Kaki-Glückssterne zum neuen Jahr
Die Kakis im Detailhandel stammen meistens aus entfernten Ländern wie Spanien oder Südafrika. Doch die vitaminreichen Früchte gedeihen auch in der Schweiz, zum Beispiel im Tessin, wo gerade eine erfolgreiche Ernte zu Ende ging – zur Freude von zwei Ostschweizer Bäuerinnen.
Orange-golden leuchtet der Baum in der Spätherbstsonne. Hunderte von prallen, runden Kakifrüchten hängen an den mittlerweile laubfreien Ästen. Im Val Colla, rund 40 Minuten nördlich von Lugano, und in der Capriasca stehen die Kakibäume fast in jedem Garten, aber auch an unbebauten Hängen oder am Waldrand – und kaum jemand beachtet sie.
Im Tessin nur selten geerntet
Kakis werden im Tessin nur selten geerntet. Claudia Gorbach ist eine der wenigen, die diese Früchte zu schätzen weiss. Auf ihrem Hof «Ai Faii» (dt.: Bei den Buchen) besitzt sie einen kleinen Baum, den Grossteil ihrer herbstlichen Ernte holt sie aber von gepachteten Bäumen und Sträuchern in der Nachbarschaft. «Als ich vor einigen Jahren sah, dass sich niemand für Kakis interessierte, fragte ich überall herum, ob ich die Früchte ernten dürfe», erzählt die 54-Jährige, die in Eggersriet aufgewachsen ist.
Seit elf Jahren lebt die ausgebildete Landwirtin und Agronomin mit ihrem Mann Daniel Degen auf dem kleinen Biobergbauernhof in Colla. Mit «Ai Faii» erfüllte sich ein lang gehegter Traum. «Als ich das Inserat für diesen Hof sah, wagte ich den Schritt und übernahm zusammen mit Daniel den sechs Hektaren grossen Betrieb in der Bergzone drei», erzählt Claudia Gorbach. «Wir leben auf 1100 Metern über Meer.» Sie liess ihn als Biohof anerkennen und begann nach einem Jahr, verschiedene Tiere nach «Ai Faii» zu holen. Heute hält das Paar acht Ziegen, sieben Schafe, vier Esel, elf Hühner und zwei Hähne. Zudem zieht sie Rosen und Kräuter, produziert daraus Tee- und Kräutermischungen, Pestos und Kosmetikprodukte.
Längst sind sie und ihr Partner Teil der Dorfgemeinschaft geworden. «Im ersten Jahr wurden wir eher aus der Distanz beobachtet. Doch als die Menschen hier merkten, dass wir es mit unserem Hof ernst meinten, öffneten sie sich und wir wurden gut aufgenommen», sagt Claudia Gorbach. «Wir erleben ein grosses Wohlwollen in der Nachbarschaft.»
Begehrt in vielen Varianten
Die Kakiernte hat ihr jedenfalls noch niemand streitig gemacht. Im vergangenen Jahr erntete sie mithilfe von Praktikanten und Freundinnen rund 1,2 Tonnen. Den Erntezeitpunkt muss sie genau erkennen. «Die Kakis dürfen nicht zu weich sein, denn ich muss sie gut schneiden können, um sie auf unserem Holzofen zu trocknen. Sind die Früchte zu ‚pflüdrig‘, essen wir sie gleich – sie schmecken einfach wunderbar», sagt sie lächelnd. Einen kleinen Teil der Ernte dörrt sie als ganze Frucht, indem sie die Kakis am Stiel an einer Schnur aufhängt, um sie an der Luft zu trocknen. «Das funktioniert auf unserer Höhe, an der kalten Bergluft, prima. Sonst besteht die Gefahr, dass die ganzen Früchte schimmeln.» Ihr Wissen über die orangefarbenen Früchte holte sich Claudia Gorbach bei einem gleichgesinnten Menschen in der Gegend. «Er zeigte mir, wie ich die Kakis trocknen kann.» Nach dieser «Lehre» begann die Landwirtin, mit eigenen Produkten zu pröbeln, unter anderem stellte sie Kakibrand her. «Seit einem Jahr verkaufe ich an zwei Chocolatiers in der deutschen Schweiz neben den gedörrten Früchten auch Kakibrand für ihre Schokoladen und Kakimus für köstliches Sorbet.»
Claudia Gorbach gerät ins Schwärmen, wenn sie von den Kakis erzählt. Sie seien dankbare, energiereiche Früchte und von ihrer Kundschaft sehr gefragt. «Die Kakiernte ist die letzte grosse Arbeit für unseren Betrieb. Bis Weihnachten versuchen wir, damit fertig zu sein, und bis im März des nächsten Jahres ist gewöhnlich alles verkauft.»
Aufwendige Ernte
Dass Kakis beliebt sind, weiss auch Gerda Schweizer, Bäuerin aus Hosenruck bei Wuppenau. Vor drei Jahren lernte sie Claudia Gorbach kennen, seit zwei Jahren reist sie jeweils einige Tage nach Colla und hilft bei der Ernte. Daraus ist eine Freundschaft und eine für beide bereichernde Zusammenarbeit entstanden.
Die Ernte sei eine aufwendige Arbeit, wie sie sagt. «Jede Frucht wird mittels Pflückstange vom Baum geholt, denn wenn sie auf den Boden prallt, bekommt sie innert kürzester Zeit Dellen und Flecken.» Drei bis vier Tage lang zieht die Thurgauerin mit dem Ernteteam von Baum zu Baum und füllt Kiste um Kiste. Auch Gerda Schweizer verkauft in ihrem Hofladen eine Menge der getrockneten Sonnenfrüchte. «Kakis sind echte Vitaminspender und enthalten keine Säure, sind also gut verträglich. Früher halfen Kakis den Menschen, gesund durch den Winter zu kommen», sagt sie. «Von den vielen Früchten und Beeren, die ich trockne, sind Kakis die einfachsten. Sie sind beim Hobeln ziemlich hart und saften nicht. Nach 12 bis 20 Stunden sind sie fertig getrocknet.»
Liegen die Kakis in Scheiben auf der Trocknungsschublade, sieht man ihr besonderes Innenleben: Deutlich ist eine Sternform zu erkennen. Seit Kurzem weiss Gerda Schweizer, dass Kakis auch Glück bringen. «In einer Fernsehsendung erfuhr ich, dass getrocknete Kakis in Japan zum neuen Jahr verschenkt werden. Mit ihrem Stern sollen sie Glück bringen.» Auch im Ursprungsland China waren Kakis etwas Besonderes, hiessen Götterfrucht und wurden als fiebersenkende Heilpflanze verwendet. Was davon stimmt, weiss Gerda Schweizer nicht. Sie weiss aber, dass die getrockneten Kakischeiben in ihren gemischten Trockenfrüchtesäckchen ein Hingucker sind. «Früchte wie Äpfel, Birnen und Zwetschgen haben kaum Farbe – Kakis behalten aber das Orange auch nach dem Trocknen.»
Leckeres zu Weihnachten
Der Trocknungsofen auf dem Hof von Gerda Schweizer und ihrem Mann Peter läuft seit Monaten auf Hochtouren. «Diese Arbeit beginnt nach den Sommerferien und dauert bis in den November hinein, wenn ich mit den Kakis aus dem Tessin zurückkehre.» Die gelernte Gärtnerin und Floristin lebt mit ihrem Mann seit 22 Jahren auf dem Hof Welfensberg und ist, wie sie sagt, der Joker. «Ich helfe dort, wo es nötig ist. Auch bei den Milchkühen, die wir in einer Tierhaltergemeinschaft halten. Aber auch unsere drei Kinder helfen, wenn viel Arbeit ansteht.» Zwischendurch bleibe auch noch Zeit für ihr grosses Hobby: Die 48-Jährige nimmt regelmässig an Orientierungsläufen teil.
Jetzt aber, kurz vor der Adventszeit, steht Gerda Schweizer stundenlang in ihren Arbeitsräumen. Zum einen bei den Trocknungsöfen, zum anderen nebenan beim Verpacken. Gerade hat sie den Auftrag einer Firma abgeschlossen und 400 Weihnachtsgeschenke mit Trockenfrüchten und Kräutersalz fertiggestellt. Zwischendurch geht es wieder zu den Öfen, wo sie die Kakischubladen überwacht. Abfälle gibt es bei der Bäuerin übrigens keine. Anschnitte und Stückchen mit Flecken, die sich in einem Früchtesäckchen nicht gut machen würden, verwertet sie im Früchtebrot, das sie regelmässig backt. Und dann ist da ja auch noch die Familie, die solche Reste zu schätzen weiss – und damit glücklich ist, auch wenn darin gerade kein Stern zu sehen ist.