Spurenstoffe in St. Galler Bächen

Der Kanton St.Gallen hat die Wasserqualität von Bächen untersucht. Die Beurteilung der Gewässer ist unbefriedigend bis schlecht. Der Kanton will aber nicht die Landwirtschaft alleine dafür verantwortlich machen. Auch eine Industriechemikalie belastet die Gewässer.

Der Bergerbach in Steinach war einer von 14 kleineren Fliessgewässern im Kanton St.Gallen, welcher auf Spurenstoffe untersucht wurde.

Dreiviertel aller Fliessgewässer im Kanton St. Gallen sind kleine Bäche. Sie sind Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere und erfüllen eine ökologische Funktion.

Seit dem Jahr 2011 untersucht das Amt für Wasser und Energie (AWE) die Qualität von kleineren Fliessgewässern. Bei mehr als der Hälfte wurden Defizite bei der biologischen Wasserqualität festgestellt. Um diesen Defiziten, respektive den Belastungen durch organische Spurenstoffe (Mikroverunreinigungen), genauer auf die Spur zu kommen, untersuchte das AWE von 2018 bis 2020 14 ausgewählte Bäche (siehe Kasten) in Gebieten mit verschiedenem Anteil an Landwirtschafts-, Industrie- und Siedlungsflächen.

Resultat ernüchternd

Die Resultate wurden vergangene Woche vom Kanton am Bergerbach in Steinach präsentiert. Michael Eugster, Leiter des AWE, betonte ausdrücklich, dass es bei dieser Untersuchung nicht um die Belastung des Trinkwassers gehe, sondern um die Gefährdung des Gewässerökosystems und den Erhalt der Biodiversität. Und das Resultat sei ernüchternd. Von den seit 2011 über 90 biologisch beurteilten Bächen, sind mehr als die Hälfte in keinem guten Zustand. Sie erfüllten die ökologischen Anforderungen der Gewässerschutzverordnung nicht.

Die 14 ausgewählten Bäche stünden exemplarisch dafür, wie stark die Fliessgewässer Belastungen ausgesetzt seien. Die untersuchten Bäche befinden sich an Standorten, an denen aufgrund von Voruntersuchungen Defizite vermutet wurden. Bis auf einen, gibt es an keinem der Bäche eine Einleitung von gereinigtem Abwasser aus einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage (ARA). Kleinstkläranlagen im Einzugsgebiet oder Entlastungen aus der Siedlungsentwässerung sind teilweise vorhanden.

Chronische Belastungen

Jürg Wüthrich, Fachspezialist des AWE, erklärte, wie und über welchem Zeitraum die Probennahme erfolgte. Für die Qualität der Fliessgewässer gelten die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung, für die Qualität des Trinkwassers diejenigen der Lebensmittelgesetzgebung. Sie können nicht miteinander verglichen werden.

Während der Vegetationsperiode wurden an den Messstellen jeweils Sammelproben mit Hilfe von mobilen Probennehmern aus dem Wasser entnommen und auf 144 organische Spurenstoffe untersucht.

So hat der Kanton in den 14 Gewässern 27 verschiedene Stoffe gefunden, welche die Organismen in Fliessgewässern chronisch belasten:

23 Pestizide, drei Arzneimittel und die Industriechemikalie Perfluoroctanssulfonsäure

(PFOS, siehe Kasten). Sie sind für alle 210 Überschreitungen des chronischen Qualitätskriteriums verantwortlich. PFOS führte zu Überschreitungen in zehn von 14 Fliessgewässern, das Insektizid Thiacloprid in neun, das Herbizid Nicosulfuron in acht und die Herbizide Foramsulfuron, Lenacil, Metazachlor, Propyzamid und Terbuthylazin in je drei Bächen. Arzneimittel wie Azithromycin (Antibiotikum), Diclofenac (Schmerzmittel) und Candesartan (Bluthochdruck) waren aufgrund von eingeleitetem Abwasser im Lattenbach und im Nebengraben in ökotoxikologisch relevanten Konzentrationen nachweisbar.

Präsentierten die Ergebnisse der Messkampagne 2018 bis 2020: Jürg Wüthrich, Daniela Büchel, Michael Eugster und Bruno Inauen (von links).

Fortschritte erzielen

Die Landwirtschaft ist sich der Herausforderung vollumfänglich bewusst. Das machte auch Bruno Inauen, Amtsleiter des Landwirtschaftsamt (LWA) klar. «Auf nationaler Ebene sind wir mit immensen Mitteln an der Weiterentwicklung der nachhaltigen Produktion», sagte Inauen. Seit 2017 werde der Aktionsplan Pflanzenschutz umgesetzt. Man werde noch diesen Monat das erforderliche Agrarpaket zur Vernehmlassung erhalten, um die Umsetzung des Absenkpfads anzugehen. «Ich kann Ihnen versichern, dass wir auch von der Kantonsseite alles daransetzen werden, um in diesem Bereich von Seiten Landwirtschaft Fortschritte zu erzielen».

Daniela Büchel ist Beraterin beim Landwirtschaftlichen Zentrum St.Gallen (LZSG). Unter anderem berät sie Landwirte zum Thema Pflanzenschutz. Sie informierte über einen runden Tisch im Jahr 2019 mit Landwirten, der infolge der Untersuchungsergebnisse des AWE einberufen wurde. «Wir haben uns mit elf Landwirten, die im Einzugsgebiet des Äächeli und Zapfenbach Boden bewirtschaften, zusammengesetzt», berichtete Daniela Büchel. «So konnten wir verschiedentlich nachvollziehen, wie es zu den Pflanzenschutzmittel-Einträgen in die Bäche gekommen ist und welche Massnahmen umgesetzt werden.» Ziel sei es, die Wasserqualität zu verbessern.

Die Erfahrung dieser runden Tische habe gezeigt, dass die Landwirte sich der Problematik bewusst seien und grosses Engagement an den Tag legten. «Der Wille, die Gewässerqualität zu verbessern, ist stark verbreitet», berichtete Büchel. Im Frühling 2020 haben sich die Landwirte und das LZSG erneut getroffen und die neueren Resultate diskutiert. «Es sind wesentliche Verbesserungen festgestellt worden.» Es gäbe noch vereinzelt Überschreitungen, insbesondere bei Insektiziden mit dem Wirkstoff Pyrethroide.

Haus und Schrebergärten

«Und es gibt gewisse Wirkstoffeinträge, die wir uns nicht erklären konnten», so Büchel. Teils seien Wirkstoffe gefunden worden, die seit 2011 in der Schweiz verboten seien. «Im Einzugsgebiet des Äächeli wie auch des Zapfenbachs liegen Haus- und Schrebergärten, die direkt an die Bäche grenzen.» Die Vermutung liege nahe, dass auch diese Nutzergruppe zu den Wirkstoffeinträgen in die Bäche beitrage. Es sei wichtig, dass auch diese Nutzergruppe bezüglich Pflanzenschutzmitteleinsatz sensibilisiert werde.

Die Landwirtschaft mache ihre Hausaufgaben, sagte die Pflanzenschutzmittel-Beraterin. «Mit diesen zwei Pilotprojekten konnten wir massgeblich zur Verbesserung der Qualität der Kleingewässer beitragen. Wir sind überzeugt, dass dieses Vorgehen auch bei anderen Bächen erfolgreich sein wird.»

Untersuchte Bäche

Folgende Bäche wurden in der Messkampagne 2018 bis 2020 untersucht:

Äächeli, Au; Lattenbach, Rapperswil-Jona; Nebengraben, Benken; Tankgraben, Benken; Wagnerbach, Rapperswil-Jona; Albertswilerbach, Gossau; Kirchtobelbach, Waldkirch; Länderenaach, Widnau; Loobach, Niederbüren; Bergerbach, Steinach; Entsumpfungskanal, Sennwald; Haager Entsumpfungsgraben, Sennwald; Kleiner Eisenrietgraben, Oberriet; Maientrattkanal, Diepoldsau. meg.

Perfluoroctanssulfonsäure (PFOS)

Die Industriechemikalie Perfluoroctanssulfonsäure (PFOS) wurde hauptsächlich dazu verwendet, um Materialien wie Textilien, Teppiche und Papier fett-, öl- und wasserfest zu machen: Outdoor-Kleidung, Imprägnierung, Skiwachs, Feuerlöscher usw. PFOS ist umweltpersistent (schwer abbaubar), bioakkumulierbar (Anreicherung einer Substanz in einem Organismus) und für Säugetiere giftig. PFOS ist seit dem 1. August 2011 in der Schweiz verboten. meg.

 

 

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