Ein idealer Sommer für Sorghum

Anita und Christoph Friedinger sind in der Schweiz die einzigen, die Lebensmitte-Sorghum anbauen. Für das Paar eine Pflanze mit Zukunft, denn sie liebt Hitze und Trockenheit. Sorghum ist vor allem zu Beginn jedoch auch arbeitsintensiv.

Sorghum Ernte
Die Sorghum-Ernte verlangt vom Drescher einiges an Knowhow.

Prall und rund schimmern die Sorghum-Körner in der Sonne. Die Rispen strecken sich am Ende der etwa taillenhohen Pflanze gerade in die Höhe – ein schöner Anblick für Christoph Friedinger. Der Landwirt baut seit 2018 Sorghum an und ist damit ein Pionier in der Schweiz. Bislang sei er der Einzige, erzählt der 44-Jährige. Es gebe zwar einige Betriebe, die Sorghum als Futterpflanze anbauen, seine Sorte sei aber ein Lebensmittel.

Pflanze liebt die Hitze

Während Christoph Friedinger und seine Frau Anita von ihren Sorghum-Erfahrungen erzählen, ist ein grosser Drescher am Feldrand angekommen, denn heute wird geerntet. «Wir haben aber noch etwas Zeit, zuerst muss der Fahrer die Maschine richtig einstellen. Das wird noch ein wenig dauern», sagt Christoph Friedinger und erzählt von den Anfängen. «Ein Onkel kam mit ein paar Sorghum-Samen zu uns. Er arbeitete mit Eritreern zusammen, die ihm von dieser Kultur erzählt hatten. Wir erfuhren, dass Sorghum Trockenheit und Hitze besonders gut verträgt und beschlossen, einen Versuch zu wagen.»

Wir erfuhren, dass Sorghum Trockenheit und Hitze besonders gut verträgt und beschlossen, einen Versuch zu wagen.

Der erste Versuch war ein Erfolg, denn der Sommer 2018 brachte genau das, was die Pflanze liebt: Hitze und Trockenheit. In den folgenden Jahren sammelten Anita und Christoph Friedinger immer mehr Erfahrungen. Da sie ja bis heute zu den wenigen Schweizer Bauern sind, die Sorghum anbauen, lernten sie quasi vom eigenen Feld. «Wir merkten, dass der Zeitpunkt für die Aussaat eine erste Herausforderung ist: So früh wie möglich, damit die Pflanzen bis zum Herbst genügend Zeit zum Reifen haben. Aber nicht zu früh, sonst ist das Risiko für kühle Frühlingstage zu gross.» Ideal wäre Ende Mai, merkt Christoph Friedinger an, aber das sei fast schon zu spät wegen der Dauer des Sommers und der rasch folgenden kühlen Herbsttage. «Dann hört Sorghum auf zu wachsen.»

Sorghum Ernte
Christoph Friedinger (links) und Thomas Friedli prüfen, ob die Rispen noch viele Körner enthalten.

Viel Handarbeit

Eine weitere Herausforderung sei das Unkraut. Da er den Sorghum – wie auch die Sonnenblumen und das Brotgetreide, die er anbaut – pestizidfrei bewirtschaftet, sei auch das Unkraut schnell da. «Das bedeutet striegeln, hacken und von Hand arbeiten. Umso wichtiger ist der ideale Saatzeitpunkt, damit der Sorghum dem Unkraut davonwachsen kann.» Der ganze Aufwand schrecke vermutlich andere davon ab, ebenfalls Sorghum anzubauen.

Sorghum Ernte
Eine optimal geleerte Sorghum-Rispe.

Doch natürlich hat Christoph Friedinger auch Gutes über die Kultur zu erzählen, sonst würde er sie nicht Jahr für Jahr anbauen. «Sorghum ist sehr anspruchslos. Vor dem Säen gebe ich Gülle aus, mehr brauchts dann während der Wachstumsphase nicht.» Ehefrau Anita ergänzt: «Die Wildschweine gehen nicht in den Sorghum. Die sind nur durch das nebenan liegende Maisfeld gezogen. Im Sorghum haben wir höchstens ab und zu Rehe oder vereinzelt auch Vögel.»

Die Wildschweine gehen nicht in den Sorghum. Die sind nur durch das nebenan liegende Maisfeld gezogen.

Alles direkt vermarkten

Die Bäuerin ist seit 2014 mit Christoph Friedinger verheiratet und kümmert sich um die Direktvermarktung der Sorghum-Körner. «Wir verkaufen die gesamte Ernte selber», sagt sie, während ihr Mann zum Drescher geht, um mit dem Fahrer letzte Details zu besprechen. «Unsere Produkte gehen zu verschiedene Läden in der Region wie Claro und Unverpackt und werden auch Online verkauft. Die Teigwaren lassen wir bei der Firma Aemisegger in St.Margrethen produzieren und das Mehl mahlt die Mühle Entenschiess in Neunforn .»

Anita Friedinger hat in ihrem Blog auf der Webseite des Betriebs bereits viele Rezepte aufgeschaltet, um die Sorghum-Produkte einer breiteren Kundschaft schmackhaft zu machen. «Die Körner brauchen halt etwa 45 Minuten, bis sie gar sind. Das Mehl verwende ich zum Beispiel für Brot, da Sorghum aber keinen Kleber enthält, muss ich anderes Mehl beimischen.» Sorghum sei glutenfrei, da aber der Drescher wie auch die Trocknungsanlage bereits anderes Getreide verarbeitet haben, könne sie dies nicht auf ihren Produkten garantieren. Und apropos Drescher: Jetzt geht’s auf dem Feld los.

Sorghum Ernte
Anita Friedinger zeigt einen unreifen (links) und einige reife Sorghum-Stängeln.

Optimale Schnitthöhe

Drescher-Fahrer Thomas Friedli hat gemeinsam mit Christoph Friedinger die optimale Schnitthöhe eingestellt. Da die Rispen reif, die Pflanze aber noch voll im Saft ist, sollten beim Schnitt nur die Kolben gekappt werden. Die restliche Pflanze dient später der Bodenverbesserung. Langsam setzt sich die riesige Maschine in Bewegung, «frisst» sich durch die erste Pflanzenreihe, hält an. Christoph Friedinger und Thomas Friedli schauen sich die liegen gebliebenen Kolben an. «Wenn der Drescher optimal eingestellt ist, sind die Rispen praktisch leer», erklärt der Bauer. Noch eine letzte Feineinstellung, dann kanns weitergehen.

Wenn der Drescher optimal eingestellt ist, sind die Rispen praktisch leer.

Spaziergänger informieren

Nachdem der Drescher einige Bahnen gezogen hat, werden die Körner in die bereitstehenden Wagen geleert. Christoph Friedinger will die Ernte auf zwei Wagen verteilen, damit sie noch etwas Luft haben. «Wir können die Körner erst morgen zur Getreidesammelstelle nach Frauenfeld zum Trocknen bringen», sagt er. Anita Friedinger schneidet derweil noch einige Sorghum-Stängel ab, um sie später als Dekoration und als Anschauungsmaterial zu verwenden. «Wenn jemand mehr über Sorghum wissen will, kann ich auch nach der Ernte noch etwas zeigen. Es gibt immer Leute, die sich für diese Kultur interessieren. Deshalb steht sie auch jedes Jahr im gleichen Bereich unseres Betriebs, also dort, wo viele Spaziergänger sind», erklärt sie und weist auf die kleinen Infotafeln, die an mehreren Orten am Feldrand aufgestellt sind.

Christoph Friedinger lässt den Drescher nun alleine seine Arbeit verrichten. Er will noch etwas säen – und kommt dabei nochmals auf den Sorghum zu sprechen: «Da unser Sorghum Hybridkörner hat, muss ich Saatgut zukaufen. Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, eine Saatgutzucht in der Schweiz aufzubauen, damit wir ein Produkt erhalten, das optimal auf unsere Bedingungen abgestimmt ist. Aber das bräuchte viel Zeit.» Und das dürfte sich kaum lohnen für seinen Betrieb und seinen Hektar Sorghum. Trotzdem blickt Christoph Friedinger zuversichtlich vorwärts – er wird auch nächstes Jahr wieder Sorghum anbauen und auf optimale Bedingungen für diese besondere Kultur hoffen.

Sorghum
Letztlich beträgt die diesjährige Sorghum-Ernte sieben Tonnen.

Der Hof Friedinger Grün

Der Ackerbau-Betrieb von Christoph und Anita Friedinger liegt in Dingenhart bei Frauenfeld. Der Boden ist ideal für Zuckerrüben, Getreide, Raps, Sonnenblumen, Soja und weiteren Ackerbau. Friedingers haben einige Hochstamm-Obstbäume, halten Galloway-Mutterkühe und während der Saison Freilandkaninchen und -schweine. Christoph Friedinger war von 1999 bis 2010 auf dem Betrieb angestellt, seit zwölf Jahren ist er selbständig. Zudem betreiben Friedingers ein Lohnunternehmen im Bereich Ackerbau.  Zur Familie gehören auch die Söhne Lars (7) und Till (5).

www.friedingergruen.ch

 

 

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