Teeanbau in Kenia: Vom Hochland ins Alpenland
Tee ist eines der beliebtesten Getränke in der Schweiz. Die Schweiz importierte 2022 gut 7600 Tonnen Tee. Wichtigster Teehandelspartner ist Kenia: Im ostafrikanischen Land ist der Teeanbau für die die Wirtschaft im Hochland essenziell.
In Kericho, mitten im Hochland Kenias, wo die weltweit besten Langstreckenläufer herkommen, regnet es fast jeden Tag. Etwa 1400 Millimeter pro Jahr. Dazu scheint die Sonne täglich und die durchschnittliche Temperatur beträgt rund 20 Grad. Die rote Vulkanerde bildet einen Kontrast zur üppig-grünen Vegetation auf rund 2000 Metern über Meer. Das bietet nicht nur beste Bedingungen für Marathontrainings, sondern auch für Kenias wertvollsten Export: Tee.
Grösster Tee-Exporteur
Kenia ist einer der weltweit grössten Teeproduzenten und der grösste Exporteuer überhaupt, noch vor China, dem Tee-Ursprungsland und mit Abstand grössten Produzenten. Gemäss der UNO-Ernährungsorganisation FAO betrugen im Jahr 2021 die kenianischen Exporte 556 552 Tonnen. Ein grosser Teil wird auf die arabische Halbinsel exportiert.
Der Teeanbau in Kenia ist eng verknüpft mit der Kolonialgeschichte des Landes. Die erste Pflanzung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Engländern getätigt. Seither blüht das Geschäft und insbesondere Schwarztee aber auch Grüntee, gelber Tee und weisser Tee werden nach wie vor in grossem Stil angebaut.
Tee wird in Kenia mehrheitlich von Kleinproduzenten angebaut, deren Interessen vom Verband Kenya Tea Development Agency (KTDA) vertreten werden. Den kleineren Teil bauen grosse Firmen wie Unilever, James Finlay, Williamson Tea und Eastern Producers an.
Ein Leben auf den Teeplantagen
In der Region Kericho arbeitet fast die gesamte Bevölkerung im Tee-Sektor. Das ganze Leben findet innerhalb der Plantagen statt. Schulen, Supermärkte, Hütten – alles zum Leben Notwendige wird von KTDA oder den grossen Teefirmen zur Verfügung gestellt.
Viele Bewohner haben die Plantage noch nie verlassen. Dabei sind die Dimensionen riesig, Finlay’s beispielsweise beschäftigt für die Verarbeitung ihrer jährlich 28 000 Tonnen Tee, der in neun Gärten auf 5200 Hektaren angebaut wird, rund 9500 Angestellte, die mit ihren Familien unter anderem das Angebot von 14 Primarschulen, zwei Sekundarschulen, 50 Kindergärten und 13 Apotheken nutzen und in rund 3000 Kleingärten ihr Gemüse anbauen.
Mehr als ein Golfrasen
Die Landschaft im Teeanbaugebiet ist spektakulär, insbesondere von Weitem: Die Sträucher sind so nahe aneinander gepflanzt, dass ein grüner Teppich entsteht. Erst aus der Nähe betrachtet, erkennt man, dass es sich nicht um einen Golfrasen, sondern um Teepflanzen handelt, die etwa 1,30 Meter hoch sind. In quadratischen Flächen von etwa zehn Quadratmetern sind sie angeordnet. Tee kann ganzjährig geerntet werden.
Ein gestutzter Baum
Herangezogen aus Stecklingen in der eigenen Baumschule, produziert die Pflanze erst mit drei Jahren erntereife Blätter. Sie kann dafür 30 bis 50 Jahre alt werden. Wenn sie keine Blätter mehr produziert, wird sie ausgegraben und ihr Stamm als Feuerholz genutzt. Die Teepflanze Camellia sinensis würde zu einem kleinen Baum heranwachsen, würde sie nicht stets gestutzt. Die abgeflachte Form vereinfacht das Pflücken der Teeblätter und stimuliert das Wachstum von neuen Austrieben.
Eine kenianische Teefarm benutzt immer verschiedene Sorten, um für die Geschmäcker der verschiedenen Exportnationen das Passende zu bieten.
Gefährdung von Arbeitsplätzen
Die Arbeit wird vorwiegend manuell verrichtet, je nach Betrieb werden Zwei-Mann-Maschinen eingesetzt. Grosse Mähdrescher sind in Entwicklung, aber weil die Qualität des Tees stark vom Erntezeitpunkt abhängt, bietet das Pflücken von Hand noch immer grosse qualitative Vorteile.
Dennoch: Als die Arbeiterorganisation im Jahr 2006 eröffnete, dass bei einer Einführung von Teepflückmaschinen die Lebensgrundlage von 500 000 Personen gefährdet sein könnte, begannen die Arbeiter zu demonstrieren. Maschinen könnten allerdings nur die teure Handarbeit von gewissen Teesorten ersetzen, lautete die Antwort der grossen Verarbeiter.
Die Blätter werden in regelmässigen Abständen in die nahe Fabrik gebracht, entweder mit Lastwagen oder auch in Beuteln aufgehängt an eigens dafür eingerichteten Umlaufseilbahnen.
Unsichere Zukunft
Weil das Endprodukt Tee homogen sein soll, setzen Klein- und Grossbetriebe Dünger und Pestizide ein. Auf kleinen Betrieben werden sie mit dem Rückenspritzer ausgebracht, auf grossen Plantagen spritzen Kleinflugzeuge die Pflanzen. Eine in den letzten Jahren gestiegene Abhängigkeit der Teebauern von grossen internationalen Agrarkonzernen ist die Folge des übermässigen und unsachgemässen Gebrauches der Pestizide und Düngemittel.
Nicht viele Zahlen sind über den Gebrauch von synthetischen Mitteln auf Teefarmen sowie über die Gesundheit der Arbeiter bekannt, in den Medien wird darüber spekuliert.
Viel Milch im Tee
Gemeinsam mit der drohenden Mechanisierung und der Gefährdung der Gesundheit macht auch der Klimawandel der kenianischen Tee-Industrie Sorgen. Sich verschiebende Regenperioden lassen den wichtigen Wirtschaftssektor unsicherer werden.
Den vielen Arbeitern auf den Plantagen bleibt allerdings nicht viel anderes, als abzuwarten und Tee zu trinken. In Kenia übrigens mit so viel Milch verdünnt, dass das Tee-Aroma kaum mehr spürbar ist. Da erstaunt es nicht, dass trotz einer grossen Bevölkerung über 80 Prozent des produzierten Tees das Land verlässt.