Risikokultur Hülsenfrüchte
Hülsenfrüchte sind wertvoll für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung. In der Schweiz haben sie noch einen schweren Stand. Der Anbau ist risikoreich, die Verarbeitung aufwendig und der Grenzschutz fehlt.
In der Schweiz werden pro Jahr und Person rund zwei Kilo Hülsenfrüchte gegessen, die grösstenteils importiert werden. Einen zehnmal höheren Konsum schlägt die Ernährungsstrategie 2024 des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen vor. Hülsenfrüchte sind nicht nur gut für eine nachhaltige Ernährung, sie haben auch agronomisch viel zu bieten. Dennoch fristen sie in der Schweiz noch ein Nischendasein, sowohl auf dem Feld als auch auf dem Teller.
Agronomisch wertvoll sind Bohnen, Erbsen und Linsen primär, weil sie zur Familie der Leguminosen gehören und Stickstoff aus der Luft fixieren können. So düngen sie sich selber auf natürliche Art und liefern zudem noch Nährstoffe für die Folgekultur. 2023 wuchsen auf knapp 1,2 Prozent des gesamten Ackerlandes Erbsen, Linsen und Kichererbsen auf total 4739 Hektaren (ohne Soja), meist auch für Futtermittel.
Die Gründe sind vielfältig: Es fehlen Sorten, die sich für das Schweizer Klima eignen, sie sind anfällig auf Pilze, Viren und Schädlinge und rund um den Anbau ist noch wenig Wissen vorhanden. Entsprechend stark schwanken die Erträge von Jahr zu Jahr.
«Die Anbaubereitschaft ist da, das Risiko ist jedoch noch sehr gross», fasst Hans-Georg Kessler zusammen. Er ist Leiter Ackerkulturen der Biofarm-Genossenschaft, die seit rund zehn Jahren den Anbau von Bio-Hülsenfrüchten fördert. Der Einzelkulturbeitrag, der seit 2023 auch für Hülsenfrüchte für Lebensmittel bezahlt wird, reicht nicht aus, um den Anbau auch wirtschaftlich attraktiv zu machen. Es braucht eine Schweizer Sortenzüchtung und Sortenprüfung sowie Pflanzenschutzmittel, welche auch im Bioanbau zuverlässig wirken, und Erfahrungsaustausch. Letzteres ermöglicht das Netzwerk Power-Protein, das von Strickhof-Bereichsleiter Dany Schulthess initiiert wurde.
Infrastruktur aufbauen
Viele Herausforderungen stellen sich auch von der Sammlung der Ernte über deren Reinigung und Aufbereitung bis zur Vermarktung. Die Erntemengen vieler Betriebe sind klein, Qualitätsrichtlinien fehlen und für Bohnen, Linsen und Kichererbsen fehlen Richtpreise der Branchenorganisation.
Zudem muss für die Aufbereitung in passende Maschinen investiert werden. Dies hat zum Beispiel das Eichmühle-Getreidecenter in den letzten Jahren gemacht. Um ein fast 100 Prozent reines Endprodukt zu erreichen, müssen Hülsenfrüchte nach Gewicht, Form, Grösse, Prallverhalten und Farbe getrennt werden.
Dafür müssten diese zehn Maschinen durchlaufen, informiert David Villiger, Geschäftsführer und Inhaber des Eichmühle-Getreidecenter, auf agripedia.ch. Verarbeitet werden können – je nach Produkt – erst Mengen ab zwei bis vier Tonnen. «Das alles führt dazu, dass Linsen, Erbsen und Kichererbsen aus der Schweiz doppelt bis dreifach so teuer sind als importierte Ware», sagt Hans-Georg Kessler.
Grenzschutz fehlt
Entsprechend schwer haben es Schweizer Hülsenfrüchte gegenüber importierten Produkten im Verkauf. Neben dem erwähnten Einzelkulturbeitrag bräuchte es auch Grenzschutz und Absatzförderung, wie bei Getreide, Fleisch und Gemüse. Neue Zölle einzuführen sei jedoch fast ganz unmöglich, sind sich alle Beteiligten einig.
Ob auf Schweizer Äckern in Zukunft mehr Hülsenfrüchte wachsen, hängt auch davon ab, ob Lebensmittelhersteller und Detailhandel diesen den Vorzug geben und Konsumentinnen und Konsumenten diese auch kaufen. Für die Vermarktung gibt es verschiedene Strategien: Hülsenfrüchte für den Direktkonsum anbieten oder zu Produkten oder Rohstoffen für Milch- und Fleisch-Alternativen zu verarbeiten.
Für einen höheren Direktkonsum müssten mehr Menschen öfters Bohneneintopf, Kichererbsensalat und Linsensuppe auftischen. «Viele Menschen sind sich nicht an die Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan gewöhnt», stellt Reto Ryser von IP-Suisse fest.
Das Joint Venture, in dem sich IP-Suisse für die Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten engagiert, setzt deshalb auf Fleisch- Ersatzprodukte. Seit Anfang Jahr produziert es «Pflanzenhack» und «Pflanzengeschnetzeltes». In der Gemeinschaftsverpflegung wurden damit laut Ryser gute Erfahrungen gemacht, auch wenn der Preis eine wichtige Rolle spiele.
Auf die dritte Strategie setzt Fabas, ein Pionierunternehmen für die Förderung von Schweizer Hülsenfrüchten. Es hat in den letzten zwei Jahren einen Rohstoff für Milchalternativen entwickelt. «Gute Rohstoffe sind noch nicht so einfach erhältlich», begründet Anik Thaler, Mitgründerin von Fabas, die Neuausrichtung. Wichtig seien eine gute Funktionalität und ein überzeugender Geschmack.
Konsum fördern
Um den Konsum zu fördern, braucht es auch mehr Wissen, was Hülsenfrüchte sind, welche Vorteile sie haben und wie sie gekocht werden. Dieses Wissen und die Lust auf Hülsenfrüchte zu fördern, hat sich der neu gegründete Verein Schweizer Hülsenfrüchte auf die Fahne geschrieben. In ihm sind Unternehmen von Anbau bis Verkauf zusammengeschlossen.
Ein erster Schritt ist das Logo für Schweizer Hülsenfrüchte. Das soll zeigen, wo überall Hülsenfrüchte drin sind und welche aus der Schweiz stammen. Weitere Ideen sind eine Hülsenfrüchte-Challenge wie Bike-to-Work, um Konsumentinnen und Konsumenten anzuregen, mehr Hülsenfrüchte zu konsumieren. Angedacht sind auch Informationsmaterialien, um an Schulen und Veranstaltungen zu informieren. Anik Thaler hofft, dass 2025 die Basis geschaffen werden kann, damit der Verein operativ tätig werden kann.
Vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Konsum sind vielfältige Herausforderungen zu bewältigen, damit der Hülsenfrüchte-Anbau in der Schweiz echt nachhaltig wird. Basis sind sichere Erträge, damit der Anbau wirtschaftlich wird. Dass dies möglich ist, zeigt die Entwicklung des Sojaanbaus in der Schweiz. «Die neuen Sorten haben auch in nicht optimalen Anbaugebieten und bei verschiedenen Wetterverhältnissen die Ertragssicherheit verbessert», sagt Biofarm- Experte Hans-Georg Kessler.