Rheintal trifft Friaul, Ribel trifft Polenta
Sowohl in Norditalien als auch im Rheintal ernährte sich die Bevölkerung während langer Zeit von Mais. Ob weisser Rheintaler «Türgge» oder gelbe Polenta, die Menschen wurden damit satt, assen aber einseitig.
Auf Einladung der Vereine Pro Friuli St.Gallen und Rheintaler Ribelmais trafen sich am letzten Samstag Menschen aus dem Rheintal und dem norditalienischen Friaul im Landwirtschaftlichen Zentrum St.Gallen (LZSG) in Salez. Beiden Regionen ist gemeinsam, dass die Bevölkerung früher in Italien dank der Polenta satt wurde und im Rheintal zum Zmorge, zum Zmittag und zum Znacht «Türgge»-Ribel auf dem Tisch stand.
Heute hat sich, wie von den Referenten zu hören war, sowohl Polenta als auch Ribel vom Hauptgericht weg zur Beilage verändert. «Doch Produkte aus der Region haben bei einem Grossteil der Bevölkerung einen hohen Stellenwert», so die einhellige Meinung von Hans Oppliger, einem der Rheintaler-Ribelmais-Pioniere, Benedikt Würth, Ständerat und Präsident der Vereinigung AOP IGP, Beat Tinner, Regierungsrat und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements sowie Andreas Hund, Privatdozent am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich.
Von «i Polentoni» bis «Türgge»
Davide Scriuzzi, Präsident von Pro Friuli, gab in seinem Referat Einblick in die Geschichte rund um den Maisanbau in Europa. Er liess die Anwesenden aber auch wissen, dass die Bewohner Norditaliens von den Süditalienern scherzhaft als «i Polentoni» bezeichnet werden. Geht es um den Begriff «Türgge», interpretiert Davide Scriuzzi das so, dass früher alles, das von weit herkam, für die Einheimischen eben von den Türken stammt.
Andreas Hund vermittelte Wissen der genetischen und landwirtschaftlichen Ursprünge: «Mais ersetzte ab Mitte des 16. Jahrhunderts andere Getreidearten, unter anderem die Hirse, wobei die Landbevölkerung gegenüber dem Mai oft skeptisch bis ablehnend war.» Zu erfahren war, dass es beim Mais sechs Korntypen gibt und der weisse Mais vor allem in Afrika ein wichtiges Grundnahrungsmittel ist. Ein Blick auf die Ackerfläche in der Schweiz zeigt, dass Körnermais auf 20’000 Hektaren angebaut wird. Das entspricht sieben Prozent. Silomais auf 47’000 Hektaren (17 Prozent) und Brotweizen auf 77’000 Hektaren (28 Prozent). Erläuterungen zum Wachstum der Maispflanze aber auch die genetischen Besonderheiten rundeten den Fachvortrag ab.
Wiederauferstehung Ribelmais
Hans Oppliger gilt zusammen mit Rolf Künzler als einer der beiden Ribelmais-Pioniere im Rheintal. Er gab Einblick in die Renaissance des wertvollen Grundnahrungsmittels. «Eine erstmalige Erwähnung ist im Jahr 1571 in Altstätten nachgewiesen. Dann war es im 18. und 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts das Grundnahrungsmittel des Tales. Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderten sich die Ernährungsgewohnheiten», so Hans Oppliger. Als Gründe nannte der die Modernisierung der Ernährung, die Ansprüche an die Nahrungsvielfalt aber auch den Anbau von Hybridmais als Futtermais.
«Durch die Wiederauferstehung vom Rheintaler Ribelmais, dieser ist seit dem Jahr 2000 AOP geschützt, arbeiten wir auch mit zwei verschiedenen Methoden an der Verbesserungszucht. So können wir hochwertiges Saatgut sicherstellen.» Nicht zuletzt sei der Rheintaler Ribelmais oder der «Türgge», wie er von den Einheimischen auch heute noch genannt wird, ein wichtiger Werbeträger für das ganze Tal.
Ribel oder Polenta?
Beim Podiumsgespräch, das wegen der fortgeschrittenen Zeit kurzgehalten wurde, erläuterten die Teilnehmer, welchen Bezug sie persönlich zum Ribelmais haben. Dabei erinnerte sich Beat Tinner, dass er Ribel gerne mochte, aber das dazu gereichte Holundermus nicht besonders liebte. Benedikt Würth beantwortete die Frage von Gesprächsleiterin Hildegard Jutz, ober er Ribel oder Polenta bevorzuge, so: «Ich mag beides gerne, Polenta, wenn sie von Kaninchen oder Kalbshaxe begleitet wird, Ribel nach ganz traditioneller Art.» Der Schutz regionaler Produkte werde von AOP IGP gewährleistet. «Das ermöglicht Investitionssicherheit für die Produzenten, eröffnet aber auch Chancen bei der Vermarktung», so Benedikt Würth. In der Deutschschweiz sei die Vereinigung noch etwas weniger bekannt als in der Romandie. «Dies ist einer der Gründe, dass erstmals ein Vertreter aus der Deutschschweiz an die Spitze gewählt wurde.» Für Hans Oppliger und Andreas Hund ist die Zusammenarbeit rund um die Verbesserung des Landsorten-Saatgutes wichtig. «Insbesondere, wenn es darum geht, die Bevölkerung für pflanzliche Nahrungsmittel zu sensibilisieren.»
Nach der Theorie die Praxis
Nach den Referaten und dem Podiumsgespräch durften die Anwesenden Köstlichkeiten, wie sie im Rheintal und im Friaul zubereitet werden, geniessen. Einerseits gab es Polenta-Schnitten mit Käse, andererseits den traditionellen Rheintaler Ribelmais und dazu Apfelmus. Für die Gäste aus Norditalien war es eine neue Erfahrung. An ein Maisgericht mit Apfelmus und Zimtzucker musste sich ein an Polenta mit würzigen Beilagen gewöhnte Gaumen erst gewöhnen.