«Situation dürfte zum Standard werden»

Gerade im Gemüsebau ist es zentral, dass genügend Wasser für die Pflanzen zur Verfügung steht. Trockenperioden stellen die Gemüseproduzenten vor Herausforderungen – auch in Zukunft. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit wurde zudem die Wasserentnahme aus Flüssen und Bächen eingeschränkt.

 

Im Juni sind im Mittel über den ganzen Kanton nur 25 Prozent und bis Mitte Juli 35 Prozent der normal üblichen monatlichen Regenmengen gefallen. Seit Anfang Jahr fehlen je nach Region bis über 200 Milliliter Niederschlag im Vergleich zu einem Durchschnittsjahr. Der Pegelstand des Bodensees liegt 64 Zentimeter und der Pegelstand des Walensees 56 Zentimeter unter dem saisonal üblichen Mittel (Stand am 14. Juli). Damit liegen diese Pegelstände nur wenig über dem saisonalen Minimum. Viele der fliessenden Gewässer verzeichnen nach den Gewitterregen der letzten Woche bereits wieder Niedrigwasser. Auch die Grundwasserstände liegen zum Teil deutlich unter dem langjährigen Mittel. Die Wassertemperaturen in einigen Flüssen und Bächen erreichen Werte, die für Wasserlebewesen lebensbedrohlich sind.

Die Kreisregner bei Armin Risch sind nur in den verdunstungsarmen Tageszeiten in Betrieb. Bild: Katharina Rutz
Die Kreisregner bei Armin Risch sind nur in den verdunstungsarmen Tageszeiten in Betrieb. Bild: Katharina Rutz

Die teils tiefen Risse in Weiden und Wiesen sowie die Bewässerungen auf den Gemüseanbauflächen geben ebenfalls ein sichtbares Zeugnis der Trockenheit ab. «Bei ausbleibenden Regenfällen müssen wir nicht nur die frisch gesetzten oder gesäten Kulturen bewässern, sondern auch jene Kulturen, die kurz vor der Ernte stehen», sagt Armin Risch, Präsident der Gemüsebauvereinigung Rheintal. Das heisst, der Blumenkohl braucht Wasser, um seinen Kopf auszubilden, und der Salat, damit seine Blätter nicht braun werden.

Kurze Gewitter reichen nicht

Das Amt für Wasser und Energie des Kantons St. Gallen (AWE) hat am 10. Juli die Trockenheit in sieben Regionen des Kantons St. Gallen als erheblich (Stufe 3) eingestuft. Betroffen sind die Regionen St. Gallen-Rorschach, Rheintal, Linthgebiet, Unter- und Obertoggenburg, Neckertal und Fürstenland. Damit sich die Lage wieder entspannt, sind flächendeckende und langanhaltende Niederschläge nötig. Starke, aber kurze Gewitterregen mindern die Auswirkungen der Trockenheit nur vorübergehend. Situationen wie in diesem Sommer gab es in den letzten Jahren gehäuft. «Trockenperioden wie in den Sommern 2018, 2020, 2022 und heuer dürften künftig zum Standard werden», befürchtet Michael Eugster. Dies wirft für den Leiter des AWE die Frage auf, wie die Landwirtschaft mit dieser Situation künftig umgeht.

Armin Risch macht die Wasserknappheit tatsächlich ebenfalls Kopfzerbrechen. «Für uns ist es existenziell, dass immer genügend Wasser zur Bewässerung zur Verfügung steht, wenn es benötigt wird», sagt er. Deshalb will er auf seinem Betrieb in den nächsten Jahren vor allem die Speicherung von Wasser, zum Beispiel Niederschlagswasser von den Dachflächen seiner Treibhäuser, optimieren. Selbstverständlich bewässern seine Kreisregner die Felder nur in den verdunstungsarmen Tageszeiten. Dies, um den Wasserverbrauch tiefer zu halten. In trockenen Jahren werden beispielsweise im Rheintal nach Berechnung des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen (LZSG) in Salez für die Bewässerung rund 50 bis 100 Liter pro Quadratmeter benötigt.

Kleine Rüebli-Pflanzen haben noch keine tiefen Wurzeln und sind auf regelmässige Niederschläge angewiesen. Bild: zVg.
Kleine Rüebli-Pflanzen haben noch keine tiefen Wurzeln und sind auf regelmässige Niederschläge angewiesen. Bild: zVg.

Effizienz dank Digitalisierung

Weiter liegt Potenzial in neuen, effizienteren Bewässerungssystemen und je nach Kultur auch in der Sortenwahl beim Anbau. Dies ist das Fachgebiet von Vivienne Oggier vom LZSG in Salez. Ein solches System ist der sogenannte «Raindancer». Ein nachträglich installiertes GPS-Modul sorgt beispielsweise bei einem Regnerwagen dafür, dass exakt die Feldgrösse und nicht darüber hinaus bewässert wird. Die Beregnungsmenge muss vom Bewirtschaftenden festgelegt werden. Die Basisversion des «Raindancers» kann praktisch auf jeder Beregnungsanlage nachträglich installiert werden. Ausserdem gibt es Bestrebungen, die effiziente Bewässerung mittels Tropfschlauch auf mehr Kulturen auszuweiten. «So können beispielsweise Kartoffeln ebenfalls mittels Tropfschläuchen bewässert werden», sagt Vivienne Oggier.

Seit 2021 kann die Bewässerungs-App ALB ausserdem eine Bewässerungsempfehlung für eine Parzelle erstellen, auch wenn keine Sonden zur Messung der Bodenfeuchtigkeit installiert worden sind. Basierend auf Informationen zur Kultur, zum Boden und mithilfe von Wetterdaten berechnet die App eine Empfehlung zum Bewässerungszeitpunkt und zur Bewässerungsmenge. «Diese App ist sogar kostenlos», sagt Vivienne Oggier.

Die Bewässerung von Kartoffeln mittels Tropfschlauch ist ein effizientes Bewässerungssystem für diese Kultur. Bild: zVg.
Die Bewässerung von Kartoffeln mittels Tropfschlauch ist ein effizientes Bewässerungssystem für diese Kultur. Bild: zVg.

Gemeingebrauch eingeschränkt

Aufgrund der anhaltenden Trockenheit hat das AWE am 15. Juli den Gemeingebrauch in den sieben Regionen mit Stufe 3 mit wenigen Ausnahmen verboten. Wer also bisher maximal 50 Liter pro Minute aus kleineren Oberflächengewässern gefördert hat, darf dies ohne Bewilligung nicht mehr tun. Das kurzzeitige Befüllen von Viehtränkestellen bleibt weiterhin erlaubt. Als Ausnahme darf in den genannten Regionen aus folgenden Gewässern weiterhin Wasser bezogen werden: Bodensee, Zürich-Obersee, Alpenrhein, Alter Rhein bei Diepoldsau, Rheintaler Binnenkanal, Linthkanal, Thur bis Wattwil. Der Wasserbezug zum Gemeingebrauch ist im St. Galler Gesetz über die Gewässernutzung geregelt. Dem Grundeigentümer steht der Wasserbezug aus einem oberirdischen Gewässer oder öffentlichen Grundwasservorkommen bis zu 50 Liter je Minute frei. Entnahmen sind aber meldepflichtig. Das Wasser muss zum häuslichen, landwirtschaftlichen oder gewerblichen Eigengebrauch genutzt werden, und es dürfen im Gewässer keine ökologischen Nachteile entstehen. Vor allem in kleinen Bächen ist dies jedoch rasch einmal der Fall. Massgebend ist die Förderleistung der Pumpe. Gewässer für die Förderung aufzustauen ist verboten.

Gemeinsam gegen die Wasserknappheit: Michael Eugster, Martina Lehner, Vivienne Oggier und Armin Risch (von links). Bild: Katharina Rutz
Gemeinsam gegen die Wasserknappheit: Michael Eugster, Martina Lehner, Vivienne Oggier und Armin Risch (von links). Bild: Katharina Rutz

Bewilligung nötig

Wassernutzungen, die diesen Gemeingebrauch übersteigen, bedürfen einer Bewilligung des AWE. «Diese Bewilligungen unterliegen einem Verfahren und müssen 30 Tage öffentlich aufgelegt werden», weiss Martina Lehner, Fachspezialistin Wasserkraft beim AWE.

Wer also möglicherweise bewässern muss, sollte sich frühzeitig um eine Bewilligung kümmern. «Unser Gesetz kennt keine Notbewilligungen, wie dies teilweise in anderen Kantonen üblich ist», sagt Martina Lehner. Unbewilligte Wassernutzungen, die über den Gemeingebrauch hinausgehen, ziehen ein Strafverfahren nach sich.

Michael Eugster plädiert in Sachen Trockenheit für eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten und für einen sparsamen Umgang mit dem kostbaren Gut Wasser. «Damit das Wasser in unserem Kanton möglichst lange für alle nutzbar bleibt», sagt er.

Wasserentnahmeverbot auch im Thurgau

Das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau hat entschieden, ein Verbot für die Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern zu erlassen. Dieses Verbot gilt nicht nur für Bäche, Flüsse und natürliche Weiher, sondern auch für künstliche und bewirtschaftete Weiher wie Mühleweiher, Fischaufzuchtteiche und der Wasserkraftnutzung dienende Kanäle. Das Verbot ist am Freitag, 14. Juli, in Kraft getreten und gilt bis auf Widerruf. Vom Verbot ausgenommen sind diejenigen Wasserentnahmen für Bewässerungen, die Wasser aus Oberflächengewässern beziehen, die noch über genügend Wasserreserven verfügen. Dies sind zurzeit der Bodensee (Obersee, Untersee, Seerhein), der Hüttwilersee und der Rhein. Ebenfalls können Wasserentnahmen aus dem Grundwasser oder aus Quellen bis auf Weiteres zugelassen werden. pd.

 

 

 

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