Agri-Photovoltaik im Beerenanbau
Produktion von Lebensmitteln und Strom auf derselben Fläche. Seit 2022 ist dies in der Schweiz möglich. Im Beerenland im Berner Seeland hat Barbara Schwab Züger eine der grössten Anlagen des Landes in Betrieb genommen. Sie soll wichtige Erkenntnisse bringen.
Es ist ein neues Bild in der Schweizer Landschaft: Wo sonst Felder und Folientunnel das Bild prägen, stehen jetzt Photovoltaikmodule. Auf 0,2 Hektaren stehen sie über den Himbeeren und Erdbeeren des Beerenlandes von Barbara Schwab Züger im bernischen Gimmiz. Sie hat für das Pilotprojekt bestehende Folientunnel durch die PV-Konstruktion ersetzt.
Beitrag zur Energiewende
«Mit Photovoltaik auf Dachflächen hatten wir bereits Erfahrung. Wir wollen einen Beitrag zur Energiewende leisten», sagt Barbara Schwab Züger. Das sei ein Bedürfnis der Kundinnen und Kunden und etwas, das der Betrieb für die nächste Generation machen könne. Die neue Anlage hat eine Leistung von 167 Kilowattpeak.
Landwirtschaft im Vordergrund
Im Vordergrund steht bei Agri-PV aber nicht die Stromproduktion, sondern vor allem die landwirtschaftliche Produktion. Das unterscheidet sie von Modulen auf Freiflächen, bei denen die Landwirtschaft höchstens ergänzend eine Rolle spielt.
Erstellt wurde die Agri-PV-Anlage 2022. Weil aber Komponenten verzögert geliefert wurden, erschwerte dies die wissenschaftliche Auswertung in Zusammenarbeit mit der Forschungsanstalt Agroscope, wie Schwab Züger erklärte. In der aktuellen Saison sollen neue Erkenntnisse gewonnen werden.
«Die ersten Versuche zeigten aber, dass eine Kombination von Beeren- und Stromproduktion grundsätzlich möglich ist», erklärt die Betriebsleiterin. Die ökonomische Betrachtung sei komplex und hänge unter anderem von der Strompreisentwicklung, den Vermarktungsmöglichkeiten von Beeren und Strom sowie Zusatzeffekten ab.
Qualitativ gleichwertig
Qualitativ können die produzierten Beeren auf jeden Fall mithalten. Wer aber auf frühreife Beeren setzt, bleibt besser beim Folientunnel. Die Erdbeeren unter der PV-Anlage haben einen Rückstand von etwa drei Wochen. Barbara Schwab Züger regt zudem dazu an, nicht rein auf den Kiloertrag zu schauen. So seien die besseren Arbeitsbedingungen aufgrund der tieferen Temperaturen als im Folientunnel oder der geringere Wasserverbrauch ebenso Argumente für das System.
Bessere Bedingungen nötig
Heute dürfe man einen Blick in die Zukunft wagen, die auf diesem Betrieb bereits Wirklichkeit sei, erklärte Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbandes (SOV), an einem Anlass auf dem Betrieb. Die Installation von Agri-PV sei die logische Entwicklung für den Schweizer Obst- und Beerenbau, der von Innovation geprägt sei.
Mariéthoz fand aber auch kritische Worte: «Innovation ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Und hier gibt es Handlungsbedarf, die Einschränkungen sind zu gross», so Mariéthoz. So heisst es im Gesetz, dass die Anlagen «in wenig empfindlichen Gebieten Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirken oder entsprechenden Versuchs- und Forschungszwecken dienen sollen». Vor letztem Sommer war Agri-PV den Freiflächenanlagen gleichgestellt und damit nicht bewilligungsfähig.
Auf Ackerkulturen keine Option
Im Sommer 2022 gründete Swissolar, der Schweizer Fachverband für Sonnenenergie, die Fachgruppe Agri-PV. Ziel der Fachgruppe ist es, Agri-PV in der Schweizer Praxis möglich zu machen, wie Michaël Berset von der Fachgruppe in Gimmiz erklärte. Der jährliche Ausbau der PV-Stromproduktion müsse in der Schweiz bis 2023 gegenüber 2022 mindestens verdoppelt werden, um die Klima- und Energieziele zu erreichen. Da könne die Landwirtschaft ihren Teil beitragen, so Berset. Er hob Vorteile für den Obst- und Beerenbau hervor:
– Ersatz von Folientunneln führt zu weniger Plastikabfall
– Besserer Hagelschutz
– Schutz vor Bodenfrost
– Diversifikation der Einnahmen
– Bessere Landnutzung
– Anpassung an den Klimawandel
Neben dem Obst- und Beerenbau könnte gemäss Berset auch im Rebbau – etwa mit neigbaren Modulen – sowie im oder auf dem Gewächshaus PV-Potenzial schlummern. «Im Bereich der Ackerkulturen sind die Vorteile für die Landwirtschaft in der Schweiz jedoch gering», so Berset.
Direktzahlungen in Aussicht
«Der Klimawandel ist ein Stresstest für unsere Landwirtschaft», sagt Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft. Wenn die Landwirtschaft aktiv werde, zeige sie, dass sie Verantwortung übernehme. Und Agri-PV seien eine Win-win-Situation. Die Landwirtinnen und Landwirte könnten Lebensmittel und Strom produzieren und gleichzeitig das Einkommen verbessern.
«Wir stehen am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung», zeigt sich Hofer überzeugt. Künftig soll es für Flächen mit Agri-PV auch Direktzahlungen geben. So schlägt es das landwirtschaftliche Verordnungspaket vor. Bisher galten solche Flächen nicht als landwirtschaftliche Nutzflächen.