Humus – das unbekannte Etwas

Die Menschheit ist auf fruchtbaren Boden als Grundlage zur Produktion von Lebensmitteln angewiesen. Dies war früher so und gilt auch heute noch. Warnende Stimmen zum Verlust des fruchtbaren Ackerbodens sind in allen Zeitepochen zu finden.

Nur ein gesunder Boden kann die Bodenfunktionen erfüllen. Bild: zVg.
Nur ein gesunder Boden kann die Bodenfunktionen erfüllen. Bild: zVg.

Das Wort «Humus» ist für viele der Inbegriff für «fruchtbaren Boden». Doch was ist Humus? Humus ist ein hochkomplexes Molekül, für das aber kein einheitlicher Bauplan besteht. Es besteht zu etwa 58 Prozent aus organischem Kohlenstoff, der über die Fotosynthese in den Boden gelangt ist.

Humus entsteht hauptsächlich aus den Aktivitäten der unterschiedlichsten Bodenlebewesen, von denen im Boden eine Riesenvielfalt herrscht. In einer Handvoll fruchtbarer Erde sind mehr Organismen zu finden als Menschen auf dem Planeten. Die ganze Nahrungskette im Boden hat ihren Ursprung in der Fotosynthese der Pflanzen mit ihrer Zuckerproduktion. Somit ist der Bewuchs der Flächen mit grünen Pflanzen der Antriebsmotor für das ganze Bodenleben.

Die Struktur des Humus hängt stark davon ab, wo und unter welchen Umgebungsbedingungen er entstanden ist. Zum Beispiel ist auch das Verhältnis von organischer Substanz zum Tongehalt im Boden entscheidend. Die Stabilität des Humus ist ebenfalls sehr unterschiedlich. So kann ein Humusmolekül von ein paar Wochen bis zu ein paar Tausend Jahre alt werden. Hier kann Pflanzenkohle einwirken und einen stabilen Kern des Humusmoleküls bilden. Bekannt sind die Terra-preta-Böden im Brasilianischen Regenwald. Durch bis jetzt nicht exakt geklärte jahrhundertelange Bewirtschaftungsmassnahmen konnte eine unbekannte Zivilisation dort meterdicke Humusböden aufbauen, in einer Gegend mit sonst wenig fruchtbaren Böden.

Auf- und Abbau von Humus

Der Humusgehalt im Boden soll als dynamisches System betrachtet werden. Auf- und Abbau sind wichtig. Auch intensive, humuszehrende Kulturen haben ihren Platz. Das Ziel muss darin liegen, dass die Bilanz der Humuswirtschaft über die ganze Fruchtfolge positiv ist.

Diesen Umstand des Auf- und Abbaus von Humusmolekülen nutzt die Landwirtschaft für das Wachstum der Pflanzen. Wenn die Mineralisierung (Abbau von Humus) im richtigen Moment ausgelöst wird, können die Nährstoffe ideal für das Pflanzenwachstum genutzt werden. Wird hingegen die Mineralisierung im falschen Zeitpunkt ausgelöst (Winterfurche im warmen Herbst), gehen die Nährstoffe in die Luft oder in das Wasser verloren.

Die CO2-Kompensation

Für die Landwirtschaft besteht Potenzial, durch natürliche Prozesse CO2 längerfristig zu binden. Als Beispiel verfolgt die Initiative «4Promille» (www.4p1000.org) den Ansatz, durch eine jährliche Erhöhung der Humusgehalte um 0,4 Prozent auf allen Landwirtschaftsflächen die durch die Menschheit verursachte CO2-Emission zu kompensieren. Die Frage der Sicherstellung der Langfristigkeit von Senken und wie viel CO2 nun zusätzlich gebunden wurde, ist noch nicht abschliessend geklärt.

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass Kompensationspotenzial für CO2 in unseren Böden besteht. Aber dies soll nicht als statische, sondern als dynamische Senke betrachtet werden, die für das Pflanzenwachstum als Betriebsstoff genutzt wird, aber auch eine «Lebensversicherung» für unsere Kulturen darstellt. Denn ein gesunder Boden mit einem standortangepassten Humusgehalt kann die Bodenfunktionen erfüllen. Dies sind Filter- und Speicherfunktionen, wie Wasser- und Nährstoffspeicherung, sowie daraus folgend der Erosionsschutz.

Boden schützen

Die Kernaufgabe der Landwirtschaft ist bekanntlich die Lebensmittelproduktion. Dazu muss aber die Frage gestellt werden, wie diese Produktion aussehen soll. Sie soll, neben Kalorien produzieren, auch den Boden als Produktionsfaktor sowie die Umweltvielfalt für weitere Generationen erhalten.

Um dies zu erreichen, ist eine den Standortbedingungen angepasste Produktionsweise notwendig. Dies wird kaum erreicht durch grosstechnische Landwirtschaftsmodelle. Es geht hier auch nicht um die Frage «Pflanzenschutz ja oder nein?». Das Standortpotenzial kennen die Landwirte und Landwirtinnen am besten und sie müssen die für den Boden jeweils bestmöglichen Bewirtschaftungsentscheide treffen.

Wissen nicht neu

Es ist viel (altes) Wissen vorhanden. Untersaaten, Zwischenkulturen, Mischkulturen sind bekannt und müssen nur umgesetzt werden. Auch der Ansatz der regenerativen Landwirtschaft bedient sich bei bekanntem Wissen. Entscheidend ist, dass man den Boden beobachtet, sich in die Bodenlebewesen hineindenkt. Dann wird rasch klar, was diese für ihr Wohlbefinden benötigen, um eine optimale Arbeit für die Bodenfruchtbarkeit zu leisten. Sie brauchen, wie der Mensch, Nahrung (Pflanzen), Luft (keine Verdichtung), eine gewisse Vielfalt und einen angenehmen Wohnort (massvoller Einsatz von Hilfsstoffen). Wenn dies stimmt, herrscht eine gesunde Biodiversität im Boden, die Bodenlebewesen können ihre Leistung erbringen und es wird Humus aufgebaut.

Kulturhistorische Hintergründe zum Boden

Der Verlust an Bodenfruchtbarkeit geschieht schleichend und wird kaum bemerkt. Dieser Umstand ist schon einigen Hochkulturen zum Verhängnis geworden. Wenn man Ausgrabungsstätten von ehemaligen Hochkulturen vor sich sieht, sind dies meist Steinhaufen in Steinwüsten. Als Bespiel Troja in der Türkei, ehemalige griechische und römische Städte oder auch Samarkand und Buchara in Usbekistan. Alles ehemals dicht bevölkerte Städte mit einem hohen Lebens- und Kulturstandard. Dies alles wäre mit der heute in den Gegenden vorhandenen Bodenfruchtbarkeit nicht möglich gewesen. So eine Dichte an Personen liess sich nicht mit ein paar Ziegen ernähren und ein längerfristiges Zuführen von grossen Nahrungsmengen war nicht möglich. Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass der Verlust an Bodenfruchtbarkeit einen Grossteil zum Niedergang von Kulturen beigetragen hat.

Bereits Platon (427 bis 347 v. Chr.) hielt fest, dass der Boden um Athen nur noch ein Schatten seiner selbst sei. Oder auch Leonardo da Vinci (1452 bis 1519) sagte: «Wir wissen mehr über die Bewegung der Himmelsgestirne als über den Boden unter unseren Füssen.» Eine vermutlich heute noch geltende Feststellung.

Angebot Falun

Falun, die Fachstelle für Landwirtschaft, Umwelt und Natur des St. Galler Bauernverbands an der Magdenauerstrasse in Flawil, berät Landwirte, Gemeinden und Private in Biodiversitäts- und Ökologiefragen, plant Projekte in diesem Bereich und organisiert Workshops. 071 394 20 11, natur@falun.ch red.

Das könnte Sie auch interessieren

stgallerbauer.ch Newsletter
Seien Sie die Ersten, um neueste Updates und exklusive Inhalte direkt in Ihren E-Mail-Posteingang zu erhalten.
Anmelden
Sie können sich jederzeit abmelden!
close-link