Ribelmais: Eine uralte Pflanze neu erfunden
Innovation in der Landwirtschaft geht. Bestes Beispiel dafür ist der Familienbetrieb Lütolf, der den jahrhundertealten Ribelmais seit drei Generationen verarbeitet, neu erfindet und modern verpackt. Die Referenten sind sich einig: Die Firma Lütolf gilt als Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft.
Der Altweibersommer meinte es gut mit den Referenten, Medienvertretern und Mitgliedern des Vereins Rheintaler Ribelmais, der zur Orientierung eingeladen hatte. Man traf sich am Ribelmaisfeld der Familie Bischof vom Rütihof. Zum Betrieb gehört seit sechs Jahren ein mobiler Hühnerstall für die Produktion von Maispoularden. Die 2500 Hühner ernähren sich von Ribelmais und Mastfutter. Auch wenn die Baubewilligung über ein Jahr dauerte, hat sich der Aufwand aufgrund der steigenden Nachfrage gelohnt. Strom liefert eine Solaranlage. Bei langen Schlechtwetterperioden könnte ein Notstrom-Aggregat aushelfen. Aufgrund des überdurchschnittlich sonnigen Wetters war dies selten nötig. Überhaupt, der Klimawandel und dessen Auswirkungen gaben an diesem Nachmittag noch zu reden.
Anbau im Wandel
Für Vivienne Oggier von der Fachstelle Gemüsebau am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen ist klar: Veränderte Klimabedingungen erfordern klimaangepasste Sorten. Ribelmais als alte Landsorte müsse mit einem umfangreichen Züchtungsprogramm an die neuen Klimaverhältnisse angepasst werden. «Der Kanton St. Gallen unterstützt diesen Prozess mit namhaften Beiträgen», erklärte sie. Das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen habe Tätigkeiten in diesem Bereich ausgeweitet und verstärkt. Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis würden wichtige Hinweise für den zukünftigen Anbau, die Ausbildung und die Beratung liefern.
Nebst den klimatischen Herausforderungen treten gemäss Vivienne Oggier auch neue Schädlinge, wie die Baumwollkapseleule, verstärkt auf. Das Landwirtschaftliche Zentrum überwache das Auftreten des Schädlings und prüfe geeignete Massnahmen zur Bekämpfung. Wichtig sei dabei die Zusammenarbeit von Ämtern, Landwirten und Produzenten.
Starke Partnerschaften
Im Firmenkomplex der Lütolf AG in St. Margrethen lobte Christian Lütolf eine andere wichtige Zusammenarbeit: Die mit den Landwirtschaftsbetrieben, die den Ribelmais hegen und pflegen, als wäre er ein Schatz. Angebaut wird er momentan auf 91 Hektaren Fläche. «Wir sind auf der Suche nach neuen Flächen und zahlen den Landwirten einen im Voraus vertraglich festgelegten Preis.»
Um den Qualitätsanforderungen zu genügen, braucht es optimale Bedingungen, vom Säen bis zur Anlieferung. Der Ribelmais durchlaufe gemäss Lütolf bereits vor dem Abladen eine strenge Prüfung. Unter anderem auf Mykotoxingehalt, Gluten und Fremdbesatz. Nur so könne die Hochwertigkeit des Produktes sichergestellt werden. «Gerade glutenfreie Produkte werden immer begehrter und es ist für Allergiker äusserst wichtig, dass das Versprechen ‚glutenfrei‘ eingehalten wird», sagte Lütolf.
Da das Aufbereitungssystem vor der Anlieferung gründlich gereinigt werden muss, um Spuren von Gluten zu beseitigen, brauche es eine gute Koordination. Ende September wurden die ersten Ribelfuhren angeliefert. Erfreut meinte Christian Lütolf: «Nach dem letztjährigen Ernterekord von 4,5 Tonnen ist der Ertrag zwar dieses Jahr mit drei Tonnen etwas geringer, dafür ist die Qualität sehr gut und der Pilzbefall niedrig.»
Kantonale Unterstützung
Regierungsrat Beat Tinner lobte den Innovationsgeist der Familie Lütolf. Obwohl er nicht immer ein Geniesser des Mahlproduktes war. «Wenn ich als Kind Ribelmais vorgesetzt bekam, war ich nicht begeistert. Heute, kombiniert mit Apfelmus, schätze ich es als Delikatesse», sagt er.
Tinner ist überzeugt, dass die Förderung von Innovation in der Land- und Ernährungswirtschaft wichtig ist, um die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors zu fördern. Er sieht diese Förderung als Ziel des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen in Salez und Flawil. Der Kanton sei daran, die personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Eine Kommission aus Branchenvertretern und Forschung soll sich künftig verstärkt dem Thema widmen. Dort involviert ist auch die Strafanstalt Saxerriet, die derzeit dem landwirtschaftlichen Zentrum eine Versuchsfläche von acht Hektaren zur Verfügung stellt.
Projekt mit Strahlkraft
Für den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes, Klaus Brammertz, ist Nachhaltigkeit nebst der Innovation entscheidend für den Erfolg. Eingeladen war er als Jurypräsident der Rheintaler Wirtschaft. Die Jury wählte die Firma Lütolf zum Rheintaler Unternehmen des Jahres 2024. Die Firma Lütolf sei ein Leuchtturmprojekt mit grosser Strahlkraft. «Es braucht innovative Geister und Menschen, die den Mut haben, Risiken einzugehen. Die Lütolf AG ist in der Ostschweiz entstanden, hier gross geworden und ist nun auf dem Marsch in die restliche Schweiz.»
Zurück zum Rheintal und seinen klimatischen Bedingungen kam Peter Nüesch, Präsident des St. Galler Bauernverbandes. «Das Rheintal hat ein optimales Klima für den Anbau. Genügend Wasser vom Rhein und Föhneinfluss. Hier sind die Produktionsgrundlagen überdurchschnittlich, jedoch gilt es, den Flächen Sorge zu tragen», sagte er. Auch Nüesch lobte den innovativen Betrieb der Familie Lütolf und war beeindruckt, wie gut die Zusammenarbeit von Anbau, Vermarktung und Handel funktioniert. «Teil des Erfolgskonzeptes ist der Marktzugang zum Detailhandel und zu den Grossverteilern.» Gemäss Nüesch sollte die Landwirtschaft noch mehr Wertschöpfung am Markt holen, um die Versorgungssicherheit zu stärken.
Am Schluss des Nachmittags durfte probiert werden. Ribelmais natürlich, in allen Variationen. Dabei kam der Austausch untereinander nicht zu kurz. Ob dabei neue Ideen geboren wurden, wird sich zeigen.