Klimaneutrale Birnen aus Belgien

Mark Nickmans führt in Belgien einen Birnenbetrieb, der auf eine klimaneutrale Produktion setzt. Zusätzlich zur eigenen Ernte verpackt und lagert er fast die doppelte Menge an Birnen für Dritte. Ein Einblick in einen familiengeführten, zukunftsorientierten Bauernbetrieb aus Europas grösstem Birnenexportland.

Mark Nickmans auf seiner Anlage.
Mark Nickmans auf seiner Anlage.

Halen ist eine belgische Kleinstadt im Westen der Provinz Limburg. Sie liegt zwischen Brüssel und Maastricht. Hier führt der 55-jährige Mark Nickmans einen 27 Hektaren grossen Obstbaubetrieb, dessen Hauptkultur die Birnensorte Conference ist.

Der Obstbauer absolvierte sein Gartenbaustudium in Gent, ehe er den elterlichen Hof übernahm. Seine Grosseltern führten einen gemischten Betrieb mit Viehzucht, Ackerbau und Schweinehaltung. Als Mark Nickmans Eltern das Ruder übernahmen, entschieden sie sich, die Schweinezucht einzustellen und sich auf Milchwirtschaft und Ackerbau zu konzentrieren.

Im Jahr 1984 beschlossen sie den Einstieg als Birnenproduzenten zunächst auf einer Hektare. Der Ausbau erfolgte behutsam. Jahr für Jahr wurden weitere Reihen gepflanzt, bis schliesslich die Viehzucht eingestellt wurde. Als Mark Nickmans schliesslich den Betrieb übernahm, fokussierte er sich ausschliesslich auf den Birnenanbau. Gemeinsam mit seinem Bruder Erik, dem fest angestellten Carlo Loozen und saisonalen Arbeitskräften aus Rumänien bewirtschaftet er den Hof. Selbst die Eltern sind nach wie vor am Sortierband tätig und Nickmans‘ Tochter Marit wird im nächsten Jahr in das Unternehmen einsteigen.

Ausbau der Infrastruktur

In den vergangenen Jahren ist die betriebliche Infrastruktur mit der Ausdehnung des Anbaus kontinuierlich gewachsen: Kühlhäuser, eine Wasch- und Verpackungsstrasse sowie eine computergesteuerte Sortieranlage wurden errichtet. Zusätzlich wurde in jüngster Zeit ein Bewirtschaftungsvertrag über 3,5 Hektaren abgeschlossen. Die Zeichen stehen also auf Wachstum.

Der Betrieb erntet jährlich rund 1 350 000 Kilo Birnen, die alle von Hand gepflückt werden. Laut dem Birnenproduzenten gestaltet sich der Anbau von Äpfeln definitiv einfacher. Der Birnenanbau erfordert den passenden Standort, wobei Boden und Klima entscheidend sind. Optimal für Birnen sind sandige Lehmböden oder lehmige Sandböden, da sie eine gute Drainage bieten und gleichzeitig ausreichend Feuchtigkeit und Nährstoffe speichern können. «Man muss etwa 50 000 Kilo pro Hektare ernten. Liegt man darunter, lohnt sich die Produktion nicht», sagt Nickmans.

Die ältesten Birnenbäume sind 60 Jahre alt.
Die ältesten Birnenbäume sind 60 Jahre alt.

Zu Beginn war es eine immense Herausforderung. Die skeptischen Blicke der Nachbarn, die 40 Cents je Kilo, die gerade einmal die Hälfte der Kosten deckten, waren nicht die einzigen Unwägbarkeiten. «Wir hielten durch und glaubten an unser Produkt». «Aktuell erhalten wir Euro 1.20 pro Kilo. Ein sehr gutes Jahr», sagt Nickmans. Zum Vergleich: 60 bis 70 Cents ist der Durchschnittspreis auf zehn Jahre gesehen. «Wir profitieren einerseits von der miserablen Ernte in Italien in dieser Saison, andererseits werden wir für unsere gute Qualität belohnt.» Nickmans liefert seine Früchte an den Grosshändler Vergro, der die Vermarktung übernimmt. Vergro handelt jährlich mit 140 000 Tonnen Produkten, wovon 78 000 Tonnen Obst sind – und das in 25 verschiedenen Ländern. Mark Nickmans verpackt rund 1 200 000 Kilo Obst für das Handelsunternehmen.

Warum nicht Bio?

Auf die Frage, warum er nicht auf Bio setze, antwortet Mark Nickmans: «Was ist wichtiger? Bio oder der ökologische Fussabdruck?» Für ihn steht Letzteres im Vordergrund. Seine Vision: eine klimaneutrale Produktion. Alles ist darauf ausgerichtet: Die Lagerung der Früchte umfasst Kapazitäten für 2 300 000 Kilo Birnen, aufgeteilt auf 21 Kühlhäuser. Davon sind 14 ULO-Zellen (Ultra Low Oxygen), eine Lagertechnik, bei der der Sauerstoffgehalt knapp über der für die Aufrechterhaltung der biologischen Reifeaktivität erforderlichen Mindestgrenze gehalten wird. Dadurch wird die Reifung der Früchte verlangsamt. Der Bau weiterer Lagerräume ist für dieses Jahr in der Planung.

Die Kühlhäuser nutzen die Energie von 790 Sonnenkollektoren. Die Wärme, die durch die Wärmerückgewinnung der Kühleinheiten entsteht, wird in einen Pufferspeicher geleitet, der zur Beheizung des Hauses verwendet wird. Beim Kältemittel der Kühlhäuser stellte man vom klimaschädlichen Freon auf Ammoniak um. Die Nickmans haben die gesamte Beleuchtung auf LED umgestellt, was zu einer Einsparung der Energiekosten von über 50 Prozent führte.

Um sparsam mit Wasser umzugehen, wurde auf 90 Prozent der Anbauflächen eine Tröpfchenbewässerung installiert. Dies hat zu einer Wassereinsparung von bis zu 40 Prozent führt. Das gesamte Regenwasser der Dachflächen wird gesammelt und für Reinigungsarbeiten, Besprühen oder zum Sortieren der Früchte verwendet. Fahrzeuge wie Stapler und Autos sind batteriebetrieben.

Im vergangenen Jahr wurde Mark Nickmans als Finalist für den «De Klimaatkoploper»-Award, den Klimaführer-Award, des belgischen Bauernverbands (Boerenbond) nominiert. Sein Betrieb zählt nun zu den fünf Unternehmen, die für ihre besonders nachhaltige Produktion ausgezeichnet wurden. Untersuchungen des Boerenbond, basierend auf Studien der Universität KU Leuven und des Forschungsinstituts für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung (ILVO), haben ergeben, dass der flämische Birnenanbau von Mark Nickmans klimaneutral ist. Die CO2-Emissionen, die durch die Maschinen auf dem Feld und die Kühlhäuser während der Lagerung verursacht werden, sind geringer als die Speicherung von Kohlenstoff im Holz und im Boden, so das Ergebnis der Untersuchungen.

Familie Nickmans (von links): die Eltern Jef Nickmans und Irene Mues, Tochter Marit, Mark und Bruder Erik.
Familie Nickmans (von links): die Eltern Jef Nickmans und Irene Mues, Tochter Marit, Mark und Bruder Erik.

Europas Hauptexporteur

Belgien, mit knapp zwölf Millionen Einwohnern und einer Landesfläche von 30 500 Quadratkilometern (Schweiz: gut 41 000 km²), ist der Hauptexporteur von Birnen in Europa. Als Reexportland aufgrund der Häfen ist es entscheidend, die Export- und Importzahlen zu berücksichtigen. 2021 exportierte Belgien 358 521 Tonnen weltweit, wovon 307 293 Tonnen in EU-27-Länder und 51 228 Tonnen in Drittländer gingen. Belgien importierte 37 079 Tonnen aus anderen Ländern. Die lokale Produktion belief sich auf 356 000 Tonnen. In die Schweiz exportierte Belgien 2,6 Millionen Kilo Birnen. Allerdings sei die Zahl aufgrund von Exportbeschränkungen vergleichsweise niedrig, so Kris Jans, Manager Division Fruit der Handelsorganisation «BelOrta».

Altbewährte Sorten wie Williams Christ (1770), Conference (1894), Gute Luise (1778) und Abate Fetel (ursprünglich 1866 nach ihrem Entdecker Abbé Fétel benannt) haben einen festen Platz in den Obstregalen. Die Kulturgeschichte der Birne reicht weit zurück. Die Tafelbirne, auch Kulturbirne genannt, hat ihren Ursprung in Asien und verbreitete sich über den Balkan nach Griechenland, wo sie vor über 3000 Jahren gezielt gezüchtet wurde. Europäische Züchter, vor allem aus Belgien, England und Frankreich, entwickelten und vermehrten im 18. und 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Birnensorten, die sich schnell in Zentraleuropa verbreiteten. kim.

Aus dem Wasserbad auf das Sortierband.
Aus dem Wasserbad auf das Sortierband.

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