Zecken: Risiko für die Berglandwirtschaft?

Klimawandel und veränderte Umweltbedingungen führen zu einer Zunahme der Zeckenpopulationen auch in höheren Lagen. Das beeinträchtigt nicht nur die Gesundheit des Viehs, sondern auch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion.

In den letzten Jahren haben sich in den Berg- und Alpgebieten Berichte von Landwirten sowie Sennern gehäuft, die eine Zunahme von Zeckenpopulationen beobachten. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine gesundheitliche Bedrohung für das Vieh dar, sondern beeinflusst auch direkt die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion.

Zecken in höheren Lagen

Josef Doppmann, Leiter der Melkberatung bei der Genossenschaft Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), bestätigt die zunehmende Verbreitung von Zecken: «Ja, uns sind einzelne Betriebe bekannt, die vermehrt mit Zecken zu kämpfen haben», erklärt er. Die Situation betreffe vor allem Weidebetriebe. «Daten über die Anzahl betroffener Betriebe haben wir allerdings nicht und auch regional lässt sich keine Aussage machen», fügt er an. Die vage Datenlage erschwert es, das Ausmass des Problems genau zu erfassen, doch betroffene Landwirte spüren die Auswirkungen bereits deutlich.

Auch Michèle Bodmer, Leiterin des Departements für klinische Veterinärmedizin an der Universität Bern, sieht in der wachsenden Verbreitung von Zecken ein zunehmendes Problem: «Die Problematik wurde in den letzten fünf Jahren vermehrt beschrieben», bestätigt sie. Dies deutet darauf hin, dass es sich nicht nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt, sondern um eine langfristige Veränderung, die die Viehhaltung in den Alpen beeinflussen könnte.

Zecken werden für das Vieh auf der Alp zunehmend zum Problem. Bild: zVg.
Zecken werden für das Vieh auf der Alp zunehmend zum Problem. Bild: zVg.

Klimawandel als Motor

Die Ursachen für die zunehmende Zeckenproblematik sind vielschichtig, aber der Klimawandel spielt eine zentrale Rolle. «Vor etlichen Jahren kam die häufigste Zecke in der Schweiz, Ixodes ricinus, bis auf maximal 1000 Meter über Meer vor – diese Grenze ist im Zuge der Klimaveränderung deutlich angestiegen und wird mittlerweile auf etwa 2000 Meter über Meer geschätzt», beschreibt Caroline Frey, Co-Direktorin des Instituts für Parasitologie an der Universität Bern, die Situation. Durch die milderen Temperaturen können die Zecken im Winter nun auch in höheren Lagen überleben, was früher kaum der Fall war.

Daniela Serio, Leiterin der Abteilung Beratung und Kommunikation bei Info Fauna, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Fauna, ergänzt: «Die veränderten klimatischen Bedingungen könnten ein Grund dafür sein, warum die Zecken unter anderem in Lagen zwischen 500 und 1000 Metern über Meer zunehmen.» Trotz der Zunahme in mittleren Höhenlagen blieben Zecken oberhalb von 1500 bis 2000 Metern über Meer aber noch relativ selten, sagt sie. «Dieses Jahr könnte die erhöhte Feuchtigkeit in den Frühlings- und Sommermonaten aber zu einer stärkeren Ausbreitung geführt haben», erklärt sich Daniela Serio eine möglicherweise erhöhte Zeckendichte auf den Alpen in diesem Jahr.

Neue Zeckenarten

Neben den heimischen Zeckenarten treten in der Schweiz zunehmend auch neue Arten auf, die durch den Klimawandel begünstigt werden: «Beispielsweise Hyalomma marginatum – diese Zecken sind aber im Vergleich zu Ixodes ricinus und anderen ‚einheimischen‘ Zecken noch selten», erklärt Caroline Frey. Die Anwesenheit solcher Arten könnte jedoch in Zukunft zu einer weiteren Verschärfung der Problematik führen, da sie möglicherweise neue Krankheitserreger übertragen.

«Zecken können verschiedene Krankheitserreger übertragen, die verursachen aber nicht primär Zellzahlerhöhung und Mastitis, eine schwere Entzündung der Milchdrüse und des Eutergewebes von Milchvieh», hebt Michèle Bodmer die gesundheitlichen Risiken hervor, die durch Zecken für das Vieh entstehen. Stattdessen führen sie meist zu fieberhaften Erkrankungen wie dem Weidefieber, das durch Anaplasma phagocytophilum, ein Bakterium, das durch Zecken übertragen werden kann, verursacht wird. «Die fieberhaften Erkrankungen führen zu einem massiven Milchrückgang», erklärt Michèle Bodmer. Diese Krankheiten haben erhebliche Auswirkungen auf die Milchleistung und können für die betroffenen Betriebe ein ernstes wirtschaftliches Risiko darstellen.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zeckenproblematik sind beträchtlich, insbesondere wenn die Milchqualität durch erhöhte Zellzahlen und veränderte Milchinhaltsstoffe beeinträchtigt wird. «Wenn eine Entzündung eintritt, sinkt die Milchleistung zum Teil stark und die Milchinhaltsstoffe sind verändert», erläutert Josef Doppmann von der ZMP. Dies betrifft insbesondere die Kasein- und Calciumwerte, die für die Käseproduktion von entscheidender Bedeutung sind. «Speziell auf den Alpen, wo die Milch verkäst wird, hat das wirtschaftliche Folgen», fügt er hinzu und ergänzt: «Die Milch gerinnt nicht mehr richtig, es entsteht mehr Staub bei der Käseproduktion, dies führt zu Ausbeuteverlusten und Qualitätsproblemen.»

Diese Qualitätsprobleme können die Rentabilität der Milchproduk-tion erheblich mindern und dazu führen, dass Landwirte ihre Produktionsmethoden allenfalls überdenken müssen: Was tun mit der Milch, wenn sie die für die Käseproduktion erforderlichen Qualitäten nicht mehr erfüllt? Allenfalls kann anstelle von Milchproduktion beispielsweise auf die Mastkälberhaltung umgestellt werden, um wirtschaftliche Verluste zu minimieren.

Prävention und Behandlung

Die Bekämpfung der Zecken stellt Landwirte, aber auch Tierärzte vor Herausforderungen, denn derzeit gibt es nur wenige wirksame Massnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung des Zeckenbefalls. «Der einzige zugelassene Wirkstoff für die Zeckenabwehr ist das Insektizid Deltamethrin, mit einer allerdings kurzen Wirkdauer», erklärt Michèle Bodmer. Die kurze Wirkungsdauer und die damit beschränkte Wirksamkeit dieses Mittels machen eine Prävention schwierig.

Josef Doppmann beschreibt einige der Massnahmen, die Landwirte ergreifen können, um den Zeckenbefall zu minimieren: «Wenn das Problem frühzeitig festgestellt wird, kann mit gewissen Massnahmen wie Insektenblocker, regelmässigem Entfernen der Zecken ab dem Euter, Einreiben der Euter mit Eukalyptussalbe oder Auszäunen von befallenen Weidestellen etwas Gegensteuer gegeben werden.» Zusätzlich können angepasste Weidemanagementpraktiken wie das Vermeiden von hohem Gras und das Fernhalten der Kühe von Hecken und Sträuchern helfen, den Kontakt mit Zecken zu reduzieren.

Eine zunehmende Verbreitung von Zecken in den Berg- und Alpgebieten kann aber schnell zu einem ernstzunehmenden Problem werden, das sowohl die Gesundheit des Viehs als auch die wirtschaftliche Lage der Milchproduzenten beeinträchtigt: Klimatische Veränderungen, die neue Zeckenarten begünstigen, und die damit verbundenen Krankheiten stellen Landwirte vor neue Herausforderungen.

«Zecken können verschiedene Krankheits- erreger übertragen.»

Michèle Bodmer Klinische Veterinärmedizin Universität Bern

Der Klimawandel begünstigt das Vorkommen von Zecken. Bild: Pexels
Der Klimawandel begünstigt das Vorkommen von Zecken. Bild: Pexels

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