeisterung für Oldtimer-Traktoren. «Ich habe schon seit jeher mit Interesse das Hobby meines Vaters beobachtet. Als ich ab März 2020 wegen der Pandemie ausschliesslich im Homeoffice arbeiten musste, war ich zum Ausgleich häufiger in der Werkstatt.» Er hatte seinem Vater auch beim Bau der Halle für seine Oldtimer-Sammlung geholfen. Vater und Sohn sind sowohl von der Marke wie auch von der bewegten Firmengeschichte von Massey Ferguson fasziniert. Das Unternehmen kaufte andere Firmen auf, bevor es letztendlich selbst im Jahr 1997 von AGCO übernommen wurde. Heute werden die MF-Modelle in Werken in Europa, China, Brasilien und den USA gebaut.
Zeitzeugen erhalten
Wenn Bruno Singer Ersatzteile benötigt, hilft ihm sein Sohn bei der Suche mittels Internet. Es sei manchmal erstaunlich, dass man dabei in Werkstätten in den entlegensten Gegenden der Welt fündig werde. Das Credo von Bruno Singer lautet: «Was ich restauriere, behalte ich.» Er findet allerdings, dass man einem Oldtimer durchaus auch Gebrauchsspuren ansehen darf. In seiner Werkstatt hat Bruno Singer eine Holzbank mit der Verdankung für seine langjährige Vorstandsarbeit beim Verein «Freunde alter Landmaschinen Sektion Ostschweiz» (Falso). Im Falso ist er nach wie vor Mitglied. «Meiner Meinung nach hat sich die Oldtimer-Szene stark verändert. Tendenziell herrscht heute auch hier mehr Hektik, das behagt mir nicht.» Im Gegensatz zu manchen seiner Sammlerkollegen begibt sich Bruno Signer mit seinen Traktoren nicht auf die Strasse. Er hat einen Anhänger, um Oldtimer an einen speziellen Anlass mitzunehmen, wo das Umfeld dafür passend ist. So war er zum Beispiel in Tänikon mit zwei Falso-Kollegen, wo sie nebst Oldtimer-Traktoren auch Handwerk und Brauchtum, wie Holz spalten und Mostpressen, vorstellten. «Ich finde es wichtig, dass solches erhalten bleibt, als Zeitzeugen.» Als er 2005 erfuhr, dass eine Seilerei in Wangen an der Aare ihre Tore schloss, erwarb er einen Teil der Gerätschaften. Bei passenden Gelegenheiten, beispielsweise im Schaudepot des Historischen Museums Thurgau in St. Kathrinental, führte er Anfang Mai dem Publikum das Handwerk des Seilens vor.
Platzkapazitäten am Limit
In bester Erinnerung ist Bruno Singer auch die grosse Traktorenausstellung im Jahr 2018 auf der Allmend in Frauenfeld. Hunderte von Oldtimer-Freunden aus allen Teilen der Schweiz waren präsent und begeisterten damit Tausende von Besuchern. Bruno Singer war an diesem Grossanlass mit seiner Walze aus dem Jahr 1951 von Greens dabei. Ein Traktorenwerk hat Bruno Singer noch nicht besucht. Ihn interessieren Museen und Ausstellungen, beispielsweise das Internationale Historische Festival im holländischen Panningen, wo Traktoren aus allen Epochen und verschiedenster Hersteller zu sehen sind. Bruno Singer prüfte die jeweiligen Oldtimer-Anschaffungen mit seinem Sohn, bevor er diese erwarb. «Wenn man im Internet einen Traktor kaufen möchte, muss man sich vor Ort vergewissern können, ob der Traktor in gutem Zustand ist und sich der Restaurationsaufwand lohnt.» Auf die Frage, ob er noch Kapazitäten habe, um seine Sammlung zu erweitern, schmunzeln Senior und Junior. Unisono meinen sie: «Momentan sind unsere Kapazitäten am Limit und Platzressourcen ausgeschöpft.» Bruno Singer findet es wichtig, dass eine Sammlung überschaubar bleibt. In die Restauration eines Oldtimers investierte er durchschnittlich geschätzte 80 Stunden. «Ich bin natürlich nicht tageweise am Restaurieren, dieses kann ich nur stundenweise und neben den anderen Verpflichtungen und dem Familienleben. Es war aber während meiner aktiven Berufszeit bereits so, dass ich Prioritäten entsprechend setzte.»
Freude an Oldtimern
In loser Folge stellt der «St. Galler Bauer» Oldtimer-Freunde und ihre Fahrzeuge vor. In jedem Oldtimer steckt ein Stück Zeitgeschichte. Was macht den Oldtimer für seinen Halter so besonders? In dieser Ausgabe präsentiert Bruno Singer aus Gachnang seine Massey-Ferguson-Oldtimer. red.